Die Präsidentschaftswahl in Indonesien

Ein Sieger zuviel

Nach den indonesischen Präsidentschaftswahlen erklären sich beide Kandidaten zum Sieger. Die Auszählung läuft noch.

Am 9. Juli beteiligten sich über 80 Prozent der Wahlberechtigten in Indonesien an der Direktwahl des Präsidenten, nicht zuletzt, weil es für die Zukunft des Landes von herausragender Bedeutung sein wird, ob der moderate Kandidat Joko Widodo (genannt Jokowi) oder der antidemokratische ehemalige General Prabowo Subianto Präsident wird (Jungle World 27/2014). Jokowi, ein erfolgreicher Geschäftsmann und zuletzt Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, der immer wieder durch sein unkonventionelles Vorgehen gegen Korruption und Ämtermissbrauch auffiel, steht für die Fortsetzung des seit 1998 begonnenen, aber zuletzt unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono eingeschlafenen Reformprozesses. Sollte hingegen Prabowo gewinnen, gibt es ernste Befürchtungen, dass dieser wieder autokratischer regieren wird, wie einst Prabowos ehemaliger Schwiegervater Präsident Suharto. Bereits im Wahlkampf hatte Prabowo angekündigt, direkte Wahlen einschränken zu wollen. In seinen Augen sind sie ein Produkt des Westens und passen nicht zu Indonesiens konsensorientierten Meinungsfindungsprozessen.

Die Wahl verlief sehr knapp. Bereits wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale verkündeten beide Kandidaten jeweils ihren Sieg. Diversen quick counts und Hochrechnungen zufolge liegen Jokowi und sein Mitstreiter Jusuf Kalla mit knapp 52 Prozent der Stimmen vor Prabowo und Hatta Rajasa. Quick counts sind keine Meinungsumfragen, sondern beruhen auf landesweiten Stichproben und bieten daher relativ verlässliche Prognosen. Insgesamt gibt es in Indonesien über 480 000 Wahllokale. Quick count-Agenturen können aber die Ergebnisse absichtlich verzerren, indem sie beispielsweise mehr Stichproben von Orten einbeziehen, in denen einer der beiden Kandidaten dominiert. So unterstützt der westliche Teil von Java, Indonesiens bevölkerungsreichster Insel, überwiegend Prabowo, in Zentral- und Ostjava finden sich hingegen eher Anhänger Jokowis. Die Mehrheit der Indonesierinnen und Indonesier im Ausland, mit Ausnahme der Länder Myanmar, Kuwait und Bahrain, hat sich den vorläufigen Stimmenauszählungen zufolge für Jokowi entschieden.
Da Prabowo mit den quick counts unzufrieden war, zweifelte er wie bereits 2009, als er als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten gescheitert war, die Gültigkeit der vorläufigen Ergebnisse öffentlich an. Außerdem konterte er in den Tagen nach der Wahl mit sogenannten real counts, die ihm seinen Angaben zufolge einen knappen Sieg bescheinigen. Auch der Fernsehsender TV One behauptete anfangs, dass Prabowo gewonnen habe und stiftete damit reichlich Verwirrung. TV One gehört dem Politiker und Geschäftsmann Aburizal Bakrie, einem der treuesten Unterstützer Prabowos. Wochen vor der Wahl hatte der Sender unverhohlen die Schmierenkampagnen Prabowos gegen Jokowi unterstützt.

Sah es vor wenigen Monaten noch so aus, als würde Jokowi die Wahl mit Leichtigkeit gewinnen, hatte sein Widersacher Prabowo, ein ehemaliger General, der für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, dank finanzieller Unterstützung durch seinen Bruder Hashim Djojohadikusumo, einen der reichsten Geschäftsmänner des Landes, aufgeholt. Unterstützung bei seinen Schmierenkampagnen gegen Jokowi erhielt Prabowo von US-amerikanischen politischen Beratern, allen voran Rob Allyn. Dem indonesischen Magazin Tempo zufolge hatte Allyn als Kampagnenstratege bereits einige Präsidentschaftskandidaten beraten, zum Beispiel Vicente Fox in Mexiko. Obwohl das mexikanische Recht keine Einmischung von Ausländern in Wahlangelegenheiten duldet, reiste Allyn unter verschiedenen Pseudonymen ein und beriet Fox im Wahlkampf bezüglich Wahlansprachen sowie Meinungsumfragen und sogar Garderobe. Allyn hat viele einflussreiche Kunden, neben Coca-Cola beriet er unter anderem Perry Christie, den Premierminister der Bahamas, Dumarsais Siméus, einen texanischen Ölunternehmer, der 2006 Ambitionen auf das Präsidentenamt in Haiti hegte, und George W. Bush, als dieser 1994 Gouverneur von Texas wurde. Während des indonesischen Präsidentschaftswahlkampfs wurde der Favorit Jokowi immer wieder als Kommunist, Ausländer oder Christ diffamiert.

Endgültige Ergebnisse sind nicht vor dem 22. Juli zu erwarten, wenn Indonesiens offizielle Wahlkommission alle Stimmen ausgezählt hat. Bis dahin droht es wegen der anhaltenden Unklarheit zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen den Anhängern der beiden Lager kommt. Derzeit muss die Polizei einige Büros von Quick count-Agenturen, wie »Indikator Politik« in Jakarta, vor wütenden Anhängern Prabowos schützen.
Internationale Wahlbeobachter befürchten, dass es während der Auszählung der Stimmen zu Wahlbetrug kommt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Prabowo vor das Verfassungsgericht zieht, um die Wahlergebnisse anzufechten. Obwohl der Abstand zwischen beiden Kandidaten nur einige Prozentpunkte beträgt, repräsentieren diese um die fünf Millionen Stimmen. Die kommenden Wochen werden daher zu einem Test für die Demokratie in Indonesien. Sollte Prabowo doch noch der nächste Präsident werden, wäre das eine schwere Niederlage für Indonesiens Demokratie. Der Gewinner der dritten direkten Präsidentenwahl in Indonesien nach dem Fall der autoritären »Neuen Ordnung« unter Suharto vor 16 Jahren soll am 22. Oktober seinen Amtseid ablegen.