Neonazis in Griechenland immer beliebter

Bereit zum Regieren

Die neonazistische griechische Partei Chrysi Avgi legt in Umfragen zu. Die konservative Regierungspartei Nea Demokratia und Chrysi Avgi nähern sich immer mehr an. Für den August plant sie ein Festival – am 77. Jahrestag der Errichtung der Diktatur von Ioannis Metaxas.

Die einzige Partei im griechischen Parlament, die derzeit in Umfragen große Stimmengewinne verzeichnet, ist die neonazistische Chrysi Avgi. Neuen Erhebungen zufolge könnte sie derzeit ihre Stimmen im Vergleich zu den vorigen Wahlen fast verdoppeln, nämlich auf mehr als 13 Prozent. Immer wieder wird in Griechenland über eine mögliche Kooperation der Partei mit den Konservativen von Nea Demokratia spekuliert, sollte die Koalitionsregierung auseinanderbrechen und es zu Neuwahlen kommen. In der vergangenen Woche hat nun die Demokratische Linke (Dimar) wegen des fortwährenden Streits über die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT die Regierungskoalition verlassen. Griechischen Medienberichten zufolge sagte Panagiotis Baltakos, der Generalsekretär des Kabinetts und ein enger Mitarbeiter des Ministerpräsidenten, vor kurzem in einem Gespräch mit Journalisten, es sei nicht unwahrscheinlich, dass Nea Demokratia nach den nächsten Wahlen in Kooperation mit Chrysi Avgi eine Regierung bilden werde.

«Wir dürfen den Faschisten keinen Platz lassen«, sagt Tania Vrizaki vom Koordinationsteam der Organisation Keerfa (»Gemeinsam gegen Rassismus und faschistische Bedrohung«). Sie bereitet gerade eine Veranstaltung in Athen vor, um die Bürger über die neuesten Entwicklungen in den Erdbeerplantagen von Manolada auf dem Peloponnes zu informieren. Zwei Monate nach den blutigen Angriffen auf Saisonarbeiter haben es die Migranten dort geschafft, eine Gewerkschaft zu bilden, um in Zukunft organisiert für ihre Rechte zu kämpfen. Dies ist ein wichtiger Sieg auch für die antirassistische Bewegung Griechenlands, die sehr schnell reagierte, nachdem jemand mit einem Jagdgewehr auf Saisonarbeiter aus Bangladesch geschossen hatte, weil diese ihre ausstehenden Löhne eingefordert hatten. In den vergangenen zwölf Monaten starben in Griechenland nach offiziellen Angaben drei Menschen bei rassistischen Angriffen, mehr als 150 wurden verletzt.
Lehrer und Erzieher in Kindergärten sammeln mittlerweile Unterschriften für die Forderung »Chrysi Avgi raus aus der Bildung«. Die Initiative wurde ergriffen, nachdem in einem Kindergarten in Thessaloniki Eltern, die offenbar Mitglieder von Chrysi Avgi sind, eine Frau bedroht hatten, weil deren Kind einer anderen Religion angehört als ihre Kinder. Immer wieder werden in Athen und anderen Städten Demonstrationen gegen die neonazistische Partei organisiert. Am Wochenende findet in Athen ein antirassistisches Festival statt.
Eine große Herausforderung steht der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung jedoch noch bevor, diesmal wieder auf dem Peloponnes. Chrysi Avgi plant, Anfang August in der südlich gelegenen Hafenstadt Kalamata ein panhellenisches Festival zu veranstalten – am 77. Jahrestag der Errichtung der Diktatur von Ioannis Metaxas. Die Genehmigung hat die Partei bereits von der zuständigen Behörde bekommen.
Heftige Reaktionen gab es bislang aus dem Stadtrat und von Tänzern, die jährlich am Internationalen Tanzfestival in Kalamata teilnehmen. Die Künstler fragten in einem Schrei­ben an die Behörden, wie es möglich sei, dass gleichzeitig mit dem Internationalen Tanzfestival, das die Kultur fördere, Veranstaltungen stattfänden, die die Kultur zerstörten. Der Bürgermeister von Kalamata, Panagiotis Nikas, hat bislang nicht deutlich zu dem Festival Stellung bezogen. Er betonte nur, dass man Veranstaltungen vermeiden müsse, die Spannungen verursachen könnten. Antifaschisten haben derweil zu Protesten aufgerufen.
«Wie werden das Festival am 3. und 4. August durchführen und wir werden sie alle verbrennen, wenn jemand es wagt, sich gegen uns zu stellen«, wütete Dimitris Koukoutsis, ein Abgeordneter von Chrysi Avgi, auf einer Veranstaltung seiner Partei. »Wenn es in Griechenland keine Junta gegeben hätte, dann hätten wir nicht einmal Toiletten in den Dörfern«, fügte er noch hinzu und behauptete, dass mehrere Abgeordnete der konservativen Nea Demokratia die Nähe zu seiner Partei suchten. Derzeit verhält es sich jedoch umgekehrt: Chrysi Avgi war die einzige Partei, die die Entscheidung des Ministerpräsidenten Antonis Samaras unterstützte, die öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt ERT am 11. Juni zu schließen. Samaras hatte diese Entscheidung mit einem Regierungserlass und ohne die Zustimmung seiner beiden Koalitionspartner getroffen, der Parteien Panhellenische Sozialistische Bewegung und Dimar. Die neonazistische Partei plant, demnächst ihren eigenen Internet-TV-Sender zu eröffnen. Dort soll der Pressesprecher der Partei, Ilias Kasidiaris, zweimal wöchentlich auf Sendung gehen und über die Politik der Partei sowie historische Themen sprechen. Ein erster Versuch in der vergangenen Woche, die Sendung im Internet zu verbreiten, wurde von Youtube unterbunden. Das Video der Sendung wurde gelöscht. Zudem haben die Neonazis vergangenen Freitag auch erstmals eine neue Zeitung mit dem Namen Embros herausgegeben.
Auch auf andere Weise will sich Chrysi Avgi Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen. In der Debatte um ein Gesetz, das den Aufruf zu rassistischer Gewalt schärfer zu bestrafen helfen soll, legten die Neonazis ihren eigenen Gesetzesvorschlag vor. Dieser zielt darauf, den vermeintlichen Rassismus, unter dem die Griechen zu leiden hätten, zu bekämpfen und Migranten härter zu bestrafen. Kasidiaris leugnete zudem kürzlich im Parlament den Holocaust. Auch als in der vorigen Woche ein aus dem Gefängnis von Trikala Entflohener einen Polizisten umgebracht hatte, machte die Partei auf sich aufmerksam. »Es ist notwendig, die Todesstrafe wieder einzuführen. Nur dann wird sich die Gesellschaft von ähnlich abscheulichen Verbrechen befreien«, hieß es in einer Pressemeldung. Für die Wiedereinführung der Todesstrafe in Griechenland, die offiziell im Jahr 1993 abgeschafft worden ist, setzte sich auch ein Abgeordneter von Nea Demokratia ein.
Nach der jüngsten Regierungskrise, die durch die Schließung von ERT verursacht wurde, verlangen die Neonazis Neuwahlen in der Hoffnung, dass ihre neusten Umfragewerte auch tatsächlich in Wahlen Bestand hätten. »Der rasante Aufstieg von Chrysi Avgi – gegenüber den korrupten Parteien des Systems, die zusammenbrechen – ist die einzige Hoffnung für die nationale und soziale Wiederbelebung«, verkündet die Partei. Die Propagandamaschinerie scheint gute Arbeit zu leisten: Immerhin elf Prozent der griechischen Bevölkerung sprechen nach einer Umfrage des Instituts VPRC dem Faschismus positive Aspekte zu.