Die Transformationen des Privaten in Zeiten von Elterngeld und Minijobs

Die geschrumpfte Familie

Zur Transformation des Privaten in Zeiten von Elterngeld und Minijobs.

»Es wird sich dann zeigen, dass die Befreiung der Frau zur ersten Vorbedingung hat die Wiedereinführung des ganzen weiblichen Geschlechts in die öffentliche Industrie, und dass dies wieder erfordert die Beseitigung der Eigenschaft der Einzelfamilie als wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft.« (1) Nach Friedrich Engels’ hier formulierter Vorstellung ist für die Emanzipation der Frau nicht nur die Angleichung ihrer Lebenssphäre an die des Mannes notwendig, sondern auch eine Veränderung der Privatsphäre. Dies bedeutete für ihn mehr als nur die Delegation einiger Aufgaben der Familie an den Staat, nämlich die Aufhebung der Familie selbst. Oberflächlich betrachtet, ist heute, auf dem Boden kapitalistischer Vergesellschaftung, schon erreicht worden, was Engels als Vorbedingung für die Befreiung der Frau im Kommunismus benannt hat. Das Einsaugen der Frauen in den Produktionsbereich ist ebenso weit fortgeschritten, wie die genuinen Familienaufgaben weniger geworden sind. Die Frauenerwerbsquote ist überall in Europa angestiegen (2), aber kaum irgendwo so stark wie in Deutschland. Betrug sie in Westdeutschland 1970 nur 46 Prozent (3), liegt sie heute bei 71,8 Prozent. (4) Ein großer Unterschied zu früher besteht darin, dass nicht nur alleinstehende Frauen, sondern auch die Mehrzahl der Mütter heute arbeiten gehen. Während im 19. Jahrhundert die Frauenerwerbstätigkeit eine hohe Kindersterblichkeit zur Folge hatte, sind Kinder und selbst Säuglinge, deren Eltern beide arbeitstätig sind, heute keiner systematischen Benachteiligung mehr ausgesetzt. Im Gegenteil: Solche Kinder gelten oft als selbständiger und als durchsetzungsfähiger denn ihre Altergenossen. Die Frauen im 19. Jahrhundert, die in den Erwerbsprozess eingezogen waren, bezahlten dafür den Preis, dass sie der Hausarbeit und dem Aufziehen ihrer Kinder – beides in den Privatbereich verbannt – nicht oder nur unzulänglich nachgehen konnten. Lohnarbeit und reproduktive Hausarbeit schlossen einander praktisch aus. Die bürgerlichen Frauen dagegen waren von der Erwerbsarbeit, also der öffentlichen Sphäre, und damit von der gesellschaftlichen Teilhabe weitgehend ausgeschlossen, auf die Hausarbeit reduziert und ökonomisch vom Mann abhängig. Dieses die bürgerliche Gesellschaft bestimmende Verhältnis von Privat und Öffentlich als zweier komplementärer, sich aber gegenseitig ausschließender Sphären – erstere der Frau, letztere dem Mann zugeordnet (5) – hat sich durch die Emanzipation der Frau und die Übernahme familiärer Aufgaben durch den Staat stark gewandelt. Dieser Wandel nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen Anfang und hatte seine Ursache in der unerträglichen Situation der Arbeiterklasse und der vollständigen Abhängigkeit der bürgerlichen Frau von ihrer Familie. Beides führte zu gesellschaftlichen Widersprüchen, die einer Lösung bedurften. Die Verstaatlichung der Erziehung Durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert war eine neue Klasse entstanden: das Proletariat. Die Proletarisierten hatten nichts zu verkaufen als ihre eigene Arbeitskraft. Oft losgelöst von den bäuerlichen familiären Zusammenhängen ihrer Herkunftsorte, war ihre soziale Situation meist erbärmlich. Sie vegetierten teils wie Tiere, ihre Lebenssituation war hygienisch und medizinisch katastrophal, sie verfügten kaum über Schulbildung. Vor allem im Fall von Arbeitslosigkeit vermochten sie ihre Existenz kaum zu sichern. Diese Lage der Arbeiter brachte es mit sich, dass sie oft mehr schlecht als recht arbeitsfähig waren: Körperlicher Verfall, Alkoholismus und Disziplinlosigkeit waren an der Tagesordnung. Da das Erstarken der Arbeiterbewegung die Furcht der Bourgeoisie vor der proletarischen Revolution schürte, sah diese sich zwecks Befriedung des gesellschaftlichen Konflikts und zwecks Erhalts der Arbeitskraft der Proletarier gezwungen, auf die Arbeiterklasse helfend und disziplinierend einzuwirken. Der Staat übernahm deshalb Aufgaben, die vorher innerhalb der proletarischen Familien kaum wahrgenommen und allenfalls hin und wieder durch die bürgerliche Wohlfahrt erledigt werden konnten. Neben der Einführung der Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung war eine wesentliche neue Aufgabe des Staates die Professionalisierung der Sozialarbeit. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war der Bourgeois oftmals noch Fabrikbesitzer und Sozialarbeiter in Personalunion. Sein Interesse an der Ausbeutung der Arbeitskraft setzte er auch mit Hilfe der Fürsorge durch. Es gab indes nur für höchstens zwei Wochen Unterstützung, die allein dazu dienen sollte, die Arbeitslosen wieder arbeitsfähig zu machen und sie stärker in den Betrieb zu integrieren. Diese Hilfe war zunächst noch ehrenamtlich und kurzfristig. Immer mehr bürgerliche Frauen setzten sich jedoch in ehrenamtlichen Vereinen für die Wohlfahrt der Armen ein, und so wurden auch Forderungen nach der Professionalisierung der Hilfe laut. Mit der Durchsetzung dieser Forderung war ein erster Schritt zur Verweiblichung der Sozialfürsorge getan. Alice Salomon, die Begründerin der modernen Sozialarbeit, prägte hierfür den Begriff der »geistigen Mutterschaft«. Es sollten fachliche und methodische Kenntnisse erworben werden, um den jeweiligen Fall einschätzen und eine entsprechende Hilfe anbieten zu können. Zwar blieb die Arbeit in der Hand privater und kirchlicher Träger, wurde aber vom Staat finanziert. Für diese neuen Stellen bedurfte es einer Ausbildung, und damit war eine Beschäftigungsmöglichkeit für unverheiratete bürgerliche Frauen gefunden. Zugleich wurde es möglich, dass Mädchen als Lehrerinnen oder in den neu entstehenden Kindergärten arbeiteten. Das Verhältnis zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit hatte sich dadurch verändert. Privat war nur noch die Kernfamilie mit ihrer weiterhin libidinös-ödipalen Beziehungsstruktur, die eine der bürgerlichen Gesellschaft entsprechende Subjektform hervorbrachte und reproduzierte. Ansonsten war das Private öffentlich geworden. Die Frau war jetzt nicht mehr nur privat Mutter, sondern als Lehrerin und Sozialfürsorgerin, später als Sozialarbeiterin und Erzieherin, öffentliche Mutter. War dies am Anfang als Arbeit für unverheiratete Frauen gedacht, so wählten bald auch andere Frauen diese Arbeitsbereiche, weil sie so Beruf und Familie vereinbaren konnten. Damit war die Frau zweigeteilt, in Öffentlich und Privat, und zwar auf frauenspezifische Weise. Auch die Arbeiterin war schon dem Ansatz nach zweigeteilt gewesen, einmal als Arbeiterin und einmal als Hausfrau und Mutter, wenn sie auch letztere Funktion kaum angemessen ausüben konnte. Die bürgerliche Frau landete nun nicht in der Produktion, sondern in der staatlich finanzierten Sozialarbeit, und pendelte zwischen professioneller Mutterschaft und möglichst authentischer Liebe in der Familie hin und her. Die bürgerlichen Frauen gewannen so zwar eine relative Unabhängigkeit von den Männern, aber mit dem Nachteil, dass die Kindererziehung stärker vom Staat kontrolliert wurde. Bereits in den im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erarbeiteten Kindergartenrichtlinien des bayerischen Staates, herausgegeben von König Ludwig I., heißt es dazu: »Da bei weitem der größere Teil der in dieser Anstalt aufgenommenen Kinder armen Eltern angehört, und für einen Stand erzogen werden soll, welcher vorzugsweise einen gesunden, kräftigen und gewandten Körper, Lust und Liebe zu anstrengender Arbeit und mögliche Beschränkungen seiner Bedürfnisse zu seinem künftigen Einkommen und zu seinem äußeren Lebensglück nötig hat: so muss in den Kinderbewahranstalten alles sorgfältig vermieden werden, was nachhaltig auf den Gesundheitszustand einwirkt, die Pfleglinge schwächt und verweichlicht, den Hang zum Wohlleben hervorruft und Bedürfnisse erzeugt, die in späteren Lebensjahren nicht mehr befriedigt werden können, und im Entbehrungsfalle leicht eine Quelle der Unzufriedenheit und des Unzufriedenen eröffnen dürften.« (6) An diese Verstaatlichung familiärer Erziehungsaufgaben knüpften die Institutionen der öffentlichen Erziehungsarbeit an, die im späten 19. und im 20. Jahrhundert ausgebaut wurden. Während das Personal und damit auch die Kindermädchen durch die Proletarisierung der bürgerlichen Schichten in diesem Zeitraum stark reduziert wurden (erst in jüngster Zeit gewinnen diese Berufe wieder an Bedeutung), verallgemeinerte sich die staatliche Kindererziehung. Die Zeit des Nationalsozialismus stellt in dieser Hinsicht keinen Bruch, sondern eine Verschärfung der Tendenz zur Entprivatisierung der Familienaufgaben dar. War es noch Leitlinie der Weimarer Republik, dass nur jene Kinder in den Kindergarten sollten, deren Eltern die Erziehungsaufgaben nicht übernehmen konnten, so erstrebten die Nationalsozialisten einen direkteren Einfluss auf die Erziehung der Kinder. Der Reichsamtsleiter der NS-Volkswohlfahrt, Hermann Althaus, proklamierte: »Die national­sozialistische Volkswohlfahrt sieht die Kindertagesstätte als eine ihrer bedeutendsten Einrichtungen an, in denen die Ziele (…) an einer (…) beeinflussbaren Altersstufe verwirklicht werden müssen.« Nicht von ungefähr erhöhten die Nationalsozialisten die Zahl der Kindergartenplätze deutlich, statt vorher 15 konnten nun 30 Prozent aller Kinder auf einen Kindergartenplatz hoffen. Die freien Träger wurden abgeschafft und durch die NS-Volkswohlfahrt ersetzt, die Befugnisse der kirchlich gebundenen Träger wurden eingeschränkt. Dabei konnte der NS-Staat auf die im Deutschen Reich und der Weimarer Republik aufgebaute Fürsorgehilfe zurückgreifen. Die Durchführung des 1934 erlassenen »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« war nur möglich durch die Denunziation der Behinderten durch die Fürsorgerinnen. In der BRD wurde dieses Gesetz erst 1974 offiziell außer Kraft gesetzt, bis heute gelten die von ihm betroffenen Menschen nicht als Opfer des Nationalsozialismus und erhalten keine Entschädigung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kleinkinderbetreuung in der BRD als nachrangig behandelt. Die Kindergärten waren Notbetreuungseinrichtungen mit oft 60 Kindern in einer Gruppe. Nur wer wirklich musste, gab hier seine Kinder ab. Erst durch den Einfluss der Kinderladenbewegung wurde in den siebziger Jahren mehr Wert auf die Qualität der Kindergärten gelegt. Es gab viele gesellschaftliche Gruppen, die nun bessere Einrichtungen für alle Kinder forderten. Den Kindern sollte hier schon früh Wissen vermittelt werden, um die passenden Fähigkeiten für das erwartete Zeitalter des Neuen Menschen zu erwerben, in dem alle zum Mond fliegen würden. Auch dem Staat war die frühe Einflussnahme auf sein Menschenmaterial unter neuen Vorzeichen wieder wichtig geworden. Da die meisten Kindergärten jedoch schon mittags schlossen und ohnehin erst Kinder ab vier Jahren dort aufgenommen wurden, deckten sie nur einen kleinen zeitlichen Rahmen ab, und Mutter zu sein, hieß weiterhin vor allem, Hausfrau zu sein. War die verallgemeinerte Form der öffentlichen Kinderbetreuung ein erster Schritt zur Akzeptanz der Ganztags- und Kleinkindbetreuung, so setzte sich diese in der BRD trotzdem erst langsam durch und wäre vielleicht ohne den Anschluss der DDR, in der die frühkindliche Betreuung schon lange üblich war, bis heute kaum entwickelt. Staatsfeminismus Reformistische Frauenrechtlerinnen verstehen unter der Emanzipation der Frau vor allem, dass Frauen gleichwie der Mann durch ihre berufliche Arbeit ökonomisch unabhängig sein mögen. Nach diesem Kriterium hat die Emanzipation der Frau in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte gemacht hat. Ein allgemein anerkanntes Kriterium für den Stand der Emanzipation in einem Land ist die Frauenerwerbsquote, also der prozentuale Anteil der Frauen, die arbeiten oder arbeitslos gemeldet sind. 1989 war die Erwerbsquote mit 55,5 Prozent gerade einmal um 6,5 Prozentpunkte höher als 1960, um während der neunziger Jahre, trotz Anschlusses der DDR, bei 55 bis 57 Prozent zu stagnieren. Erst zwischen 2000 und 2003 ist ein großer Anstieg zu erkennen: Innerhalb von drei Jahren stieg die Quote genauso, wie die gesamten 40 Jahre vorher zusammen: von 57,5 auf 65,1 Prozent. Heute liegt sie bei 71,8 Prozent. Damit hat man zwar noch nicht den Stand der DDR von 1989 erreicht (78,1 Prozent), ist aber deutlich über dem EU-Durchschnitt von 64,9 Prozent. (7) So erstaunen auf den ersten Blick die Diskussionen über die vermeintlich besonders schwierige Vereinbarkeit von Arbeit und Familie in Deutschland. Die Politik Ursula von der Leyens, die auch Kristina Schröder fortsetzt, war in dieser Hinsicht fortschrittlicher als die Familienpolitik der SPD. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab einem Jahr und das Elterngeld sind von CDU-Politikerinnen durchgesetzt worden. Ziel der Maßnahmen ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und damit eine klassische Forderung der bürgerlichen Frauenbewegung zu erfüllen. Allerdings nur für bestimmte gesellschaftliche Gruppen: Das Elterngeld soll Akademikerinnen dazu bringen, mehr Kinder zu bekommen. Dieses von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich formulierte Ziel zeigt, dass bevölkerungspolitische Maßnahmen heute unwidersprochen als solche benannt und durchgesetzt werden können. Als Grund für die Kinderlosigkeit von Akademikerinnen wurde ausgemacht, dass der Lebensstandard solcher Paare durch die Geburt eines Kindes rapide sinke, weil einer der Partner seinen Beruf aufgeben müsse, um beim Kind zu bleiben. Verschärft werde dieses Problem dadurch, dass sich mit den heutigen Durchschnittseinkommen von Akademikerinnen wie Lehrerinnen und Journalistinnen, teilweise sogar von Ärztinnen, eine Familie kaum ernähren lasse. Das Elterngeld gibt es bis zu 14 Monate lang nach der Geburt eines Kindes, wenn sowohl Vater als auch Mutter Elternzeit beanspruchen. So soll nicht nur die Akademikerin dazu gebracht werden, ein Kind zu bekommen, sondern auch der dazugehörigen Akademikervater durch die Bindung an das Kind, die er in den 3,3 Monaten eingeht, die er durchschnittlich zu Hause bleiben soll, animiert werden, sich stärker an der Erziehung zu beteiligen. Das hat bisher nur teilweise gewirkt. Zwar ist die Zahl der Männer, die Elterngeld beanspruchen, deutlich gestiegen, das fällt aber nur ins Gewicht, weil das vorherige Erziehungsgeld eine verschwindende Minderheit beantragt hat. Bisher nehmen nur 18 Prozent der Väter Elternzeit, die meisten davon für nur zwei Monate. Allerdings arbeiten von diesen einige nach der Elternzeit Teilzeit und setzen sich für familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein. (8) Damit die Paare keine schweren Einkommensverluste hinnehmen müssen, ist es notwendig, dass beide Eltern nach spätestens 14 Monaten wieder arbeiten. Deshalb ist es konsequent, dass es ab Sommer 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geben soll, sofern das Kind älter als ein Jahr ist. Das Elterngeld bevorzugt also ein Lebenskonzept: Familien, in denen beide Eltern arbeitstätig sind. So scheint selbst das in Geschlechterfragen immer schon rückständige Deutschland auf dem Weg zum egalitären Doppelverdienerpärchen weit fortgeschritten zu sein, und vielleicht klappt es auf diese Weise doch noch mit der Steigerung der in Deutschland niedrigen Geburtenrate. Das Elterngeld und den Ausbau der Kinderbetreuung führt der Staat jedoch nicht ein, weil er sein Herz für die Belange der Frauen entdeckt hat, sondern weil auf diese Art und Weise mehr aus den Untertanen herausgepresst werden kann, wie es das Bundesfamilienministerium in der von ihm 2008 herausgegebenen Studie »Sozialbilanz Familie« auch unverblümt zugibt: »In dynamischer Hinsicht sind Wachstumsimpulse durch den Ausbau der frühkindlichen Förderung zu erwarten. Zum einen führt bessere frühkindliche Bildung zu einer Zunahme des Humankapitals der Kinder und späteren Erwerbspersonen. Zum anderen führen die geringeren Erwerbsunterbrechungen bei den Eltern zu geringeren Humankapitalabschreibungen, so dass auch hieraus positive Impulse auf Qualifikation und Erwerbstätigkeit abgeleitet werden können.« (9) Neben der finanziellen Förderung und dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen wie Kita und Ganztagsschule ist von dem neuen Scheidungsrecht der wichtigste Impuls zur verstärkten Erwerbstätigkeit der Frau zu erwarten. Alle Maßnahmen, aber diese im Besonderen, zielen darauf ab, die Kleinfamilie auszuhöhlen und die Eigenverantwortung des Individuums in den Vordergrund zu rücken. »Jeder ist seines Glückes Schmied«, heißt es nun auch innerhalb der Familie, die in der bürgerlichen Gesellschaft ehemals der Ort gewesen ist, wo Konkurrenz und Individualismus aufgehoben sein sollten. So beschreibt Max Horkheimer in »Autorität und Familie in der Gegenwart«, dass bei der Geburt der modernen Zivilisation in Wahrheit nicht das Individuum, sondern die bürgerliche Familie aus der Leibeigenschaft des Feudalismus befreit worden sei. Daraus entsteht ein gesellschaftlicher Widerspruch, da sich der Idee des freien Individuums zum Trotz, die diesen Prozess befördert hat, die unmittelbare Abhängigkeit im Familienverband für Frau und Kind erhält. Schon 1960 diagnostizierte Horkheimer, dass dieser Widerspruch sich zugunsten eines seinerseits heteronomen Individualismus auflöse, der dem Einzelnen die Verantwortung für sein weiterhin unfreies Leben aufbürde. Erst heute kommt diese Entwicklung ganz zum Tragen. Nicht deshalb jedoch, weil die Ehe real an Bedeutung verloren hat – in eheähnliche Beziehungen werden dieselben Aufgaben verteilt und übernommen wie in der Ehe –, sondern weil die Versorgung der Ehepartner nur noch innerhalb der Beziehung und nicht mehr darüber hinaus geleistet werden muss. Seit 2008 muss der Mann endgültig nicht mehr aus finanziellen Gründen bei der für ihn unattraktiv gewordenen Ehefrau bleiben, da er nun nur noch in Ausnahmefällen zum Unterhalt an die Ex-Frau verpflichtet ist, sofern die gemeinsamen Kinder über drei Jahre alt sind. Wenn die Frau zugunsten der Kindererziehung auf ihr berufliches Fortkommen verzichtet hat, ist das fortan ihre Sache und soll juristisch keine Rolle spielen. Das neue Unterhaltsrecht ignoriert, dass es für Frauen mit Kindern trotz der neuen Maßnahmen nicht einfacher ist, Familie und Arbeit zu vereinbaren, und dass Frauen sich im Fall einer Scheidung noch immer mehrheitlich in einer schwierigeren ökonomischen Situation als die Männer befinden. Die Frau, oder eben der Teil eines Doppelverdienerpaares, der sich vornehmlich um die Kinder gekümmert hat, wird es sich nun entweder dreimal überlegen, sich scheiden zu lassen, oder – was bei einer Scheidungsrate von 50 Prozent naheliegend ist – schon während der Ehe alles dafür tun, um den Arbeitsausfall auch nach der Geburt eines Kindes möglichst gering zu halten. Denn jeder Ausfall kann einen Rückschritt für die Position im Betrieb bedeuten. So werden Frauen nach der Elternzeit oft auf Stellen gesetzt, die für sie nicht geeignet sind, vor allem, wenn sie in Teilzeit arbeiten wollen. Mit dem Elterngeld und dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat der Staat also Mittel gefunden, um die Frau wie vordem schon den Mann so lange wie möglich ins Hamsterrad der Erwerbsarbeit zu zwingen, nur dass dieses wegen der zusätzlich zu leistenden Familienarbeit, die zumeist immer noch der Frau aufgebürdet wird, noch schneller laufen muss. Bleibt die Frau länger zu Hause und nimmt gar das Betreuungsgeld in Anspruch, ist sie schneller, als sie sich versieht, unterhalb der Armutsgrenze gelandet. Seit der Einführung des neuen Scheidungsrechts Anfang 2008 ist die Zahl von Alleinerziehenden, die in Armut leben, von 35,9 auf 43 Prozent gestiegen. (10) So verhält es sich oft im Kapitalismus: Eine gute Sache, die Erleichterung von Scheidungen, verkehrt sich in ihr Gegenteil, weil von einer durchgesetzten Gleichheit der Geschlechter ausgegangen wird, die aufgrund der bisher kaum in Frage gestellten Zuständigkeit der Frau für die Reproduktionsarbeit gar nicht gegeben ist. Frauen tragen in der Erziehungsarbeit auch heute noch die Hauptverantwortung, die Väter sehen sich in erster Linie als Ernährer für die Kinder und übernehmen im Umgang mit ihnen eher die spielerischen Anteile. Nicht umsonst erhöhen Männer, wenn Paare ein Kind bekommen, im Durchschnitt die Arbeitsstunden, während die Frauen sie deutlich reduzieren. Da sie sich aber heutzutage nicht mehr auf den Lorbeeren der Hausarbeit ausruhen und für den Fall einer Scheidung auf finanzielle Entschädigung hoffen kann, muss sich jede Mutter tendenziell als potentiell Alleinerziehende fühlen und sich für familiäre ebenso wie für berufliche Tätigkeiten qualifizieren, auch wenn sie mit ihrem Partner zusammenwohnt. Spätestens nach der Scheidung teilen sich die Mütter und der Staat die Aufgaben, die vorher der Mann innehatte. Die Frau muss nun die Rolle des Ernährers und die Reproduktionstätigkeiten übernehmen. Wenn sie sich auf diese Weise nicht oder nur teilweise finanzieren kann, muss sie ALG II beantragen, womit die Rest­familie der direkten Kontrolle durch den Staat unterworfen ist. Während der weibliche Part der Erziehungsarbeit früher in Einfühlungsvermögen und liebevoller Zuneigung bestand und der Vater das Realitätsprinzip verkörperte, das jedoch auch damals schon oft genug die Frau als Stellvertreterin des Mannes durchsetzen musste, so hat die Frau heute sowohl den männlichen als auch den weiblichen Part inne. Damit haben sich Öffentlichkeit und Privatsphäre auf neue Weise verschränkt. Die Familie funktioniert wie ein Unternehmen, in dem die Familienmanagerin alles nach rationalen Kriterien organisiert. Diese Verschränkung bedeutet keine Aufhebung des gesellschaftlichen Widerspruchs, sondern seine Verschiebung in die Einzelnen hinein, vor allem in die Frau, die sowohl männliche wie weibliche Anteile in sich entwickeln muss. Durch die bürgerliche Emanzipation der Frau ist der Widerspruch zwischen Privatem und Öffentlichem und damit auch der Geschlechterantagonismus selbst nicht aufgelöst worden, sondern hat sich lediglich transformiert. Gegenwärtiger Ausdruck dieses Widerspruchs ist die Alleinerziehende, als die sich jede Mutter der Tendenz nach fühlen muss. Wahlfreiheit? Von der Wahlfreiheit bei der Betreuungsfrage, die die CSU gerne erhalten möchte, ist tatsächlich also kaum mehr etwas übrig. Das Betreuungsgeld von 100 bzw. (ab 2014) 150 Euro für Eltern, die die Erziehung ihrer Kinder bis zu deren vollendetem dritten Lebensjahr privat organisieren, soll die Doppelbelastung für die Frau mildern, entweder selbst oder durch Finanzierung von Fremdbetreuung. Letzteres gestaltet sich bei einem Betrag von 150 Euro sicher schwierig, was auch Anhängerinnen des Betreuungsgeldes wie die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär wissen, die deshalb das Betreuungsgeld gerne erhöhen würde. Bei ALG-II-Empfängerinnen wird es angerechnet, um zu verhindern, dass »bildungsferne« Familien aufgrund der finanziellen Zuwendung ihre Kinder zu Hause erziehen. So stellt der Staat alle ALG-II-Empfänger unter Generalverdacht, das zweckgebundene Geld abkassieren zu wollen, ohne sich adäquat um die Kinder zu kümmern, und gerade diejenigen, für die das Geld eine Hilfe bedeuten würde, kommen nicht in seinen Genuss. Die Sorge, dass diese nun ausgeschlossene Gruppe hauptsächlich vom Betreuungsgeld profitieren würde, ist allerdings nicht ganz unbegründet. Eine von den Gegnern des Betreuungsgeldes, der SPD, in Auftrag gegebene Studie über Länder wie Norwegen und Finnland, die das Betreuungsgeld eingeführt haben, zeigt, dass es tatsächlich in der Mehrheit von sozial Schwachen und Migrantinnen genutzt wird. Mittelschichtfamilien nehmen es kaum in Anspruch; es lohnt sich für sie nicht. Die Sorge der SPD, dass das Betreuungsgeld einen geschlechterpolitischen Rollback bedeute, weil die Akademikerin wieder bei den Kindern zu Hause bleibe, ist also unbegründet. Die SPD würde die Kosten für das Betreuungsgeld lieber in den ohnehin schon geplanten Kitaausbau investieren. Ab 1. August 2013 hat jedes Kind zwischen dem vollendeten ersten und dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Kitaplatz. Um das zu ermöglichen, fehlten im Januar 2013 nach verschiedenen Schätzungen noch zwischen 130 000 und 260 000 Plätze. Die Bundesregierung geht davon aus, dass nur etwa 37 Prozent der Kinder einen Kitaplatz benötigen. (11) Nun suggeriert die SPD, dass das schöne postbürgerliche Familienleben, in dem Vater und Mutter ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes ganztags arbeiten und der Kleine in der Zwischenzeit in der Kita schon die Mengenlehre lernt, spätestens ab dem Sommer ohne das Betreuungsgeld Wirklichkeit werden könnte. Doch selbst wenn eine solche Existenz als optimiertes Doppelverdienerpärchen wünschenswert wäre, für alle möglich wäre sie nicht. Wahlfreiheit bedeutet für die Frau mithin nichts als die Entscheidung zwischen verschiedenen Unfreiheiten: zwischen der Abhängigkeit vom Mann und der unmittelbaren Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt. Bestand von den Fünfzigern bis in die achtziger Jahre hinein für Mütter von kleinen Kindern kaum die Möglichkeit, arbeiten zu gehen, so hat sich die Situation heute umgekehrt. Kaum eine Mutter kann es sich mehr leisten, wegen der Familienarbeit zu Hause zu bleiben. Die CSU und andere Konservative weisen zumindest noch darauf hin, dass die Einzelnen sich infolge dieser Entwicklung vollständig durch ihr Berufsleben bestimmen lassen müssen und die Kleinfamilie sowie die mit ihr verbundene Privatsphäre allenfalls als substanzlose Fassade bestehen bleibt. Dagegen aber einfach das Idyll der sechziger Jahre heraufzubeschwören, ignoriert, dass das Modell der bürgerlichen Kleinfamilie seiner Form nach bereits den Verzicht der Frau auf ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten der Familie beinhaltete. Gegen das Betreuungsgeld zu sein, ist trotzdem eine besonders einfache und konformistische Art, sich als feministisch zu profilieren, weil es auch hierbei nicht um die individuellen Bedürfnisse der Frauen geht. Peer Steinbrück hat das in seiner Bundestagsrede zum Betreuungsgeld vom 9. November 2012 deutlich ausgesprochen: Um in der Staatenkonkurrenz zu bestehen, müsse Deutschland einen prognostizierten Wegfall von fünf Millionen Arbeitskräften bis zum Jahr 2025 kompensieren. Einnehmen sollen diese Plätze nicht Migranten, sondern deutsche Frauen und nachrückende Kinder mit arbeitsmarkttauglicher Ausbildung. Dem Ziel des gutverdienenden Pärchen mit mindestens zwei Kindern ist die Regierung trotz dieser Maßnahmen nicht näher gekommen und wird es auch in Zukunft nicht. Kindererziehung und Beruf lassen sich auch, wenn man das Glück hat, einen Ganztagskindergarten und -schulplatz zu finden, für die meisten Menschen nicht verbinden, denn Vollzeitstellen erfordern oft eine Anwesenheit von mindestens morgens um neun bis abends um 18 Uhr. Viele frau­en­spezifische Jobs, wie solche im Gaststättengewerbe und im Einzelhandel, beinhalten Abend- und Wochenendarbeit, also zu Zeiten, zu denen die Kitas ohnehin geschlossen sind. Arbeiten beide Eltern, ist das Paar auf Groß­eltern, Geschwister und Freunde angewiesen oder beschäftigt, wie in früheren Zeiten, ein Kindermädchen. Viele Mütter suchen sich einen Beruf, der gut mit der Reproduktionsarbeit zu verbinden ist: Sie werden Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen oder sind im Einzelhandel oder im Gaststättengewerbe zu schlechten Konditionen beschäftigt. So befindet sich das Doppelverdienerpärchen immer am Rande des Nervenzusammenbruches, vor allem die Frau. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung wurde solch ein Pärchen porträtiert. (12) Nils arbeitet Vollzeit, Carolin nach der Geburt der Tochter nur noch 30 Wochenstunden, zusätzlich macht sie den größten Teil der Hausarbeit. Das Kind geht in die Kita. Die Tage sind komplett durchstrukturiert. Eigens für die Jobs sind sie umgezogen und müssen daher auf die Unterstützung von Familie und Freunden verzichten. Organisation ist alles. Jede unerwartete Situation, und sei es der Schneefall am Morgen, führt zur Krise. Carolin ist überfordert, bekommt sowohl zu Hause als auch auf der Arbeit ihre Unzulänglichkeit zu spüren, leidet unter Panikattacken und fühlt sich wie kurz vor einem Burn-out. Für die meisten Frauen dürfte auch das nach einem Luxusproblem klingen. Denn Frauenarbeit, so zeigen es die Statistiken, ist mehrheitlich Niedriglohnarbeit. Sowohl der Niedriglohnsektor wie Minijobs und Teilzeitarbeit sind Frauendomänen; zwei Drittel dieser Stellen werden von Frauen besetzt. 700 000 Arbeitsplätze sind für Frauen seit 2003 neu geschaffen worden, alle im Niedriglohnbereich. Die dauernde Überforderung wird bei diesen Frauen, die nicht im Reihenhaus in einem Münchner Vorort wohnen und zusätzlich finanzielle Probleme haben, noch deutlich weniger honoriert als bei Carolin und Nils. Die meisten Frauen arbeiten auch heute nicht im Dienste von Selbstverwirklichung und weiblicher Emanzipation, sondern aus nackter Not. Die staatliche Familienpolitik hat dazu geführt, dass gerade in Deutschland eine Situation geschaffen wurde, in der nahezu alle, auch die Frauen, auf den Arbeitsmarkt eingezogen sind. Doch Mütter arbeiten nach wie vor hauptsächlich deshalb, weil der Lohn des Partners nicht zum Lebensunterhalt reicht, oder weil sie alleinerziehend sind. Die Erwerbstätigkeit der Frauen hat überdies einen grundsätzlichen Nachteil: Der Wert der Ware Arbeitskraft sinkt, denn es muss nicht mehr für die ganze Familie Lohn gezahlt werden, sondern nur für das einzelne Individuum und gegebenenfalls für seine Kinder. Die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt macht es daher für immer mehr Frauen notwendig, zu immer schlechteren Bedingungen zu arbeiten. Der Reallohn in Deutschland stagniert schon seit den achtziger Jahren und ist – einmalig in Europa – seit 1990 sogar um 0,8 Prozent gesunken. Ausgehöhlte Privatsphäre Die meisten der neu geschaffenen Stellen, die die Frauen nun besetzen, sind keine Vollzeitstellen. Wenn Frauen Teilzeit arbeiten, liegt das aber nicht nur daran, dass sie aufgrund der notwendigen Kinderbetreuung nicht anders können, sondern auch an den wenigen Vollzeitstellen, die es gibt. Denn während das Arbeitsvolumen – die Anzahl der Stunden, die insgesamt gearbeitet wird – seit 1960 in Deutschland nicht gestiegen ist, obwohl sich die Produktivität verdoppelt hat, wird diese Arbeit jetzt nicht mehr von 26 Millionen Menschen, sondern von 44 Millionen Menschen geleistet. Sowohl Männer als auch Frauen arbeiten deutlich weniger als in den sechziger Jahren, die Männer im Durchschnitt 36,3, die Frauen 26,3 Stunden pro Woche (Zahlen von 2011). 1960 lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 47,5 bzw. 42,9 Stunden. (13) Der immer wieder geäußerte Wunsch, dass Frauen häufiger Vollzeit arbeiten, wird sich kaum realisieren lassen. Selbst von Emanzipation in profaner bürgerlicher Hinsicht kann also nicht gesprochen werden, denn die meisten Frauen sind, wenn sie Kinder bekommen, weiterhin vom Mann oder vom Staat abhängig, da sie von ihrem Job nicht leben können. Sie bleiben die erste Dienstbotin des Mannes und müssen zusätzlich zur Erwerbsarbeit die Reproduktionsarbeit ganz oder großteils übernehmen. Die Frauen haben also die Wahl, entweder in hoffnungsloser Überforderung als (Teilzeit-)Arbeitskraft und Mutter mit oder ohne Mann zu leben oder auf eine Familie zu verzichten und das Leben der Männer zu führen. Doch anders als in den siebziger Jahren zeichnet sich heute keine Frauenbewegung ab, die kollektive Lösungen für das Problem sucht. Die Lösungsversuche sind entweder individualistisch oder etatistisch, indem die Frauen mit Kinderkrippen, Ganztagsschulen und mehr Kindergeld unterstützt werden sollen, um ihnen Lohnarbeit zu ermöglichen. Die Familie wird nicht abgeschafft, sondern bleibt geschrumpft und ausgehöhlt bestehen. Dennoch soll weiterhin eine liebevolle Bindung zwischen Eltern und Kind ermöglicht werden, so dass die Kinder die Werte und Normen der Gesellschaft leichter übernehmen, als dies durch reine Verbote möglich wäre. Wenn dafür nicht mehr so viel Zeit ist, dann muss die verbliebene optimiert werden. Quality time wird als passendes Konzept empfohlen, um in kürzerer Zeit die nur noch dem Schein nach zweckfreie Beziehung zum geliebten Nachwuchs zu festigen. Schon das kleinste Kind wird in einen engen Zeitplan gepresst. Mit der Aufhebung der Familie, wie sie Engels vorschwebte, hat das nichts zu tun. Zwar ist viel Arbeit, die vorher im privaten Rahmen der Kleinfamilie stattfand, tatsächlich in die öffentliche Sphäre verlagert worden, doch auf die unentgeltliche Arbeit von Müttern, aber auch Vätern, Verwandten und Freunden, kann weiterhin nicht verzichtet werden. Erst die Aufhebung der Lohnarbeit würde Möglichkeiten schaffen, die Privatsphäre aufzuheben. Von einer Kritik der Lohnarbeit ist der staatstreue Feminismus heutiger Zeit jedoch weit entfernt. Anmerkungen (1) Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats (1884), in: MEW 21, S. 76 (2) Die Erwerbsquote beinhaltet neben den Erwerbstätigen auch die registrierten Erwerbslosen, also all diejenigen, die arbeitslos gemeldet sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen. 5,1 Prozent der Frauen sind arbeitslos. Somit müsste die Erwerbstätigenquote, der Anteil jener Frauen zwischen 15 und 65, die wenigstens ein paar Stunden arbeiten, bei etwa 66,7 Prozent liegen. Als Erwerbstätige gelten auch Menschen in Elternzeit. In manchen Statistiken wird eine Erwerbstätigenquote von 70 Prozent genannt. In den Medien gehen Zahlen und Begriffe jedoch wild durcheinander, und es ist nicht immer klar, ob zwischen Erwerbsquote und Erwerbstätigenquote richtig unterschieden wird. Daher sind die Zahlen nur als Tendenz anzusehen. Die Erwerbsquote bei Männern liegt bei 81 Prozent. (3) In der DDR lag die Frauenerwerbsquote 1970 schon bei 66,1 Prozent. (4) Damit liegt Deutschland in Europa hinter Schweden, Finnland und Dänemark an vierter Stelle (www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/frauenerwerbsquote-in-deutschland-steigt-auf-72-prozent-a-877300.html). (5) Das Verhältnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit ist eigentlich komplizierter. Öffentlich sind in der bürgerlichen Gesellschaft die staatlichen Aufgaben, die Ökonomie liegt in privater Hand. Davon abgespalten sind die Familienaufgaben, die die Reproduktion der Arbeitskraft garantieren sollen und von der gesellschaftlichen Vermittlung ausgeschlossen bleiben, obwohl sie gesellschaftlich notwendig sind. Aus Sicht der Frau gehört deshalb sowohl der staatliche wie der ökonomische Bereich zur öffentlichen Sphäre. Vgl. von der Autorin: Das Bedürfnis nach Gleichheit, in: „Outside the Box“ 1 (2010). (6) »Allgemeine Bestimmungen über die Errichtung und Beaufsichtigung von Kleinkindbewahranstalten in Bayern« (1839), überarbeitet 1910 (7) www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/frauenerwerbsquote-in-deutschland-steigt-auf-72-prozent-a-877300.html (8) www.zeit.de/karriere/beruf/2009-11/elternzeit-vaeter-studie/seite-3 (9) www.familieundberuf.at/fileadmin/user_upload/Studien_und_Literatur/Gewinnen_mit_Familie.pdf (10) Peter Onneken/Simon Pützstück: Nach der Scheidung im freien Fall, »Monitor« vom 21.6.2012 (11) www.dgb.de/themen/++co++bc07bd9e-2f2c-11e2-a3ae-00188b4dc422 (12) Gabriela Herpell: Ein Paar offene Fragen. in: »SZ-Magazin« 6/2011 (13) Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Statistisches Taschenbuch 2011