Das neue Album der Band Die Heiterkeit

Neues vom Schlepp-Pop

Mit »Monterey« erscheint das zweite Album der polarisierenden Band Die Heiterkeit.

Zwei Jahre ist es her, dass Die Heiterkeit mit ihrem Debütalbum »Herz aus Gold« für Aufsehen in den Feuilletons und aufgebrachte Diskussionen in den Kommentarspalten sorgte. »Klug, emanzipiert, einzigartig«, riefen die Fans – »prätentiös und laienhaft«, protestierten die Zweifler. Um Musik ging es nur noch am Rande. Vielmehr irritierte das Image der Musikerinnen, die sich sorgsam als unnahbar inszenierten und es offensichtlich unnötig fanden, der vom typischen Rockmusikfan eingeforderten Authentizität Rechnung zu tragen.

Die Heiterkeit sorgte vor allem durch ihre Haltung für Gesprächsstoff. Die Band interessierte sich nicht für die alten Mythen von hart erarbeitetem Erfolg und DIY, sie war besser angezogen als alle anderen und sie würde sich niemals übertrieben offenherzig geben. Nun sind diese Eigenschaften Kennzeichen des gängigen Popstars, der das Widersprüchliche, Zitathafte seiner Erscheinung feiert, dem Image und Inhalt grundsätzlich gleich wichtig sind. Erschwerend kam bei Die Heiterkeit allerdings hinzu, dass es sich um drei junge Frauen handelte, die weder verletzlich oder trotzig wirkten – noch wollten sie offensichtlich ihr Geschlecht übermäßig thematisiert wissen.

»Wir haben nicht gedacht, dass das Album so polarisieren würde. Und dass man Leute so einfach provozieren kann«, sagt Stella Sommer, die Sängerin und Gitarristin der Band, rückblickend. In der Tat war es vor allem die zur Schau gestellte Unbekümmertheit, die, als Arroganz interpretiert, zu Ablehnung führte. Dass Die Heiterkeit sich selbstbewusst statt demütig gab und sich in ihrem Pressetext mit kultisch verehrten Größen des Indierock wie Pavement und Sonic Youth verglich, schien einen empfindlichen Punkt zu treffen. Der schlicht strukturierte, sich mitunter träge dahinschleppende Pop auf »Herz aus Gold« entsprach nämlich keineswegs einer Rockästhetik zwischen Bodenständigkeit und Kontrollverlust.

Schnell wurde behauptet, die Band sei dilettantisch. Dabei wäre ihnen dieser Vorwurf leicht erspart geblieben, wenn sie nur mehr über weibliche Selbstermächtigung und die Ästhetik des Imperfekten erzählt hätten. Die Band verzichtete darauf und beobachtet das Gerede aus gelassener Distanz. »Ich verstehe nicht, wie man Jahrzehnte nach Punk jemandem ernsthaft vorwerfen kann, nur drei Akkorde zu benutzen. Jeder Popsong besteht aus drei oder vier Akkorden. Das kann ich nicht ernst nehmen«, sagt Sommer. »Ich glaube aber, dass man bei der ersten Platte sowieso viel mehr durchmachen muss als bei der zweiten. Jetzt wird es hoffentlich einigermaßen gehen.«

»Monterey«, das zweite Album von Die Heiterkeit, wurde in veränderter Besetzung aufgenommen. Seit einem Jahr ist Anna-Leena Lutz, die auch Mitglied der Berliner Band Half Girl ist, für den reduzierten Schlagzeug-Sound verantwortlich. Keine leichte Aufgabe, wie sie selbst sagt: »Es war schon eine Herausforderung, da es die Songs ja schon gab und ich bei Half Girl viel schneller spiele.« In eine bereits recht bekannte Band einzusteigen, sei so reizvoll wie Angst einflößend gewesen.

Von Zurückhaltung ist auf »Monterey« allerdings nichts zu hören. Ganz im Gegenteil wird von den ersten Tönen des übertrieben pompösen Intros an klargestellt, dass die Band ihren selbstbewussten Gestus unerschrocken beibehält. Wer mit »Herz aus Gold« nichts anfangen konnte, wird auch jetzt Schwierigkeiten mit dem Signature-Sound der Band haben, der im Wesentlichen von Sommers Gesang geprägt wird. Im Vergleich zu »Herz aus Gold« klingt ihre Stimme auf »Monterey« noch tiefer, noch sonorer und ähnelt noch mehr der entrückten Schönheit von Nicos Gesang bei The Velvet Underground. »Das war eine natürliche Entwicklung, keine bewusste Entscheidung«, sagt Sommer und setzt etwas kokett hinzu: »Man wird eben auch älter.«

»Monterey« ist musikalisch zwar ebenso fest im Indierock der neunziger Jahre verwurzelt wie das Debütalbum und kommt weitestgehend ohne Brüche und Experimente aus – wobei die Trockenheit des ersten Albums weiter verfeinert wurde. »Wir hatten fünf Tage Zeit, um die Basic Tracks einzuspielen und haben an zwei weiteren Tagen im Studio abgehangen und geschaut, was man noch machen kann«, berichtet Sommer über den Aufnahmeprozess.

Als Produzent wurde diesmal der für seine Zusammenarbeit mit Tocotronic, Kante und Ja, Panik bekannte Moses Schneider ausgewählt. Das Ergebnis hat mit den im Pressetext genannten Referenzen – unter anderem Joy Division und The Cure – erneut wenig zu tun. Aber das Album klingt, nicht zuletzt wegen der unaufdringlich eingestreuten Synthesizer- und Piano-Sounds, luftiger und abwechslungsreicher als sein Vorgänger. Um die musikalischen Neuerungen live umzusetzen, wird Die Heiterkeit bei Konzerten zu einem Quartett anwachsen. Auch dafür ist der Grund überraschend unspektakulär: »Wir hatten erst überlegt, ob wir live mit Samples arbeiten sollten. Aber es ist anstrengend, auf Technik angewiesen zu sein«, erklärt Bassistin Rabea Erradi. Und überhaupt: »Zu dritt auf Tour zu sein ist trist.«

Thematisch richtet »Monterey« den Blick in die Ferne. Sehnsucht, Ziellosigkeit, Melancholie und immer wieder dieses Vage, Unentschlossene prägen jeden Text auf »Monterey«. Die Blumigkeit der Sprache wird dadurch gebrochen, dass Sommer immer wieder auf die Künstlichkeit ihrer Texte hinweist. »Factory«, der erste Song des Albums, hat die künstlerische Reproduktion von bereits Dagewesenem zum Thema und macht den ironischen Abstand deutlich, den Die Heiterkeit durchgehend verfolgt und der die Texte zugleich romantisch, abgeklärt und gelegentlich auf subtile Weise humorig erscheinen lässt. »Zurück in unserer Factory / Jetzt haben wir uns wieder / Es wird ernst / Ab jetzt gilt es, wir bringen neue Lieder.« Und später: »Oh Kapitän, wer hat bloß dein Schiff gesehen / Es gibt Tausende Lieder über dich« – pointierter lässt sich die Ambivalenz zwischen rührseligen Bildern und ihrer Abgenutztheit kaum ausdrücken.

Gerade weil »Monterey« die verträumte Sehnsucht als Zitat und Nostalgie zur Schau stellt, gelingt dem Album inhaltlich die Verortung in der Gegenwart. Man kann sich deshalb durchaus auf diese Komödie einlassen: Erinnert die Strophe von »Auge« noch entfernt an Juliane Werdings Frühwerk, räumt spätestens der Refrain alle Zweifel daran aus, dass Die Heiterkeit vor allem eines kann: gute Popsongs schreiben. Das letzte Lied auf »Monterey« ist zugleich das schönste. »Pauken und Trompeten« ist der geradezu euphorische Song benannt, in dem ­es heißt: »Die Heiterkeit ist hier gewesen / Du liebst mich immer noch wie am ersten Tag/Und wenn ich will, lässt es nie mehr nach.« Wunderbare Aussichten.

 

Die Heiterkeit: Monterey (Staatsakt/Rough Trade)