Berlin Beatet Bestes

Fans fehlt es an Phantasie

Berlin Beatet Bestes. Folge 359. Rheingold: Fan Fan Fanatisch (1981).

Ich war nie ein Fan von irgendjemand. Fans nerven. Am meisten nerven Fussballfans. Als ich ein Kind war, schienen alle meine Freunde sich für einen Fußballverein entscheiden zu müssen. Ich entschied mich gegen alle. Später wurden meine Freunde Fans irgendwelcher Bands. 1978 waren alle Mädchen meiner Klasse Fans der Teens. Ich hängte mir Poster von Elvis auf. Die gab es damals in jeder Zeitung, weil Elvis gerade gestorben war. Aber ich hatte nur eine Platte von Elvis, war also kein Fan. Ein paar Jahre später freundete ich mich mit einem Typen an, der sein Zimmer mit Elvis-Postern tapeziert hatte. Das verstand ich gar nicht. Wie konnte er sich als 15jähriger nur so beschränken, wo es doch so viel Musik zu entdecken gab? Wieso glaubte er, nur dieser eine sei der König? Wie können Fans von Elvis, Michael Jackson, den Beat­les, Motörhead oder des FC Bayern München nur so phantasielos sein?
Weil es einfach ist. Solche auf einzelne Künstler fixierten Fans sind die Veganer unter den Musikfans. Die reduzierte Angebotspalette erleichtert die Wahl. Weil es aber zu öde ist, die eine Best-of-Platte immer wieder abzunudeln, wird nach und nach immer mehr Zeug desselben Künstlers angehäuft. Hartgesottene Fans mutieren zu Komplettsammlern, die jede Veröffentlichung erwerben. Veganer könnten sich rühmen, dem irrsinnigen kapitalistischen Warenangebot die Stirn zu bieten und nur noch Kartoffeln, Gemüse und Nüsse zu essen. Tatsächlich aber offerieren vegane Supermärkte Tausende von neuen Produkten. Echte Selbstbeschränkung ist eben doch schwierig.
Noch weniger als Fanboys und Fangirls kann ich Leute ohne Leidenschaften verstehen. Leute, die Radio oder Spotify hören, wenn sie unterhaltungsbedürftig sind. Leute, die keine Objekte mehr lieben, außer ihren Smartphones. Auch sie sind Selbstbeschränker, aber auch das klappt fast nie. In ihren Wohnungen häufen sie dennoch meist haufenweise Zeug an. Es ist und bleibt nur Zeug – weil sie keine Leidenschaften haben. »I like stuff«, sagt Lemmy erfrischend unverhohlen in dem Lemmy-Dokumentarfilm. Seine kleine Wohnung quoll förmlich über von »stuff«, aber er konnte doch zu allem eine Geschichte erzählen. Das Zeug hatte Bedeutung für ihn. Es kommt also nicht darauf an, was man sammelt, sondern wie. Und ich will immer neugierig bleiben.