Die Hetze gegen Flüchtlinge im Wahlkampf

Der Volkszorn wählt mit

Im Wahlkampf setzt der Bundesinnenminister auf die Hetze gegen Flüchtlinge. Das entspricht der Stimmung in manchen Ecken der Republik.

»Wir helfen, wo es geht«, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) während eines Besuchs im überschwemmten Deggendorf im Frühsommer. Menschen, die vor Krieg, Armut, Vergewaltigung und mörderischer Verfolgung fliehen mussten, sind bei ihm und vielen Politikern weniger wohlgelitten – zumindest diejenigen, die es bis nach Deutschland geschafft haben. Während Friedrich den Deutschen Mut zuspricht, denen die Flut die Lagerware oder das Wohnzimmer ruiniert hat, spendet er Asylsuchenden aus dem Iran, aus Afghanistan, Russland, Serbien und Somalia keine warmen Worte – im Gegenteil.
»Alarmierend«, »schamlos ausnutzen«, »missbräuchlich« – diese Worte dominieren derzeit Friedrichs Äußerungen. Er suggeriert, der jüngste Anstieg der Flüchtlingszahlen gehe auf »asylfremde Motive« zurück, und verliert kein Wort über die katastrophale Lage in den Herkunftsländern. Einschlägiges Vokabular, etwa die Rede von den »Grenzen der Belastbarkeit«, ist auch vom Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), zu hören.
Weltweit ist die Zahl der Flüchtlinge im vorigen Jahr auf über 45 Millionen gestiegen. So viele hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen seit 1994 nicht mehr gezählt. Grund für den Anstieg sind Kriege wie in Syrien. Etwa zwei Millionen Menschen sind von dort ins Ausland geflohen, davon fast 700 000 in den kleinen Libanon, 560 000 nach Jordanien und ungefähr 200 000 in die Türkei. Lediglich 4 000 sind im ersten Halbjahr im reichen Deutschland angekommen.
Im vergangenen Jahr haben 65 000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Dies bedeutet einen Anstieg um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Unterbringung von Asylsuchenden ist wieder zum Thema geworden – in der Politik, in den Medien und auf der Straße. Hintergrund ist das Versäumnis vieler Kommunen, rechtzeitig für eine ausreichende Zahl an Unterkünften zu sorgen. Schon seit 2008 steigt die Zahl der Asylanträge. Das Thema ist aber nicht nur wegen der Zahlen und der Proteste von Flüchtlingen in den Schlagzeilen. Es ist Wahlkampf und daher steht zu befürchten, dass Politiker die in der deutschen Bevölkerung verbreiteten Ressentiments gegen Asylsuchende bis zum Wahltag weiter schüren werden. Die Kommunen ihrerseits sind versucht, mit Zeltlagern, Containern oder anderen desolaten Unterkünften eine Überfüllung inszenieren.
Die Äußerungen von Friedrich und anderen sind die politische Legitimation für den rassistischen Volkszorn, der sich gegen Flüchtlingsunterkünfte wie etwa in Berlin-Hellersdorf oder Bremen-Vegesack richtet – ein Zusammenspiel, das seit den Pogromen in den neunziger Jahren hinlänglich bekannt ist und über das wohlfeile Plakate und Kampagnen der Bundesregierung mit Aufrufen zur »Toleranz« nicht hinwegtäuschen können. Etwas, was von der Bundesregierung nicht zu erwarten ist, wäre nötig: gleiche Rechte für Flüchtlinge. Die Sondergesetze, gegen die sich die jüngsten Flüchtlingsproteste richten, besonders das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot, verletzen die Menschenwürde. Diese Gesetze grenzen Menschen aus und fördern deren Diskriminierung. Das begünstigt Rassismus und rechte Gewalt.