In Honduras wurden zwei Umweltschützer ermordet

Chronik eines angekündigten Todes

In Honduras wurden im März mit Berta Cáceres und Nelson García bereits zwei Mitglieder der Menschenrechtsorganisation COPINH ermordet. Diese setzt sich unter anderem gegen ein internationales Staudammprojekt ein. Doch der honduranische Staat ermittelt nicht wegen politischen Mordes und versucht stattdessen, die Organisation zu kriminalisieren.

Die Schilderung der letzten Wochen von Berta Cáceres durch die US-amerikanische Antimilitarisierungsorganisation SOA-Watch liest sich wie ein düsterer Umweltthriller: Morddrohungen von Angestellten der Staudammgesellschaft DESA und angeheuerten Paramilitärs, Verfolgungsjagden über Serpentinen durch ausgedehnte Pinienwälder im Bundesstaat Intibucá, Cyberangriffe und internationale Verleumdungen durch die vermeintliche Umwelt-NGO Forest Monkey Consulting, die lokalen indigenen Widerstand für große Unternehmen aushebelt. Am 3. März dringen schließlich mitten in der Nacht Bewaffnete in das Haus der Familie von Berta Cáceres in der Kleinstadt La Esperanza ein, ermorden sie und verwunden den mexikanischen Umweltschützer Gustavo Castro, der sich tot stellt und später fliehen kann.
Der Mord an der indigenen Menschen- und Umweltrechtlerin wird zur Staatsaffäre, doch die honduranischen Behörden ermitteln bis heute nur in eine Richtung. Castro wurde untersagt, das Land zu verlassen; er und Angehörige der Menschenrechtsorganisation COPINH (Ziviler Rat der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras), dessen Generalkoordinatorin Cáceres war, werden verhört und Aussagen gegeneinander gestellt. Die Polizei versucht, interne Streitigkeiten und ein Eifersuchtsdrama zu konstruieren. Währenddessen werden Aktivisten von Bewaffneten drangsaliert. Die honduranische Staudammgesellschaft DESA, die seit dem Jahr 2011 das Wasserkraftprojekt Agua Zarca am Gualcarque-Fluss plant, bleibt bei den Ermittlungen außen vor. Das Projekt gefährdet die Lebensgrundlage der dort ansässigen indigenen Lenca-Bevölkerung, zudem gilt der Fluss den Lenca als heilig.
Dabei berichteten Aktivisten immer wieder vom Aufbau paramilitärischer Einheiten im Zusammenhang mit dem Staudammvorhaben, einem Pilotprojekt, das den Strom für die weitreichenden Bergbaupläne der Regierung im Zusammenspiel mit internationalen Investoren sichern soll. US-amerikanische, kanadische und chinesische Minengesellschaften operieren im Land, seit ein Verbot umwelt- und gesundheitsschädlichen offenen Bergbaus nach dem Putsch im Jahre 2009 ausgehebelt worden war. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützte die kartographische Erschließung von Honduras’ Bodenschätzen durch eine Private Public Partnership.
Berta Cáceres war eine der engagiertesten Gegnerinnen dieser neuen honduranischen Extraktivismuspolitik (Jungle World 30/2012). Sie erhielt 2012 den Eichstätter Friedenspreis und 2015 den renommierten Goldman-Preis für ihren unermüdlichen Einsatz für die basisdemokratische Verteidigung indigener Territorien – und damit den nachhaltigen Schutz eines intakten Ökosystems. Das Staudammprojekt, das COPINH kritisiert, ist ein Millionenvorhaben. Auf deutscher Seite ist das Joint Venture Voith Hydro der Siemens AG und der Voith GmbH mit der Lieferung der Turbinen beteiligt. Siemens lehnt jegliche Verantwortung ab. Dabei wurden die Finanziers seit Jahren von NGOs auf die Kontinuität von Repression, Gewalt und Despotismus in Honduras hingewiesen sowie auf Verstöße gegen UN-Bestimmungen über die Sicherung einer freien, vorherigen und informierten Zustimmung (FPIC) der ansässigen indigenen Bevölkerung. Doch internationale Geldgeber wie die Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Investition (BCIE), die holländische Entwicklungsbank FMO und die finnische Finnfund nehmen offenbar Tote in Kauf.
Mit ersten Versuchen eines Baubeginns 2013 in der Gemeinde Río Blanco spitzte sich die Lage zu, das Department Intibucá wurde militarisiert, Heer und Polizei schützten das Projekt mit Unterstützung privater Sicherheitsfirmen und attackierten Lenca-Gemeinden im friedlichen Widerstand. Das COPINH-Mitglied Tomás García wurde 2013 vom Werkgelände aus von einem Unteroffizier erschossen; Cáceres wurde mit einem Scheinverfahren überzogen und per Haftbefehl gesucht. Erst auf internationalen Druck hin wurde dieser aufgehoben, das Verfahren blieb in der Schwebe. Im vergangenen Sommer begannen erneut die Bauarbeiten – und mit ihnen eine intensive Diffamierungskampagne und Repression gegen COPINH. Bereits im November 2015 war auf Berta Cáceres geschossen worden. Vier Monate später hatten ihre Mörder Erfolg.
Der honduranische Staat lehnt seine Verantwortung ab, den von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission geforderten Polizeischutz für Cáceres hatte er nur halbherzig gestellt. »Wir Familienangehörigen haben die Polizeipatrouillen stets als Bedrohung unseres Lebens und nicht als Schutz empfunden«, teilte ihre Tochter Bertha Zuñiga Cáceres der Presse mit. Sie und ihre Geschwister leben und studieren aufgrund der ständigen Morddrohungen gegen ihre Mutter seit mehreren Jahren im Ausland. Nun fordern sie eine internationale unabhängige Untersuchungskommission für den Mord an ihrer Mutter und verweisen darauf, dass die lokale Polizei mit den Sicherheitsunternehmen des Staudammbetreibers DESA eng zusammenarbeit. So hatte Cáceres das tatenlose Zusehen von Polizeibeamten bei Übergriffen auf sie sogar gegenüber Sicherheitsminister Julián Pacheco denunziert. Agua Zarca sei ein todbringendes Projekt, das die Konflikte auf Lenca-Territorium ausgelöst und zugespitzt habe, so die junge Zuñiga Cáceres.
Sie sollte Recht behalten: Keine zwei Wochen nach dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter wurde erneut ein Mitglied von COPINH erschossen – aller internationalen Aufmerksamkeit zum Trotz. Der 38jährige Nelson García starb, als er von einer Demonstration gegen die Vertreibung von 150 Lenca-Familien durch die Spezialeinheit Cobra in der Gemeinde Río Lindo zurückkehrte. Dies veranlasste FMO und Finnfund endlich, die Zusammenarbeit mit DESA abzubrechen. »Dass sich die europäischen Geldgeber des Staudamms nun aus dem Projekt zurückziehen, ist nicht genug«, sagte Víctor Fernández, der Anwalt der Familie Cáceres im honduranischen Radio. Die Unternehmen müssten eine Entschädigung für die menschlichen und materiellen Schäden zahlen, die sie in den Lenca-Gemeinden Río Blanco, Intibucá und Santa Bárbara verursacht haben.
Zeid Ra’ad al-Hussein, der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, unterstrich, dass Honduras weltweit das gefährlichste Land für Umweltschützer sei. Der Tod von Cáceres und García sei nur der letzte Gewaltakt in einer ganzen Serie von Attacken auf Menschenrechtsverteidiger, die gegen Landraub und Megaprojekte protestierten. So berichtet auch Via Campesina Honduras diese Woche von einem Attentat und zahlreichen Festnahmen in Bajo Aguán, wo sich Bauernkollektive gegen die Landnahme durch Agrospritfirmen wehren. Die vermeintlich »sauberen Energien« haben sich für die Regierungen seit dem Putsch von 2009 zu einem Geschäft entwickelt, das sie mit Hilfe von Korruption, Repression und Straflosigkeit gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen.
Der Organisation Gemeinschaft der Schwarzen Honduras (OFRANEH) zufolge schieben internationale Geldgeber von Korruption zersetzten Staaten wie Honduras die Aufgabe zu, die für sie unangenehme Klausel über die Zustimmung der indigenen Bevölkerung zu umgehen. Seit dem Putsch hat Honduras eine Entwicklung zum Negativen durchgemacht. Während Armut, Gewalt und sozialer Ausschluss zunehmen, wird die Privatisierung von Staatsgütern, der Ausverkauf von Ressourcen und – im Falle der sogenannten Charter Cities (Jungle World 46/2012) – sogar von Staatsterritorium vorangetrieben. Demokratische Institutionen und Prinzipien werden zugunsten wirtschaftlicher Interessen ausgehebelt. Während die öffentliche Gesundheitsversorgung in Honduras kaum noch gewährleistet ist, veruntreute Präsident Juan Orlando Hernández im vergangenen Jahr Staatsgelder aus dem Sozialversicherungsfonds (Jungle World 44/2015). Anders als im Nachbarland Guatemala konnte in Honduras keine internationale Untersuchungskommission installiert werden. David Romero, Journalist des kritischen Radio Globo, der den Skandal aufdeckte, wurde nun wegen Verleumdung der Regierung zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dass unter solchen Bedingungen der Mord an Berta Cáceres aufgeklärt wird, ist unwahrscheinlich.