Abstand zu anderen Betroffenen

Vergangene Woche erhielt ich mal wieder eine E-Mail von einem Leser meines Blogs. Tenor: »Die Platte hab’ ich auch. Lass mal reden.« Ich will nicht unhöflich sein, aber ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Dennoch ist die Zuschrift ein willkommener Anlass, einmal über meine Beschäftigung mit dieser Art von Platten nachzudenken. Denn es ist schlimm genug, dass ich den Blödsinn sammle, aber ich will mich eigentlich nicht auch noch darüber unterhalten. Mein Blog ist ein Monolog. Andere Blogs, die sich ebenfalls mit seltsamen deutschen Schallplatten beschäftigen, würde ich gern lesen. Aber ich will mich nicht sachlich über eine Werbeplatte der Milch­industrie, Schallfolien des Autolackherstellers Teroson oder der Schuhmarke Mareno unterhalten.
Dieses Zeug ist nur eine Begleiterscheinung vieler Besuche in Plattengeschäften. Wir betreten Plattenläden als »ordentliche« Musikhörer, um dann mit diesem Schallplattenabfall nach Hause zu gehen. Die wenigen Sammler seltsamer deutscher Musik sind zuerst Musikfans. Aus Neugier und weil ich kein Geld hatte, habe ich früher in den Billigkisten gewühlt. Dann habe ich mich an den Geschmack gewöhnt wie an den von Zigaretten. Die schmecken auch am Anfang gar nicht. Mittlerweile besitze ich Hunderte von Flexis und komplett wertlose Privat- und Billiglabelpressungen.
Gelegentlich bezahle ich statt 50 Cent sogar ein paar Euro für eine besonders schöne Flexi. Aber es ärgert mich, wenn Ralf Paulsens Servas-Schuhhymne »Shoe-Shoe-Twist« für 20 Euro bei Ebay angeboten wird. Oder Modern Talkings Pepsi-Flexi für 25 Euro. Oder Frank Zanders »Rauchen macht frei«-Flexi für 35 Euro. Vor allem, weil ich die nicht habe, aber auch, weil ich nicht für dumm verkauft werden will. Diese Platten wurden gratis an Kunden verschenkt. 25 Euro sollte man noch nicht mal für ein reguläres Studioalbum von Modern Talking hinlegen, geschweige denn für ein dünnes, wabbeliges ­Plastikscheibchen.
Ich versuche also, Abstand zu halten. Ich will das Zeug konsumieren und auch gern verbreiten. Aber zu anderen Süchtigen möchte ich keinen Kontakt haben. Ehrlich gesagt, noch nicht mal zu den Produzenten. Weil ich natürlich zu Hause nicht dauernd den »Shoe-Shoe-Twist« höre. Ich bin immer noch ein Fan »richtiger« Musik. Wer den ganzen Tag nur die Musik von meinem Blog hört, dürfte unter erheblicher psychischer Instabilität leiden.