Die Elbphilarmonie ist da

Elphi und das W-Wort

Die Elbphilharmonie wurde vergangene Woche mit sechs Jahren Verzögerung an die Stadt Hamburg übergeben. Das Großprojekt hat etwa 800 Millionen Euro verschlungen.

Kaum einer kam ohne das W-Wort aus. Als vergangene Woche die Elbphilharmonie, von der Boulevardpresse als »Elphi« verniedlicht, offiziell übergeben wurde, überschlugen sich die Laudatoren in ihren Lobeshymnen. Immer wieder war von einem neuen »Wahrzeichen« der Hansestaadt die Rede. Dass der Bau statt der ursprünglich veranschlagten 77 Millionen Euro aus Steuermitteln mit knapp 800 Millionen Euro um mehr als das Zehnfache teurer geworden war und über sechs Jahre länger gedauert hatte als vorgesehen – das wollten die Fans von »Elphi« nicht so gerne hören.
2001 hatten der Projektentwickler Alexander Géraud und die Kunsthistorikerin Jana Marko dem damaligen Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ihre Idee vorgestellt, auf den ehemaligen »Kaispeicher A« ein Konzerthaus zu setzen. Der frühere Speicher galt als »bedeutendes Beispiel der Architektur der Nachkriegsmoderne in Hamburg«, wie es auf Wikipedia heißt. Von Beust erklärte 2004 die Elbphilharmonie zur Chefsache. Das geplante »Flaggschiff« der neuen »Hafencity« sollte Hamburg als Standort international einen guten Ruf verschaffen und eines der »zehn besten Konzerthäuser der Welt« werden, wie die damalige parteilose Kultursenatorin Karin von Welck sagte.
Am 28. Februar 2007 wurde der Bau von der Hamburger Bürgerschaft beschlossen. Obwohl die CDU mit ihrer damaligen absoluten Mehrheit nicht darauf angewiesen war, stimmten auch die Grünen zu. Nur die SPD äußerte Bedenken, in Zeiten erheblicher Haushaltskürzungen viel Geld für ein solches Prestigeprojekt auszugeben. Doch nachdem der damalige SPD-Landesvorsitzende Mathias Petersen von Altbundeskanzler Helmut Schmidt gemaßregelt worden war, der den Bau »als Impulsgeber für das Musikleben und als neues Wahrzeichen« – da war es wieder, das W-Wort – bezeichnete, gab auch die SPD ihre Ablehnung auf.
Eine städtische Realisierungsgesellschaft erstellte eine Machbarkeitsstudie, nach der das Vorhaben 186,7 Millionen Euro kosten würde. Neben drei Konzertsälen und Backstagebereichen sollte es das Luxushotel The Westin mit 244 Zimmern und Suiten von der neunten bis zur 20. Etage, drei Gastronomiebereiche, 44 Eigentumswohnungen, eine öffentlich zugängliche Plaza auf 37 Metern Höhe und ein Parkhaus mit 520 Stellplätzen umfassen. Maximal 77 Millionen, so behauptete der Senat 2007, müssten aus Steuermitteln bezahlt werden. Der Investor sollte nicht nur knapp 70 Millionen Euro für die Mantelbebauung ausgeben, sondern sich auch an den Kosten für die Plaza, Aufzüge und Rolltreppen sowie den Umbau des Speichers beteiligen. Außerdem seien schon 40 Millionen Euro durch Spenden aufgebracht worden, hieß es damals.
Doch die Kosten, die die Stadt für den Bau aufbringen musste, stiegen unaufhörlich, während sich die Fertigstellung immer weiter verzögerte: Das erste Konzert soll nun im Januar 2017 stattfinden. Über die endgültigen Kosten herrscht immer noch Unklarheit. Das Handelsblatt berichtete vergangene Woche von einer Summe in Höhe von 866 Millionen Euro. Darin seien aber noch nicht einmal alle Kosten enthalten. Die Ursache für die stete Vergrößerung der Kosten lag vor allem in der Auftragsvergabe: Bevor das Architekturbüro Herzog & de Meuron die Pläne für die Elbphilharmonie fertiggestellt hatte, schrieb Hamburg bereits den Bauauftrag aus. 2010 wurde auf Antrag der SPD ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Vorsitzender Peter Tschen­tscher (SPD) sagte 2011 der Taz, man habe »etliche Faktoren ermittelt, die zur Kostensteigerung auf derzeit 323 Millionen beitrugen«. Die Auftragsvergabe sei so früh erfolgt, dass selbst die Architekten Herzog & de Meuron als Generalplaner vor hohen Kostenrisiken gewarnt hätten. Aus politischen Gründen, nämlich um das Prestigeprojekt möglichst schnell zu verwirklichen, sei übereilt gehandelt worden. Das Bauunternehmen Hochtief, so Tschentscher, habe einen günstigen Festpreis angegeben, dann aber »auf Verträge gedrungen, die alle Risiken bei der Stadt lassen«. Diese Verträge ermöglichten es, immer weitere Nachforderungen zu stellen. 2011 reichte die Stadt Feststellungsklage beim Landgericht Hamburg gegen Hochtief ein, um die Erbringung von Bauleistungen zu erzwingen. Die Stadt hatte aber vertragsrechtlich keine Möglichkeit, die Zahlung der Mehrkosten zu verweigern. Auch ein zweiter parlamentarischer Untersuchungsausschuss stellte 2014 fest, dass der Bau viel zu früh ausgeschrieben worden war.
Als die Stadt nicht noch mehr zahlen wollte, gab es eine anderthalbjährige Unterbrechung der Bauarbeiten. Diese endete erst, als Hamburg 2013 weitere 195 Millionen Euro an Hochtief zahlte. 2013 handelten der Bürgermeister, mittlerweile Olaf Scholz (SPD), und der Vorstandsvorsitzende von Hochtief, Marcelino Fernández, persönlich und nichtöffentlich an den zuständigen Gremien vorbei einen »Globalpauschalfestpreis« aus, durch den sich die Kosten um weitere 195 Millionen Euro erhöhten, die Hamburg an Hochtief zahlen musste. Dafür gab das Unternehmen Garantien für alles, was noch zu bauen und zu planen war, sowie für eine externe Qualitätssicherung und die Festlegung des Übergabetermins auf Oktober 2016. Ein zweites großes Problem war auch die Struktur des »Public Private Partnership« (PPP), für die das Vorhaben 2007 sogar prämiert wurde. PPP war in der damaligen Privatisierungseuphorie eine übliche Rechtsform, um Privatkapital für die öffentliche Hand zu gewinnen. Angeblich sollte so kein Geld aus dem öffentlichen Haushalt fällig werden. Eine abstruse Vorstellung, wie der Ökonom Holger Mühlenkamp 2014 im Untersuchungsauschuss erklärte: »Die Idee, private Gelder zu akquirieren«, gehe fehl, »denn die sind ja nicht kostenlos zu haben«.
Der Bevölkerung wird »Elphi« als »Wahrzeichen« verkauft, auf das man stolz sein müsse, dabei sind die Elbphilharmonie und ihre Entstehung ein Paradebeispiel dafür, wie ein Baukonzern und andere private Investoren einen städtischen Auftraggeber um riesige Summen bringen.