Zum Urteil über die steuerliche Gleichbehandlung

Das splittet die Union

Die steuerliche Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften ist verfassungswidrig.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur steuerlichen Gleichbehandlung von Homo- und Heteroehepaaren hat große Selbstzufriedenheit mit den deutschen Verhältnissen ausgelöst. Das gutmütige Bürgertum klopft dem Rechtsstaat auf die Schulter. »Die Home-Ehe: In Frankreich fliegen Steine; in Deutschland fallen Urteile – aber nicht gegen, sondern für Homosexuelle«, lobt Heribert Prantl in der SZ. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, verkündet: »Es ist jetzt an der Zeit, dass das deutsche Steuerrecht so modern wird wie unsere Gesellschaft.« So modern ist die deutsche Gesellschaft: Zwei Drittel aller Schwulen werden wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, jeder Zehnte wird mindestens einmal im Leben Opfer homophober Straftaten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität Kiel. Homophobie gibt es in Deutschland genauso wie in Frankreich, sie zeigt sich nur anders.
Grüne und Sozialdemokraten haben die eingetragenen Lebenspartnerschaften für Schwule und Lesben 2001 als Quasi-Ehe mit Verzicht auf wichtige Rechte konzipiert. Sie fürchteten seinerzeit mit Recht, dass das BVerfG die echte Homo-Ehe, wie sie jetzt in Frankreich eingeführt wurde, verhindern würde. Das höchste Gericht wird nach politischen Gesichtspunkten besetzt. Wie die Richter entscheiden, hängt nicht nur von der Rechtslage, sondern auch von ihrer Einstellungen ab. Früher hat das Gericht gegen die Rechte von Schwulen und Lesben entschieden, etwa noch 2007, als es um die Hinterbliebenenversorgung eines Mannes im öffentlichen Dienst ging. Zwei Jahre später kassierte ein anderer Senat des Bundesverfassungsgerichts das Urteil. Um bei der Erbschaftssteuer oder der Familienzulage für Beamte die gleichen Rechte zu erhalten wie heterosexuelle Verheiratete, sind Paare erfolgreich durch die Instanzen gegangen. Das Urteil zur steuerlichen Gleichbehandlung gehört in diese Reihe. Die Bundesregierung will das Urteil zügig umsetzen, aber das volle Adoptionsrecht für Schwule und Lesben nicht mit verabschieden. Dabei ist absehbar, dass auch das auf dem Gerichtsweg durchgesetzt wird. Die Konservativen und Reaktionäre in der CDU und der CSU werfen keine Steine. Aber sie halten mit aller Kraft an Diskriminierung fest, bis Richter und Richterinnen es ihnen – vorhersehbar – untersagen. Sie kultivieren damit ein Klima der Ausgrenzung und oft genug der Angst. Und das tun sie sehr bewusst.
Selbstverständlich ist Homosexualität vielleicht in Großstädten wie Köln oder Berlin. Schwul- oder Lesbischsein in der Eifel oder im Bayerischen Wald ist es nicht, und nicht nur dort mitunter gefährlich. Schon deshalb gilt: Auch wenn es um so etwas geht wie das Ehegattensplitting, das generell abgeschafft gehört – jede Diskriminierung von Schwulen und Lesben, die aufhört, ist ein Fortschritt. Durch das Ehegattensplitting sparen Paare Steuern, wenn das Einkommensgefälle zwischen beiden hoch ist. Es ist ein Instrument zur Bewahrung der Hausfrauenehe, denn in der Regel profitieren Paare davon, bei denen der Mann viel und die Frau wenig oder gar nichts verdient. Es gibt keinen Grund, warum sich nur Heteros für dieses antiemanzipatorische Lebensmodell entscheiden können sollen.