Ein Comic über Vertragsarbeiter aus Mosambik in der DDR

Made in Germany

»Madgermanes« erzählt von Vertragsarbeitern aus Mosambik in der DDR.

Woraus speist sich die Erinnerung? Ist sie jene »ganz besondere Mischung aus Sinneswahrnehmungen«, die der Comiczeichnerin Birgit Weyhe als Kind in Uganda begegnet und sie ihr ganzes Leben nicht mehr loslassen sollte? Oder doch eine »läufige Hündin«, von der man nie weiß, ob sie bleibt oder flüchtet, sobald man sich ihr nähert, wie es der Mosambikaner José Antonio Mugande beschreibt? Auf jeden Fall ist Erinnerung stets fragmentarisch und subjektiv. Will man Zeitgeschichte über Autobiographien erzählen, muss man schon mehrere Personen getrennt voneinander befragen, um sich ein vielschichtiges, wenngleich nie vollständiges Bild davon zu machen, wie es denn gewesen sein könnte. Birgit Weyhe hat für ihren jüngsten Comic mit knapp einem Dutzend ehemaliger mosambikanischen DDR-Vertragsarbeiter gesprochen. »Madgermanes«, so der Titel, ist deren Selbstbezeichnung und die Kurzform für »Made in Germany«. Die Biographie aller Befragten verdichtet die Autorin in drei fiktiven Personen, die auch in Beziehung zueinander stehen: ein regimetreuer, introvertierter Sozialist, der fleißig Kurse an der Volkshochschule belegt, ein Frauenheld, der den Deutschen seine Authentizität beweisen will und stets ein afrikanisches Sprichwort auf den Lippen hat, und die ehrgeizige Frau zwischen diesen beiden Männern, die schließlich doch ihren ganz eigenen Weg geht.
Gekonnt verbindet Birgit Weyhe in ihren Zeichnungen zeitgenössische Erzählformen mit afrikanischen Bildtraditionen und sozialistischer Symbolik, ohne dabei je ins Kitschige abzugleiten. Das hat sicherlich auch damit tun, dass Weyhe Historikerin und noch dazu in Afrika aufgewachsen ist. Sie weiß also, wovon sie spricht.
Die Vertragsarbeiter aus Mosambik sind ein populäres Reportagethema, passt die DDR-Nostalgie mitten in Afrika doch gut in Fernsehmagazine wie den Weltspiegel. Und dann sind die hübschen Bilder von Schwarzen, die von volkseigenen Betrieben erzählen, DDR-Fahnen schwenken und ihre Fotoalben zeigen, so schnell gesendet wie auch wieder vergessen. Dabei haben die Madgermanes bis heute ein politisches Anliegen, für das sie wöchentlich in Maputo demonstrieren. Sie streiten für ihren Lohn, der von der damaligen Regierung ihres Landes zum großen Teil einbehalten wurden und den sie, anders als versprochen, bei ihrer Rückkehr nie erhalten haben. Auch die Bundesregierung sieht sich nicht in der Verantwortung und drängt das afrikanische Land nicht zur Vertragserfüllung. DDR-Geschichte und BRD-Gegenwart stehen für sie in keinerlei Beziehung. Mit dieser Begründung wurde den Vertragsarbeitern nach der Wende auch das Aufenthaltsrecht entzogen. Dabei steht die Verdrängung der Madger­manes in der BRD in unmittelbarer Kontinuität der Ausgrenzungserfahrungen, denen die Vertragsarbeiter in der DDR ausgesetzt waren. Beide deutsche Staaten machen sie unsichtbar. Umso wichtiger, dass jetzt an sie erinnert wird – zumindest in Buchform.
Birgit Weyhe: Madgermanes. Avant-Verlag, Berlin 2016 240 Seiten, 24,95 Euro