Porträts der Familie Trump

Homer Simpson im Buckingham Palace

Zu Gast bei Donald, Melania und Barron: Was die Porträts der Familie Trump verraten. Und was nicht.

Ein sonderbares Bild macht die Runde. Es ist sehr inszeniert, kom­poniert, schon am Rand zum Manieristischen, und es ist, soviel sei von der Unterschrift verraten, »retuschiert«. Wie »echt«, »gestellt«, »manipuliert« oder auch »collagiert« die Situation ist – ein Mann, eine Frau, ein Kind und ein Zimmer mit Aussicht –, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit bestimmen. Für die Aussage ist es ohnehin nicht sehr von Bedeutung.
Das Bild, auf das es ankommt, wird von der Agentur Getty Images angeboten. Begleitet wird es von einigen detailhaften und ­weniger ausgearbeiteten Fotoskizzen. Sie wirken wie Dokumente der Set-Arbeit, Vorgeschichten, Nahaufnahmen: Die Ankunft der Drama Queen, die, einen Diener im Schlepptau, den verspiegelten Gang entlangkommt, mit ihren Shopping-Beutesachen. Dann gibt es noch ein Bild, das die dreiköpfige ­Familie um einen schweren Intarsientisch sitzend zeigt, einen noch schwereren Kronleuchter über sich. Ist es ein Fernrohr am Fenster? Die Foto­serie zeigt noch, wie sich die drei Modelle auf das Shooting vorbereiten. Der Mann betätigt den Auslöser (oder tut so), ganz so, als wäre er selber der Autor der Bilder. Die Frau probt Kleider. Aber all das Episodische ist offensichtlich nur eine Vorbereitung auf dieses eine, das »ikonische« Bild, Skizzen für ein gewaltiges Herrscherbildnis – oder die Parodie darauf.
Der erste Blick
Um dieses ikonische Bild zu verstehen, könnte man ein Gedankenex­periment wagen und so tun, als wisse man nicht, um wen es sich handelt. Dann sind die ersten drei Eindrücke vollkommen klar: Reichtum. Macht. Und schlechter Geschmack. Was außerdem direkt auffällt: Nichts passt zusammen. Zum einen sind es drei Menschen, die offensichtlich ganz unterschiedliche Zeichen- und Geschmackswelten besetzen. In der rechten Ecke sitzt ein etwas linkischer älterer Mann – die Scherze über sein seltsames Haarteil sind rasch gemacht. Die Mitte beherrscht zweifellos die makellos gestylte Frau; sie ist das Thema dieses Bildes. Der Junge am rechten Bildrand wird mit Insig­nien eines Herrscherkindes versehen. Einen Löwen, den er reitet, schon ganz Siegerpose trainierend, und die Kutschen zu seinen Füßen, die hier die Form von Stretchlimousinen und Oldtimer-Sportwagen haben. Die etwas zu mächtigen und knubbeligen Pfoten des Stofflöwen wiederholen sich formhaft in den Stuhlbeinenden – jetzt fängt man an, sich in Details zu verlieren. Die gewaltigen Fensterfronten im Hintergrund lassen den Blick über Ländereien und Häuser schweifen. Herrscherblick.
So klar das Arrangement auch scheint, so schwer ist es doch zu entschlüsseln. Eine Möglichkeit: Es handelt sich um so etwas wie ein nachgeholtes Hochzeitsfoto. Der sitzende Mann und die stehende Frau gehörten zur Ikonographie des Ehebildes im 19. und 20. Jahrhundert. Doch es geht tiefer in die Mythologie: eine Variation des Adam- und Eva-Motivs. Der begehrende Mann, die verführerische Frau. Tja, und das Paradies. Im sitzenden Mann, der buchstäblich etwas be-sitzt, drückt sich das Settlement der Familie aus. Fotografien oder Gemälde des 19. Jahrhunderts, die stehende Männer und sitzende Frauen zeigen, scheinen instabiler, auf etwas hinzuweisen, die Krankheit oder Schwäche der Frau. Die stehende Frau drückt ihre jugendliche Kraft aus, der sitzende Mann seine selbstverständliche Macht. So ist ­geklärt, wem das alles, was noch im Bild ist, »gehört«.
Das allgemeine Künstlerlexikon dieses Jahrhunderts weiß um die erotische Bedeutung der stehenden Frau, und um die politische. Sitzend besetzt man den Thron, dahinter stehen jene, die ihn bewahren und le­gitimieren. Die stehende Frau inszeniert den Körper; Königinnen, das kennt man aus den Pop-Mythologien, hält es nie lange auf dem Thron, Könige, je älter desto mehr, verschmelzen förmlich mit ihm.
Der Mann zeigt eine merkwürdige Fingerstellung, die wir von einer gewissen europäischen Kanzlerin kennen. Die Raute. In Jean Luc Godards Film »Je vous salue, Marie« zum Beispiel wird die Raute mit den Fingerspitzen nach unten ziemlich eindeutig als Darstellung des weiblichen Geschlechts charakterisiert. Doch die auch als »Raute der Macht« bezeichnete Geste ist bei Angela Merkel sehr viel flacher, bei dem Mann im Bild, der sie ziemlich dort hält, wo er sein eigenes Geschlecht haben sollte, ersetzt oder verdeckt demnach die Raute der Macht den Phallus. Wie wir von den Beobachtern der europäischen Kanzlerin wissen, soll diese Geste allerdings, politisch gesehen, Besonnenheit, Kraft und Ruhe ausdrücken. Möglicherweise geht es, wie andere Körpersprachenforscher meinen, auch um die Darstellung geschlossener Kreise oder um die Fähigkeit, Brücken zu bauen.
Wie dem auch sei. Es handelt sich um eine Geste von Macht-Haben und nicht um eine von Macht-Wollen. Es ist ein Herrscherbildnis. Unter den Menschen, die Merkels Raute imitierten, finden sich übrigens so unterschiedliche Charaktere wie Recep Tayyip Erdoğan und Guido Westerwelle.
Die rote Krawatte des Mannes indes scheint eindeutig zu lang ausgefallen zu sein. Sie nimmt und nimmt kein Ende und wird unten, in seinem (von Rauten bedeckten) Schoß immer noch breiter. Der Mann kreuzt die Beine. Was will das sagen? Der Ex-FBI-Agent Joe Navarro von der Abteilung für Spionageabwehr schreibt in seinem Buch »Menschen lesen – Ein FBI-Agent erklärt, wie man Körpersprache entschlüsselt«: »Unsere Beine kreuzen wir demnach nur dann, wenn wir uns wohlfühlen. Die plötzliche Anwesenheit einer Person, die wir nicht kennen, wird dazu führen, dass wir unsere Beine wieder auseinander nehmen.« Ja, wäre das eine Frau und kein Mann, so könnte man diese Körperhaltung auch ganz anders deuten: »Jedoch nehmen Frauen – anders als ein Großteil der Männer – diese Position (nämlich das Kreuzen der Beine) auch ein, wenn sie Hosen tragen. Diese Körpersprache von Frauen kann zwar elegant wirken, aber auch Zurückhaltung und Schutzbedürftigkeit ausstrahlen«, heißt es auf der Website von Absolventa: »Die Jobbörse für Studenten, Absolventen und Young Profes­sionals«.
Und tatsächlich drückt sich männ­licher Machtanspruch häufig in einer »Breitbeinigkeit« aus. Bemerkenwerterweise nun ist es auch kein normales, sondern ein sehr tiefes Beinekreuzen, die Beine wiederholen gleichsam die Raute noch einmal. Nun wollen wir es aber noch einmal ­genauer wissen und ziehen Business-Netz.com zurate: »Sind die Beine übereinandergeschlagen, ist entscheidend, welches Bein dabei den Kontakt zum Boden – also zur Erde (Erdung) hat und welches frei spielt. Steht das rechte Bein/Fuß auf dem Boden wird der rationelle Standpunkt ausgedrückt. Steht das linke Bein/Fuß auf dem Boden wird sich emotional orientiert.« Aha. Beide Beine zwar fest auf dem Boden, aber das rechte vorn, das linke nur angewinkelt locker: Rationaler Standpunkt, ganz klar.
Während also alles an diesem Mann Ruhe, Verlässlichkeit, Sicherheit auszustrahlen scheint, offenbar aber auch einen Verzicht auf alle aggressiveren Männlichkeitsgesten, ist die Frau, die hinter seinem Thron steht, das genaue Gegenteil. Nur das sonderbare Haarteil des Mannes scheint sich mit dieser allgemeinen Beruhigung des massigen Körpers nicht abfinden zu wollen. Es steht, sozusagen, auf, und erinnert dabei ein wenig an die Krawatte des Programmierers Dilbert im gleichnamigen Comic von Scott Adams, die ebenfalls ständig ohne äußere Ursache aufstand (bevor ihm sein Zeichner einen informelleren Pullover verpasste; so ändern sich Dresscodes).
Die Balance ihrer Beinhaltung ist jedenfalls, sagen wir: ein wenig prekär. Zieht man eine weitere der vielen, vielen Beratungsdienste zur Körpersprache im Dienste der Karriere zu Rate: »Beim optimalen Stand ist das Gewicht gleichmäßig auf beiden Beinen verteilt. Wer hingegen ständig das Standbein wechselt, wirkt unruhig und flüchtend. Wer sein Gewicht auf den Ballen lagert, möchte aktiv werden, während derjenige, der vorwiegend auf den Fersen steht, tendenziell an Rückzug denkt«, schreibt Monika Matschnig auf ihrer Website »Wirkung. Immer. Überall.« Nun ja, das ist natürlich auch eine klassische Tanz- und Modelpose. Gleich geht es weiter, gleich geht es los. Und schon weht auch das Gewand. Der Faltenwurf oder auch die Draperie ist in der Kunst nicht nur Hinweis auf das wahre Können des Malers, sondern auch der Bedeutung der Figur angemessen. Faltenwurf bedeutet das Gegenteil von Nacktheit, die Vollendung der Zivilisierung, oder aber: zweiter Körper. Verdoppelter Körper. Es gibt »reichen Faltenwurf«, aber keinen ­armen, nicht einmal einen bescheidenen. Je mehr Falten ein Gewand hat, desto mehr Stoff können sich die Menschen darin leisten.
Dass eine, gar die linke Hand, in die Hüfte gestemmt ist, interessiert wieder die Spezialisten der Körpersprache. Aber man wäre natürlich auch ohne sie darauf gekommen, dass hier Energisches und Selbstbewusstes im Spiel ist. »Hände in die Hüften stemmen: Imponiergehabe, Entrüstung, Raum greifend.« So sieht das Angelika Warning auf ihrer »Körpersprache – Zeichen und ihre Bedeutung« betitelten Website.
Während der Mann in der linken Bildhälfte mehr oder weniger gewinnend grinst, schaut die deutlich jüngere Frau ernst, entschlossen und vielleicht nur einerseits so, wie Models immer schauen, nämlich als sei es die bedeutendste und dramatischste Sache der Welt, gut gekleidet in der Gegend herumzustehen. Die langen, ein wenig unten wallenden Haare tun das Ihre, Bedeutung und Dynamik zu vereinen.
Übrigens bildet, kleine kompositorische Meisterleistung, die textile Gestalt der Frau wiederum ein Dreieck, nun freilich mit der Spitze nach oben.
Dem Kind müssen wir schon deswegen ein wenig Mitleid entgegenbringen, weil es so isoliert von seinen Eltern ist. Auch sonst erscheint der Junge im gewiss nicht sonderlich bequemen Anzug eher wie eine Statue als ein lebender Mensch. Umso verständlicher sein etwas verlorener, ja leerer Blick: Man ahnt schon kommende Tragödien, von denen schwere Drogensucht und berufliche Halt­losigkeit noch die Minderen sein werden.
Er reitet einen unbeweglichen Löwen aus Stoff und das macht sichtlich keinen Spaß. Der Junge trägt eine Art Pagenfrisur, und so sieht er noch »englischer« aus als ohnehin. Zu seine Füßen bilden eine weiße und eine schwarze Stretchlimousine – wer hätte es gedacht – wiederum ein Dreieck, und zwar in der väterlichen Manier mit der Spitze nach vorn. Eine weiße und eine schwarze. Leben und Tod. Oder wenigstens: Picknick und Business.
Der Raum, in dem diese Herrscherfamilie posiert, erlaubt nach allen Seiten weite Blicke. Zwei glitzernde Leuchten von formidablem Ausmaß organisieren den oberen Raum, der durch eine Täfelung abgeschlossen wird, und es lässt sich ein Deckengemälde erkennen. Ist es Moses, der sein Volk aus der Versklavung führt oder erst einmal auf den Berg klettert, um die göttlichen Direktiven zu erhalten? Im Hintergrund sieht man den ebenfalls goldenen Tisch, der mit Familienfotos überladen scheint. Dem Ganzen kommt zweifellos etwas Schreinhaftes zu: Eine Familie, die sich selbst anbetet. Eine Familie, die nichts anderes hat, an das zu glauben wäre. An Natur kommen im Vordergrund links und rechts zwei grüne Pflanzen ins Bild. Dieser merkwürdige Thronsaal muss offenbar all die Symmetrie aufweisen, deren es im Familienarrangement selbst so eindeutig mangelt.
Aber Herrscherehen werden, wie wir wissen, nicht aus Gründen von Zuneigung und Verbundenheit geschlossen.
Anlass zur Sorge
Ja, es ist Donald Trump, der US-amerikanischen Präsidentschaftskandidat. Und es handelt sich um die Inszen­ierung seiner Familie im Trump Tower, im Wohnzimmer von Melania Trump, Rapunzels goldenem Turmzimmerverließ.
Es ist das Bild geradezu manisch-tragischer Fremdheit. Allerdings fragt man sich, ob dieser Effekt ­gewollt ist. Handelt es sich nämlich um ein Modelfoto von Melania Trump, ist ein solcher Effekt schon obligatorisch: Setze das Model in ­ungewöhnliche, ja widersinnige Umgebung und konfrontiere Mode mit Alltag, Geschichte und Monument; der Effekt wird Aufmerksamkeit er­regen und dann doch den Blick auf das Entscheidende, die Mode nämlich, lenken. Und was wäre effektvoller, als das Model zwischen zwei einander offenbar vollkommen fremden männlichen Wesen, beide in irgendwie unpassendem Alter, zu präsentieren, in einer Umgebung, die aussieht wie die Kulisse für einen schlechten Historienfilm: Napoleon, Josephine – und Zombies. Nach den Gesetzen der Modefotografie mithin ein überaus gelungenes Bild. Würde es sich um ein politisches Werbefoto, eine pro­pagandistische home story handeln, sähe die Sache schon anders aus. Und doch ist es auch in dieser Hinsicht vollkommen effektvoll. Es trägt gleichsam die Wünsche von Trump-Unterstützern mit sich, als hätte es sich Homer Simpson im Buckingham Palast gemütlich gemacht und sei nur über einen gewissen Mangel des Throns an Arschfreundlichkeit irritiert. Den hätte er sich irgendwie höher vorgestellt. Und irgendwie gehört alles ihm. Für einen kurzen Augenblick der Geschichte.
Nur wenn es sich wirklich um ein Familienfoto handeln würde, dann hätten wir Anlass zur Sorge.
Reality TV
Was ist geschehen? Eine einfache Erzählung wäre die einer Usurpation: Eine Comicbook-Familie, White Trash, typisch amerikanische »Emporkömmlinge«, Neureiche etc. haben sich einen Raum weit über der Stadt erobert und ihn mit Beutestücken einer längst untergegangenen Kultur umgeben, und sie lassen sich von einem »Künstler«, der nun nicht mit dem Pinsel, sondern mit der Kamera arbeitet, in dieses Ambiente hinein inszenieren. Europäische Arroganz spricht aus dieser Erzählung, mindestens hochgezogene Augenbrauen.
Die andere Geschichte ist globaler, semantischer, aber auch nicht viel optimistischer. Die neuen Herrscher, die da ihr Beggars Banquet eben nicht ausführen, sondern selber hereingefallen sind auf diese Inszenierung, schon längst nicht mehr sie selber sind, die nicht mehr zurückkönnen, wie Homer Simpson zurückkann, der bei allen entsprechenden Gelegenheiten dann früher oder später doch von der Sehnsucht nach seinem Häuschen, seinem biergefüllten Kühlschrank und seinem Fernseher gepackt wurde und ganz nebenbei den ganzen Snobismus und das Gepränge als lächerlich und irgendwie ungenießbar entlarvte. Es ist also gar nicht klar, ob drei Menschen, die aus der Unterschicht oder was für Fernen ganz nach oben kamen, die Signaturen einer alten Klassenherrschaft erobert haben, oder ob umgekehrt Zeichen und Inszenierung einer alten Klassenherrschaft drei Menschen erobert haben, die sich in ihrem Machtraum bewegen, der aber schon drauf und dran ist, ein Todesraum zu werden. Was ganz und gar fehlt an dieser Aktualisierung der wiederkehrenden Phantasie von der Usurpation von Herrschaftsräumen durch unsere Vertreter, die mehr oder weniger charismatischen Repräsentanten des Volkes, die Flodders dieser Welt: Das ist der Spaß.
In anderen Fotoserien aus diesem Raum erfährt man, dass es Melanias Raum ist (einmal sehen wir sie ein einsames Frühstück darin einnehmen, Orangensaft, kein Champagner); Donald und Barron (Barron?) sind offenbar in Wirklichkeit hier seltene Gäste. Wir verstehen die Fremdheit der beiden nun besser, und haben eine andere Geschichte, die vom goldenen Käfig, von einem Xanadu, das noch viel furchtbarer geraten ist als das des Citizen Kane.
Diese Macht ist also schon im Ansatz ungenießbar, das exakte Gegenbild zum gediegenen, niemals protzigen, aber auch nicht zu bescheidenen Bürgertum der Familie Obama. Wir könnten also sagen: Aha. So also funktioniert eine im Kern klassenlose Auf- und Absteigerklasse. Dass die Trumps da sind, eine schrecklich nette, nein, vielleicht doch nicht so nette Familie, wo sie sind, das ist so­zial erlebte Demokratie.
Aber man kann es wiederum auch anders lesen. Es ist nicht möglich, die Klassengesellschaft zu verlassen. Das Recht, von dem dieses ikonische Bild erzählt, alles zusammenzustellen, was nach Reichtum und Macht aussieht, wie man es aus den Filmen kennt, ohne die dazugehörige Bildung zu haben, entspricht dem Recht, nicht zu wissen, wo Paris liegt, und zugleich der Welt mit Atombomben zu drohen. Das liberal-bürgerliche Herz stockt nur einerseits, weil es zur kulturellen Überheblichkeit neigt. Andererseits ahnt es Zusammenhänge zwischen dieser tristen Inszenierung im Turm, der seltsamen Familienaufstellung, den feudalen Zeichen und der Politik.
Auf die bürgerliche Souveränität im Umgang mit dem Luxus bei den Obamas folgt nun das Schauspiel des offensiv gelebten Widerspruchs. Mag sein: Diese Geschmacklosigkeit ist nicht weniger Programm als die verbalen Ausfälle, eine weitere Form der Selbstermächtigung. Trumps, die sich nur durch Trumps erklären, aber zugleich eben von unendlich vielen anderen Instanzen und Medien erklärt werden. Medien, in denen dieses Bild nicht als schaurige »Ubu Roi«-Groteske, sondern als Traumbild und Wunscherfüllung ankommt. Die Inszenierung der Bilder, der Familienporträts und der öffentlichen Auftritte, die Vertrashung der Kultur und die Nobilitierung des Trash nimmt medial jenes Bündnis vorweg, vor dem Hannah Arendt ­gewarnt hat: die Verbindung der ökonomisch-politischen Elite mit dem »Straßen-Mob«.
Das Bild drückt nicht die klassenlose Gesellschaft aus, sondern einen Zusammenschluss der neuen ökonomischen Eliten mit den ökonomischen Verlierern gegen die alten Eliten (die sich immer auch kulturell definieren mussten) und gegen das gehobene, und immer noch lange nicht entmächtigte Kleinbürgertum, mit seinem maßvollen Gebrauch der Semantik. Die alten Eliten und das alte gehobene Kleinbürgertum machen sich über diese Bilder lustig, die eine oder andere kritische Stimme wendet sich nun wiederum gegen solches Geschmacks-Klassen- und Traditionsbewusstsein. Aber beide verkennen vielleicht den wahren drive dieser Bilder.
Hier sitzt der falsche König auf dem Thron, und auch seine Familie besteht aus lauter Falschheiten. Er ist nicht gerecht, sondern selbstgerecht. Er ist Ubu. Über die liberale Erzählung und über die liberalen Selbstbildnisse lacht dieser falsche König so sehr wie über die alten Herren und ihre Traditionen. Die plastische Chi­rurgie hat aus Melania Trump eine Männerphantasie gemacht, die wiederum nicht in das geforderte Bild einer fürsorglichen Mutter und verantwortungsvollen First Lady passt. Selbst Teile einer gefälschten Biographie (ein Abschluss im Fach Architektur, my ass) kommen ans Tageslicht. Es stimmt einfach ganz und gar nichts. Und das ist genau das Richtige.
Homer Simpson wäre verrückt nach Melania Trump. Die Verachtung des (immer noch) erfolgreichen liberalen Mittelstands wird auf diese Weise zurückgegeben. Das Wohnzimmer der Melania Trump ist ganz offensichtlich eine Form von Überkompensation, es strahlt Rache aus, Rache an jenen mit den hohen Nasen und denen, die das, was Donald auf dem Kopf hat und das, was Melania unter dem Morgenmantel beim petit lever für die Klatschpresse hat, begrinsen, Rache an dem, was die Trumps wie in Deutschland Pegida und AfD das Establishment nennen.
Es ist ein notwendiges Beiwerk des Neoliberalismus, eine Postklassen­gesellschaft zu begründen, die politisch-ökonomische Trennung so ­rigide wie möglich zu gestalten, während man zugleich die kulturelle Klassentrennung abschafft. Darin sind die Trumps einfach Meister.
Aber es scheint zugleich das Prinzip Reality TV im Wohnzimmer der Trumps zu herrschen. Auch hier geht es um das Gewinnen, ganz so, als wäre der Preis, möglichst viel von dem Luxusplunder behalten zu dürfen. Und auch hier ist der Moment, wo die Kameras abgestellt werden, wo man wieder hinaus und hinunter geworfen wird, wo die Lichter ausgehen und die Sets neu dekoriert werden, nahe. Verzweifelt nahe. Die Trumps haben sich ein Gefängnis aus schweren Zeichen der Beständigkeit gebaut, weil sie wissen, dass der Traum nicht lange dauert.
Ubus Herrschaft, das spricht aus jeder Zeile und jedem Affront, ist gar nicht auf Dauer ausgerichtet. Dass in unserem Herrscherbild der Sohn schon eigentlich ausgeschlossen ist, belegt das nur noch. Die unheilige Familie existiert gar nicht wirklich. Politische, sexuelle und familiäre Ding- und Körperzeichen widersprechen einander so heftig, dass es nicht lange auszuhalten ist. Denn was das politische Programm und den schlechten Geschmack ausmacht, das macht auch die Familie Trump aus. Jeder ist so narzisstisch, egoistisch und auch wieder irgendwie tragisch fremd und außer sich, dass sie sich nur zur Staffage nutzen. Es ist das Gegenbild nicht nur der »heilen Familie«, sondern auch das Gegenbild zur liberalen Patchwork-Familie im Dauerkonflikt und in endloser »Bearbeitung«. Diese drei Menschen haben viel zu wenig miteinander zu tun, um an die Bearbeitung von Konflikten zu denken. Kann man sich bei Trumps einen Psychologen oder einen Ehe- oder Erziehungsberater vorstellen? Beziehungsprobleme sind was für den Mittelstand. In einer Trump-Familie geht es um Geld und Macht.
Die Rechte ist an die Räumlichkeit gebunden. Die Trumps können sich nicht anders inszenieren als in ihrem Besitz, in ihrer Heimat, auch in ihrem Gefängnis. Sie haben einen großen Teil der Welt gekauft, aber sie sind selber kein bisschen weltläufig. Eigentlich hört die Welt von Melania Trump schon an den Fensterfronten auf; Shoppen gehen ist, wie die Begleitbilder zeigen, das einzige große Abenteuer.
Was das Wohnzimmer noch ausdrückt, ist der Ausschluss aller Moderne. Jede Verbindung ist gekappt, kein Telefon, kein Fernseher, kein Computer. Man muss sich selbst genug sein. Die Trumps sind ihre eigene Reality Show.
Diesen Donald gibt es nicht
Die Legende bei Getty Images besagt, eine Regine Mahaux habe das Bild gemacht. »Melania, Donald, And Barron Trump At Home Shoot (This image has been retouched.) Donald Trump, Melania Trump and their son Barron Trump pose for a portrait on April 14, 2010 in New York City.« Danach werden die Hersteller ihrer Bekleidung genannt, wer das Make-up zu verantworten hat und von welchem Fabrikat die Haare sind.
Wir haben vielleicht zu viel gesehen. Es war alles bloß Reklame. Diesen Donald, diese Melania und diesen Barron Trump gibt es gar nicht. Sie sind Erfindungen der Design-Industrie. Das erklärt manches.

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