Bei der »Israeli Apartheid Week« können Antisemiten sich austoben

Boykott den Boykotteuren

Basisbanalitäten zur Kritik des Antisemitismus werden durch Wiederholung nicht falsch. Sie gehören aber dorthin, wo sie nicht gern gehört werden.

Nein, Israel ist kein Apartheidstaat und auch kein Kolonialregime. Ja, die BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) gegen Israel ist die zeitgenössische Version der Forderung: »Kauft nicht bei Juden!« Nein, Zionisten sind keine kriegstreiberischen Kindermörder. Und ja, »Freiheit für Palästina« bedeutet: »Treibt die Juden ins Meer!« Nein, die liberale Haltung der israelischen Gesellschaft gegenüber LGBTI ist kein perfides »Pinkwashing«. Und ja, hinter all dem zerebralen Irrsal steckt die Erbärmlichkeit des Antisemitismus. Nein, es gibt kein Verbot dieser »Israel-Kritik«. Und ja, das ist schade.
Warum? Das sollte dort, wo politische Vernunft wenigstens im Mindestmaß vorhanden ist, keiner Begründung mehr bedürfen. Wer das alles noch immer nicht weiß, der will es nicht wissen. Alle Argumente sind hinreichend elaboriert. Sie hier zu wiederholen, bedeutete also selbstgefällige Unwirksamkeit, wo es doch um gefährliche Wirksamkeit geht: Die BDS-Kampagne hat in der Europäischen Union mit der Kennzeichnungspflicht für israelische Waren aus den umstrittenen Gebieten einen veritablen Etappensieg erzielt. Überhaupt haben derlei Kampagnen längst den Mainstream erreicht. Nur ein Beispiel: Bayreuth will demnächst seinen Preis »für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt« an »Code Pink« verleihen, einen amerikanischen Verein von Pazifistinnen und Pazifisten, die über ihre Ranküne gegen die USA und Israel auch gern mit Holocaust-Leugnern im Iran parlieren, wie zuletzt Anfang 2015.
Die Minnesänger der »Israeli Apartheid Week 2016« touren derweil unter dem Titel »Our Struggles Unite« durch Deutschland. Und das Motto stimmt: Wie das Klebereiweiß im Weizen die Nudeln schön bissfest zusammenhält, so sind der Antisemitismus, pardon, die »Israel-Kritik«, und die Sehnsucht nach Entjudung, pardon, nach »Entzionisierung«, der Kitt linker und alternativer Milieus. Hier ist man sich einig.
Diesem Palästina-Aktivismus gibt der postmoderne Alles-Egalismus den Raum frei: Feierte gerade erst im Berliner Kino Moviemento die Dokumentation »Triumph des guten Willens« über Eike Geisel Premiere, so steht dort an diesem Freitag ein antiisraelisches Propagandastück auf dem Programm, »Even Though My Land is Burning«, präsentiert von BDS Berlin und FOR (For One State and Return in Palestine – frei übersetzt: Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer). Der Filmemacher Dror Dayan ist selbst Israeli, das nennt man Win-win-Situation: Der Antisemitismus bekommt den Koscher-Stempel und der Jude seine Absolution. Er hat den Antizionismus als Assimilationsangebot angenommen.
Die Kinobetreiber dürften sich nicht genötigt fühlen, mit einer solchen Veranstaltung Wiedergutmachung am eigenen Publikum für den Film über Eike Geisel zu leisten. Man lässt nur einen weiteren »wichtigen« Film laufen, über den im Anschluss ja diskutiert werden kann.
Doch warum tun sie das? Nicht, weil sie es nicht besser wüssten, siehe oben, sondern weil sie es können – ganz ungehindert. Das hat auch mit denen zu tun, die gerade diesen Text lesen. Man müsste es den antiimperialistischen Kampañeros und ihren postmodernen Compañeros ja gar nicht so leicht machen. Man könnte diese Zeitung auch einfach einmal zuschlagen und etwas tun.