Die Novelle des Prostitutionsgesetzes

Anschaffen unter Schutz und Schirm

Die Bundesregierung hat sich auf den Inhalt der geplanten Novelle des Prostitutionsgesetzes geeinigt. Prostituierten steht mehr Zwang und Kontrolle bevor.

In ihrem nimmermüden Kampf gegen Ausbeutung und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen können CDU und CSU Vollzug melden. »Für die Menschenhändler und Ausbeuter (…) war gestern ein schlechter Tag«, verlautbarte der frauenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg, in der vergangenen Woche. Es soll einer ganz besonders üblen Branche an den Kragen gehen: dem Prostitutionsgewerbe. SPD und CDU/CSU haben sich auf den Inhalt der für März geplanten Novelle des Prostitutionsgesetzes geeinigt, mit der Prostituierte unter »Schutz und Schirm« der Regierung gestellt werden sollen, wie Weinberg beinahe lyrisch sagte.
Neben der Erlaubnispflicht für Bordelle ist ein Kernpunkt eine alle zwei Jahre von jeder Prostituierten vorzunehmende Anmeldung bei der »zuständigen Behörde«, wie es nebulös heißt, verbunden mit einer jährlichen Pflichtberatung beim Gesundheitsamt oder bei einem Arzt. Damit sollen Prostituierten »Kontakte außerhalb des Prostitutionsmilieus« ermöglicht werden, heißt es in einer Presseerklärung der Frauenunion. Nicht nur, dass insbesondere große Bordelle bereits über Mediziner verfügen, die ähnlich wie ein Betriebsarzt die dort arbeitenden Frauen regelmäßig untersuchen, lässt an der Effizienz der Maßnahme zweifeln. Auch professionelle Beratungsstellen gibt es längst, aber auf freiwilliger und anonymer Basis. Offenbar sieht man sich in der Bundesregierung nicht in der Lage, Informationen zu bestehenden Angeboten anders als durch Zwang zu verbreiten, oder misstraut dem Willen der Prostituierten zum Ausstieg, so dass man von oben ein wenig nachhilft.

Dazu könnte auch das mit der Registrierung verbundene »Nachweisdokument« beitragen, das Prostituierte künftig Behörden, Bordellbetreibern und womöglich auch Freiern vorlegen sollen (Jungle World 37/14). So kündigt Nadine Schön, die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, an: »Im Prostitutionsgewerbe wird es keine Anonymität mehr geben.« Das klingt wie eine Drohung, denn Anonymität ist für Prostituierte das wichtigste Mittel gegen Stigmatisierung und ihr Schutz vor zudringlichen Freiern.
Was in der beschlossenen Gesundheitsberatung genau stattfinden soll und wer die Ärzte und Behördenmitarbeiter entsprechend fortbildet, beantwortet die Koalition bislang nicht. Mit dem Hinweis, man solle Kondome benutzen beziehungsweise man müsse – schließlich ist für die Zukunft eine »Kondompflicht« vorgesehen –, ist es jedenfalls nicht getan. Dass Kondome schützen, dürfte selbst der ungebildetsten Prostituierten bekannt sein. Die Fragen sind eher: Wie kann ich Kunden halten, auch wenn ich auf Kondome bestehe? Wie kann ich ein Kondom gegebenenfalls möglichst unauffällig anwenden? Zur Beantwortung sind aber Ansprechpartner innerhalb des Milieus, nämlich erfahrene Kolleginnen, besser geeignet als Ärzte.
Zumal es tatsächlich grundlegende Probleme gibt, auch für die Migrantinnen, um deren Schutz es der Regierung angeblich geht: Wie komme ich an eine Krankenversicherung? Wie finde ich eine bezahlbare Wohnung? Und sicher auch: Wie finde ich einen anderen Job, der anständig bezahlt ist und der es mir ermöglicht, für meine Kinder da zu sein?

Denn die Prostitution ist nicht nur eine niedrigschwellig erreichbare – und daher oft die einzige – Einnahmequelle für osteuropäische Migrantinnen, sondern auch eine Lösung angesichts der Doppelbelastung vieler Frauen mit Arbeit und Kindererziehung, sowie flexibler Zuverdienst bei nicht ausreichendem Einkommen im »normalen« Beruf. Diese grundlegenden Fragen wird aber ein »Prostituiertenschutzgesetz« nicht beantworten, vor allem dann nicht, wenn es erneut nur auf repressive Maßnahmen setzt. Dass die maßgeblich Beteiligten in der gesamten Gesetzesdiskussion ausschließlich von weiblichen, nicht aber von männlichen oder transsexuellen Prostituierten sprechen, deren Situation mitnichten besser sein dürfte, zeigt deutlich, wie populistisch die Debatte funktioniert.