Der rassistische Mob in Freital

Sächsische Gesprächskultur

Seit Monaten protestiert im sächsischen Freital ein rassistischer Mob gegen die Unterbringung von Asylbewerbern. Am Montag kam es bei einer Bürgerversammlung zum Thema Asyl zu heftigen Auseinandersetzungen.

»Unser Oschatz bleibt unser Oschatz. Das haben wir aufgebaut. Wir Oschatzer. Das ist unser Oschatz«, heißt es im Lied »Gut sortiert« der Künstlerin Anna Mateur, das bereits 2010 erschien. Oschatz lässt sich dabei beliebig ersetzen, durch Lommatzsch, Chemnitz, Pirna, Dresden oder aber auch Freital. Seit März tobt in dem Dresdner Vorort mit rund 39 000 Einwohnern eine Mischung aus Neonazis, rechten Hooligans und rassistischen Bürgern, die sich gegen die Unterbringung weniger Hundert Asylsuchender richtet. Demonstrationen fanden statt, eine Bürgerwehr wurde gegründet und es kommt regelmäßig zu aggressiven Zusammenrottungen direkt vor der Unterkunft (Jungle World 24/2015). Getrennt durch eine Polizeikette standen sich in den vergangenen Wochen immer wieder Rassisten und Pro-Asyl-Demonstranten gegenüber. Neben den üblichen rassistischen Sprechchören und dem Ausbruch eines ungezügelten Hasses auf Linke gab es auch »Ami go home«-Rufe. In der Weltsicht des rassistischen Mobs führen die USA weltweit Kriege, um durch steigende Flüchtlingszahlen Europa und insbesondere Deutschland in den Ruin zu treiben. Verschwörungstheorien sind in den Reihen der Freitaler Asylfeinde ohnehin weit verbreitet: Nachdem auf den Fotos der Solidaritätskundgebungen vor dem Flüchtlingsheim auch immer wieder einige der knapp 40 dort untergebrachten Kinder zu sehen waren, hieß es auf der Facebook-Seite von »Freital wehrt sich – Nein zum Heim«, dass dies Fotomontagen seien, um Publicity gegen die Aslygegner zu machen. Ein Brandanschlag, der Ende Juni auf eine noch unbewohnte Asylbewerberunterkunft im nur 30 Kilometer entfernten Meißen verübt wurde, zeigt, welche Gefahr vom rassistischen Mob ausgeht. Am Vorabend des Anschlags hatte ein Treffen der »Initiative Heimatschutz« in Meißen stattgefunden. Und auch in Freital reißt die seit Monaten anhaltende Serie rechter Gewalt nicht ab. In den vergangenen Wochen griffen Neonazis immer wieder Menschen an. Trotz alledem war der kommunale Beirat Asyl der Stadt Freital in der vorigen Woche darum bemüht, die Anmelder der rassistischen Kundgebungen und Demonstrationen zu Gesprächen einzuladen. »Wenn die Antifa nicht mehr vor dem Heim steht, dann hören wir auf«, hieß es nach der Gesprächsrunde resultierend mit dem Ersten Bürgermeister der Stadt aus den Kreisen von »Freital wehrt sich – Nein zum Heim«. In einer gemeinsamen Erklärung des Oberbürgermeisters mit den Fraktionen der CDU, der Bürger für Freital, der SPD, der Grünen und der AfD wurden die Demonstranten dazu aufgefordert, friedlich zu bleiben: »Freital darf kein Wirkungsort für Extremisten, gewaltbereite Demonstranten und aggressive Auseinandersetzungen werden«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der Stadtratsfraktionen mit den Rechtspopulisten. Und so war es nur eine Frage der Zeit, wann sich auch die sächsische Landeszentrale für politische Bildung in Freital einschaltet, um den Dialog mit sogenannten »besorgten Bürgern« zu führen. Am Montag gab es die in diesem Jahr dritte Bürgerversammlung zum Thema Asyl im Ort. Bereits zu Beginn des Jahres hatte die erste Einwohnerversammlung stattgefunden. Vor zwei Wochen war Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Freital, um auf einer zweiten Versammlung zum Thema Asyl zu sprechen. Im Publikum waren neben den Mitgliedern von »Freital wehrt sich – Nein zum Heim« auch Lutz Bachmann und Tatjana Festerling. Um Störungen zu vermeiden, waren zur dritten Veranstaltung nur Einwohner Freitals zugelassen. Justus Ulbricht, Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung, sagte der Nachrichtenagentur DPA vor der Veranstaltung: »Es gibt ja inzwischen einen überregionalen Anti-Asyl-Zirkus genau wie einen Pro-Asyl-Zirkus.« Bereits kurz vor der Abendveranstaltung gab es erste Unruhe. Die rund 300 Plätze im Stadtkulturhaus reichten nicht aus, um den Andrang zu bewältigen. Ein Teil der Interessenten musste unverrichteter Dinge umkehren und machte seinem Unmut lautstark Luft. Drinnen ging es tobend weiter. Unter den Anwesenden waren Vertreter der örtlichen NPD, der Organisationskreis von »Freital wehrt sich – Nein zum Heim« und die Vertreter der AfD. Ein Vortrag des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) wurde mehrfach von Buh- und Zwischenrufen unterbrochen. In der anschließenden Fragerunde trat der Rassismus der Freitaler Bevölkerung offen zutage. Von kriminellen Ausländern, von einer »Asylantenschwemme« war die Rede, von Dreck, Müll und Lärm, den »Asylanten« angeblich verursachten. Es wurde gebrüllt, was man denn noch alles aushalten müsse und dass »die Buschhocker endlich abgeschoben werden« sollen. Einer Vertreterin des Freitaler Willkommensbündnisses, die davon sprach, dass man die Menschenrechte notfalls auch demonstrierend vor dem Heim verteidigen werde, wurde von Anwesenden das Mikrophon zugehalten. »Halt die Fresse« und »Verpiss dich aus Freital« wurde ihr aus dem Saal entgegengebrüllt. Ihr Beitrag ging in tumultartigem Lärm unter. Innenminister Ulbig bekräftigte, dass Sachsen »im Bereich der Abschiebungen effektiver« werden wolle. Der anwesende Direktor der Landeszentrale für Politische Bildung, Frank Richter, zeigte sich derweil besorgt um den Frieden in der Stadt und fragte, wie man die Spaltung der Freitaler Gesellschaft beenden wolle. Am Ende war sich die Mehrheit der Anwesenden einig, dass es weitere Bürgerversammlungen geben solle und dass man »mit allen Seiten« reden müsse. »Freital ist Ausdruck eines jahrelangen Versagens der sächsischen CDU in der Flüchtlings- und Integrationspolitik«, sagt Juliane Nagel, Sprecherin für Flüchtlings- und Migrationspolitik der Fraktion der Linkspartei im Sächsischen Landtag. In einer Erklärung antirassistischer und antifaschistischer Gruppen aus Dresden wird darüber hinaus beklagt, dass ein zum Teil »völlig unvorbereiteter Aktionstourismus« derzeit keine Lösung für die Situation in Freital sein könne. Eine Dauerkundgebung, die durch ihre Präsenz die staatlichen Aufgaben des Schutzes von Menschenleben übernimmt, wird wohl einerseits nicht ständig aufrechtzuerhalten sein. Andererseits dürfte die Unruhe, die dadurch entsteht, nicht im Sinne der zum Teil traumatisierten Heimbewohner sein. »Trotzdem finden wir es eine gute Idee, sich etwas zurückzunehmen und dennoch da zu sein, wenn es darauf ankommt«, schreiben die Gruppen in ihrer Erklärung. Den Verantwortlichen der Stadt Freital gelten diejenigen, die sich aktiv für die Asylsuchenden einsetzen, seit jeher als Teil des Problems. Die Unterbringung von geflüchteten Menschen wird lediglich als vorübergehende Maßnahme angesehen. Über Konzepte für eine dauerhafte Bleibe oder gar Integration von Asylsuchenden redet niemand der politischen Verantwortungsträger im Ort. »Wir müssen erst mal in der Lage sein, miteinander zu kommunizieren. Erst dann können wir uns um die Integration kümmern«, sagte Mirko Kretschmer-Schöppan, der Erste Bürgermeister von Freital.