NGOs in Ägypten verurteilt

Hetze und Gesetze

In Ägypten wurden Mitarbeiter ausländischer NGOs auf der Grundlage eines Gesetzes aus der Ära Mubaraks verurteilt. Die Muslimbrüder hatten die antiimperialistische Stimmung angeheizt.

Im nachrevolutionären Ägypten hat sich wenig geändert am Vorgehen gegen politische Widersacher. Gerade etwa wurde Ahmed Douma zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil er Präsident Mohammed Mursi im Fernsehen als Killer und Kriminellen bezeichnet hatte. So weit, so schlecht.
Eine neue Qualität hat allerdings das Urteil ­gegen 43 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus­ländischer Nichtregierungsorganisationen. Am Dienstag voriger Woche sah es ein Gericht als er­wiesen an, dass die Organisationen nicht registriert gewesen und somit illegal vom Ausland finanziert worden seien. Darunter sind die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung sowie weitere NGOs aus Europa und den USA. Die meisten der Angeklagten waren Ägypterinnen und Ägypter und wurden zu einem Jahr auf Bewährung und zur Zahlung von umgerechnet 109 Euro verurteilt. Den abwesenden ausländischen Angeklagten drohen fünf Jahre Haft, sollten sie wieder einreisen. Der US-Amerikaner Robert Becker, der im Land blieb, soll für zwei Jahre ins Gefängnis.
Das Urteil ist weit mehr als nur ein weiterer Schlag gegen Ägyptens Regierungskritiker. Ein solches Vorgehen gegen Europäer und Amerikaner. ist bislang nicht dagewesen. Bisher waren arabische Länder für Bürger westlicher Staaten sicher, ob sie nun als Journalisten oder Entwicklungshelfer arbeiteten. Selbst die erbärmlichsten Regime wie das Muammar al-Gaddafis in Libyen hielten sich an einen ungeschriebenen Kodex, nach dem man westliche Ausländer allenfalls ein paar Tage einsperrte. Wer sich nicht an Vorgaben hielt, wurde ausgewiesen. Darin unterschieden sich die arabischen Regime vom Iran. Wer dort zu kritisch agiert oder recherchiert, muss mit harten Strafen rechnen. 2011 kamen zwei Reporter der Zeitung Bild erst nach vier Monaten gegen Zahlung von 35 700 Euro wegen des Verstoßes gegen Visabestimmungen frei. Der Iran setzt solche Gefangenen als Faustpfand ein. Als Außenminister Guido Westerwelle die Freigelassenen damals in Empfang nahm, führte er in Teheran mehrere Re­gierungsgespräche.

So dreist war man in der arabischen Welt bislang nie. Das liegt auch an der Abhängigkeit von Entwicklungs- und Militärhilfe. Auf die ist Ägypten allerdings mehr denn je angewiesen. Daher ist das Urteil nicht im Sinne der Regierung. Man mag den Muslimbrüdern unterstellen, dass sie die Demokratisierungs-Workshops solcher NGOs gern verbieten würden. Auf die Militärhilfe aus den USA und die Windparks am Roten Meer, die Deutschland bezahlt, können sie aber nicht verzichten.
Die ägyptische Regierung hat den Prozess nicht initiiert. Die Ermittlungen hatte vor über einem Jahr die damalige, Mubarak treue Planungsministerin Fayza Abul Naga angestoßen. Die Richter dürften wie die meisten ihrer Zunft den Muslimbrüdern kritisch gegenüberstehen. Sie urteilten aufgrund des NGO-Gesetzes aus der Ära Mubaraks. Ein Änderungsentwurf liegt auf dem Tisch. Nur leider wurden Parlament und Unterhaus gerade wieder einmal aufgelöst. Auch hat die ägyptische Regierung nicht mit den Angeklagten gepokert. Die ausreisewilligen Ausländerinnen und Ausländer wurden nach Zahlung ihrer Kaution schon vor einem Jahr zum Flughafen eskortiert.

Mursi ist die Sache höchst unangenehm. Bei seinem Besuch in Berlin sagte er die Legalisierung der Konrad-Adenauer-Stiftung zu. Als Präsident könnte er die Verurteilten begnadigen. Allerdings zöge er damit den Zorn seiner Anhänger auf sich. Denn die Muslimbrüder haben die antiimperialistische Stimmung im Land angeheizt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der aus­ländischen NGOs hätten zu Brandstiftung aufgerufen, lautet ein verbreitetes Gerücht. Seit einem Jahr erleben ausländische Journalisten immer öfter, dass sie auf der Straße bedroht und als Spione beschimpft werden. Den Muslimbrüdern nützte das zunächst. Während sie ihre Wahlkampfhilfe aus den Golfstaaten erhielten, wagten säkulare Parteien nicht, Geld aus Europa anzunehmen. Beim Regieren ist das nun einer der vielen Steine, die sie sich selbst in den Weg legen.