Der Umgang des Westens mit dem Iran

Repressives Chaos

Mit dem iranischen Regime sind keine Verhandlungen möglich. Notwendig ist ein Dialog mit der Opposition.

Auch das Chaos hat seine Logik. Für die Islamische Republik Iran hat Ayatollah Khomeini diese gleich zu Anfang seiner Herrschaft ausgesprochen. Als Saddam Hussein 1980 den Iran angriff, verkündete der religiöse Führer sein Leitmotiv: Der Krieg sei ein »Geschenk des Himmels«. Dieser heilige Krieg sollte über die irakischen religiösen Stätten Najaf und Kerbala bis nach Jerusalem führen. Der Krieg war aber auch in anderer Hinsicht ein »Geschenk des Himmels«: Er verschaffte den Islamisten im Iran die Möglichkeit, ihre säkularen Gegner zu entmachten und zu verfolgen und die prekäre Macht des neuen Regimes zu sichern. Alle ernsthaften iranischen Oppositionellen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das Regime im Inneren am schwächsten ist und seine Kraftquellen sowie die Legitimation der Repression in seiner Mission außerhalb des Iran liegen, im globalen islamistischen Terror.

Bereits 1982 waren die irakischen Truppen von iranischem Boden vertrieben worden, der Krieg wurde jedoch sechs weitere Jahre fortgesetzt. Als Khomeini sich 1988 gezwungen sah, wegen der völligen Ausblutung des Iran einen Waffenstillstand mit dem Irak zu akzeptieren, sprach er davon, einen Giftbecher trinken zu müssen. Die Aussicht auf Frieden brachte das Regime am Rand des Abgrunds. Seine Anhänger, die ihre Kinder in die Minenfelder des Krieges geschickt hatten, waren tief enttäuscht, denn weder war Saddam gestürzt noch Israel vernichtet worden. Nur mit blankem Terror konnten sich die Islamisten daraufhin an der Macht halten. In einer Fatwa befahl Khomeini die Hinrichtung der politischen Gefangenen in den Gefängnissen der Islamischen Republik, die zum Teil kurz vor ihrer Entlassung standen. Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden umgebracht, und auch das Vorgehen gegen die Exilopposition wurde verschärft.
Ayatollah Montazeri, der designierte Nachfolger von Khomeini, protestierte in einem Brief an den religiösen Führer gegen das Massaker. Er wurde sofort entmachtet und unter Hausarrest gestellt. Die politische Eliminierung Montazeris war eine schmerzhafte Operation des Regimes an sich selbst. Nach Khomeinis Tod 1989 wurde gegen den Willen vieler Geistlicher Ali Khamenei als Nachfolger bestimmt, der i nicht einmal Ayatollah war.
Der Architekt von Khameneis Machtübernahme war Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, der von Anfang an als der zweitmächtigste Mann in der »Islamischen Republik« galt. Er glaubte, sich durch die Unterstützung eines vermeintlich schwachen Kandidaten dauernden Einfluss auf die Regierungsgeschäfte im Iran sichern zu können. Doch er unterschätzte Khamenei, der die Revolutionsgarden zum Staat im Staat der Mullahs machte und damit seine Macht sicherte.
25 Jahre nach dem Waffenstillstand mit dem Irak dachten selbst radikale Oppositionelle, dass auch Khamenei einen Giftbecher trinken müsse. Um die Sanktionen gegen den Iran abzuschwächen, müsse er den Antiamerikanismus als zentrales ideologisches Motiv des Regimes relativieren und Bereitschaft zu Verhandlungen mit den USA über das Atomprogramm signalisieren. Das Symbol dieser Wende hätte ein Präsident Rafsanjani sein können. Der millionenschwere Geschäftsmann wurde vom Westen bereits als Garant einer pragmatischen Einigung mit dem Regime bejubelt. Mit seinem Ausschluss von den sogenannten Wahlen am Freitag hat das Regime ein weiteres Mal bestätigt: Nur noch die radikalsten und brutalsten Elemente des Regimes können die »Islamische Republik« am Leben halten. Einen Platz für sogenannte Reformer gibt es schon lange nicht mehr.

Die westlichen Länder stehen scheinbar ratlos vor dieser Logik. Warum nimmt das Regime für den Erhalt seines ideologischen Images in Kauf, immer größere Teile seiner eigenen Klientel zu verlieren und gleichzeitig die iranische Ökonomie zu ruinieren? Um das Kalkül der Machthaber in Teheran zu verstehen, muss man sich an die Ereignisse vor vier Jahren erinnern. Barack Obama verkündete damals seine Politik der ausgestreckten Hand. Am 4. Juni 2009 hatte er in Kairo seine »Rede an die islamische Welt« gehalten. Nur eine Woche später brach im Iran der Aufstand gegen das Regime aus und Millionen Menschen gingen auf die Straße. Zuvor hatten die Mullahs den Anschein erweckt, es könne unter einem Präsidenten Mir Hussein Mousavi zu einer Entspannung kommen, um die Iraner an die Wahlurnen zu locken. Das hatte gereicht, um ihnen die schwerste Krise seit der Gründung des Gottesstaats zu bescheren.
Die US-Regierung und die anderen westlichen Länder schwiegen. Aus ihrer Perspektive war die neue US-Politik ein Dialogangebot an die als kulturell homogen wahrgenommenen Führer und Bevölkerungen im Nahen Osten. Dort wurde die neue Rhetorik jedoch ganz anders interpretiert, nämlich als Unterstützung gegen die Diktatoren.
Im Gegensatz zu den westlichen Vertretern des kulturellen Dialogs weiß das Regime, dass jedes Zugeständnis seinen Tod bedeuten würde. Nicht der taktische Kompromiss, sondern Krieg und Chaos bleiben sein Lebenselixier. Ironischerweise hat das Regime gerade im syrischen Bürgerkrieg, wo sein Schützling Bashar al-Assad bereits am Ende schien, ein neues »Geschenk des Himmels« gefunden. Selbst ein Dauerkrieg und die weitere Isolation des Iran und seiner Verbündeten in der arabischen Welt wären in den Augen der Mullahs besser als eine Friedenslösung. Nur im Schatten der Barbarei in Syrien konnte es Khamenei wagen, Rafsanjani von den Wahlen auszuschließen.
Mit diesem Regime wird es niemals ernsthafte Verhandlungen geben. Wer den Dialog will, muss ihn mit der säkularen Opposition suchen.