Bankrott einer österreichischen Supermarktkette

Abrechnung mit dem Aufsteiger

Nach dem Bankrott der Supermarktkette Zielpunkt debattiert man in Österreich vor allem über unternehmerische Moral.

Zielpunkt ist pleite. Die in Deutschland durch die Tochtergesellschaft Plus bekannte österreichische Supermarktkette meldete am 1. Dezember endgültig Insolvenz an. 2 700 Mitarbeiter, die von der Pleite nur wenige Tage zuvor informiert wurden, haben damit allen Grund zur Sorge, bald arbeitslos zu sein, sofern die Zielpunkt-Filialen nicht samt Personal von anderen Supermarktketten übernommen werden. In Einklang mit dem österreichischen Insolvenzrecht musste das Unternehmen weder die Novembergehälter, noch das diesjährige Weihnachtsgeld seinen Angestellten ausbezahlen. Alles andere wäre nämlich »Gläubigerbevorzugung«. Die Zahlung der Löhne wurde damit auf den öffentlichen Insolvenzentgeltfonds übertragen.
Dass mehrere Tausend Menschen nun kurz vor Weihnachten ihren Job los sind, stößt in der Öffentlichkeit auf Entrüstung. Vor allem weil die Pfeiffer-Handels-GmbH, die 2012 zunächst ein Viertel der Aktien gekauft hatte und 2014 Zielpunkt dann ganz übernahm, in Österreich noch bis vor kurzem als Paradebeispiel eines sympathischen Familienunternehmens galt. Gegründet 1862 in Linz als kleiner Kolonialwarenhandel, wuchs der Familienbetrieb langsam zu einem regelrechten Imperium. Solchen Unternehmergeist schätzt man hierzulande. Allerdings nur, solange das Geschäft auch läuft. Jetzt, wo das Unternehmen unter der Obhut von Georg Pfeiffer, Chef der Pfeiffer-Handels-GmbH, in nur wenigen Monaten endgültig bankrott ging, wird dieser von vielen zum Feindbild stilisiert.

Pfeiffer rechtfertigt sich damit, alles getan zu haben, um die Pleite zu verhindern. Genau dies wird jedoch von Gewerkschaftsvertretern und Politikern bezweifelt. Wolfgang Katzian, der Vorsitznende der Angestelltengewerkschaft GPA-DJP, vermutet einen »Masterplan« hinter der Insolvenz. Indizien dafür sieht er im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Pleite, der es dem Konzern ermöglichte, das Weihnachtsgeld nicht mehr auszahlen zu müssen. Außerdem kaufte Pfeiffer, nur wenige Tage bevor er Insolvenz anmeldete, einige Standorte von Zielpunkt-Filialen durch seine GmbH, was die Interpretation nahelegt, dass er die lukrativen Geschäftsstandorte behält, während der Rest der Insolvenzverwaltung überlassen wird. Für Empörung sorgte zudem die Information, dass die Zielpunkt-Pleite mit 60 Millionen Euro zusätzlichem Kapitaleinsatz hätte verhindert werden können. Dass Pfeiffer über ein Privatvermögen von 770 Millionen Euro verfügt und der Kauf der Zielpunkt-Filialen ihn 38 Millionen Euro gekostet hat, wirft ebenso für viele ein schlechtes Licht auf den Unternehmer.
Die Klubobfrau (Fraktionsvorsitzende) der ­österreichischen Grünen, Eva Glawischnig, sprach etwa davon, dass sich Zielpunkt »über alle moralischen Regeln« hinweggesetzt habe. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) betrachtet die Angelegenheit als eine »Riesensauerei«. Auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn mischte sich wieder einmal in weltliche Angelegenheiten ein, zeigte sich »erschüttert« über die vorweihnachtliche Massenentlassung und mahnte menschliche Nähe denen gegenüber an, die das »schwere Los der Arbeitslosigkeit« erlitten. Einschätzungen über den Grund der Pleite zu geben, traute sich der Kardinal leider nicht zu. Diese Aufgabe blieb Wirtschaftskommentatoren überlassen. Zielpunkt habe bis zum Ende kein »Image« entwickelt oder sei einen »Schlingerkurs« gefahren. Pfeiffer machte den Verkaufseinbruch seit Anfang Oktober für den Konkurs verantwortlich.

Da die Angestelltengewerkschaft eine bewusste Herbeiführung der Insolvenz vermutet, prüft sie eine Klage gegen Pfeiffer. Dass das große Erfolgsaussichten hat, ist zu bezweifeln. Es müsste nachgewiesen werden, dass der Unternehmer willentlich den Konzern in die Pleite getrieben hat, was, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, kaum zu beweisen sein dürfte. Da also offenbar alles legal abgelaufen ist, bleibt es auch von Seiten der Arbeitnehmervertretung bei moralischen Anklagen. Die Unternehmensleitung hätte sich mehr ins Zeug legen oder ihr Privatvermögen aufwenden sollen, um die Arbeitsplätze zu erhalten, heißt es.
Für den für österreichische Maßstäbe relativ schroffen Ton, den einige linke Politiker und Gewerkschafter gegenüber Georg Pfeiffer angeschlagen haben, gibt es von Seiten des Kapitals wenig Verständnis. In der Presse, dem österreichischen Pendant zur FAZ, war in der Woche nach der Bekanntgabe der Firmenpleite von einem Generalverdacht gegen das Unternehmertum zu lesen. In Österreich habe man »ein Maß an Feindseligkeit gegenüber Unternehmen und Eigentum erreicht, das nicht mehr zu ertragen« sei. Johannes Nejedlik, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes KSV, bezeichnete die Anfeindungen, denen Unternehmer in Österreich ausgesetzt seien, als »unfassbar«.
Angesichts eines äußerst handzahmen Gewerkschaftsverbands und einer in kaum einem an­deren europäischen Land unterbotenen Zahl an Streiks ist dieser Alarmismus lächerlich. Nicht weniger lächerlich ist allerdings die Marotte von Gewerkschaftern, den Unternehmergeist zu feiern, wenn die Geschäfte gut laufen, ihn aber als Profitgier zu tadeln, wenn die Konkurrenz das Ihrige tut und einen Anbieter aus dem Markt drängt. Über die Doppelmoral in der Beurteilung von Unternehmern beklagt sich auch Pfeiffer, der die Übernahme von Zielpunkt nun als »Fehler« bezeichnet: »Wenn einmal was passiert, dann ist er das große Kapitalistenschwein.« Zumindest die Widersprüchlichkeit einer rein mo­ralischen Kapitalistenkritik scheint Pfeiffer bewusst zu sein. Damit hat er vielen seiner linken Kritiker etwas voraus.