Heckler & Koch und der politisch korrekte Waffenexport

Deutsche Wertarbeit

Deutschlands größter Hersteller von Handfeuerwaffen, Heckler & Koch, will seine Produkte nur noch an »zweifelsfrei demokratische« Länder verkaufen. Zweifel an der, Verwirklichung und den Motiven des Vorhabens sind angebracht.

Ermittlungen des Zollkriminalamts und des Bundeskriminalamts, Razzien im Firmensitz und den Privatwohnungen von Vorstandsmitgliedern, zahlreiche Verhandlungen und Ermittlungen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und des illegalen Exports von Waffen sowie Korruptionsvorwürfe: Der Waffenhersteller Heckler & Koch gehört zu den umstrittensten Unternehmen in Deutschland. Hervorgegangen aus den nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelösten Mauser-Werken zählt die Firma derzeit zu den größten Produzenten sogenannter Kleinwaffen. Verkaufsschlager der Firma sind die Sturmgewehre G3 und G36. Das etwa sieben Millionen Mal produzierte G3 gilt nach der ­Kalaschnikow AK-47 als die am weitesten verbreitete Waffe. Das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von fast 200 Millionen Euro im Jahr beliefert mindestens 92 Staaten. Ob Mafia, ­Miliz oder Militär – alle rüsten gerne ihre Fußtruppen mit den Produkten made in Germany aus. Mexikanische ­Polizeibehörden nutzen sie zum Vorgehen gegen indigene Proteste, türkische Soldaten zum Einsatz gegen die kurdische Bevölkerung, und in Syrien kämpfen Regierungstruppen, kurdische Milizen und die jihadistische al-Nusra-Front ebenso mit Waffen aus dem Hause Heckler & Koch wie der »Islamische Staat«.
Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel«, bezeichnet den Konzern aus dem schwäbischen Oberndorf gemessen an den Opferzahlen als das »todbringendste Unternehmen Deutschlands«. Nach Berechnungen Grässlins, der sich seit mehr als 30 Jahren gegen Heckler & Koch engagiert, sind bis heute mehr als zwei Millionen Menschen durch Kugeln aus Heckler & Koch-Waffen ums Leben gekommen. Durchschnittlich alle 13 Minuten stirbt ein Mensch durch Waffen des deutschen Rüstungskonzerns.
Nun kündigte ein Manager, dessen Name nicht genannt wurde, eine Änderung der Exportstrategie des Unternehmens an. »Wir wollen nur noch solide Länder beliefern, also zweifelsfrei demokratisch, eindeutig nicht korrupt und in der Nato oder Nato-nah«, so der Manager im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA. Die Türkei, obwohl in der Nato, werde ebenfalls von der Kundenliste gestrichen, heißt es in dem Bericht. Der Tagesschau sagte ein Sprecher von Heckler & Koch, dass man sich wegen der ­»restriktiven Genehmigungspraxis der Bundesregierung und unserer eigenen Compliance-Richtlinien« auf »Nato-Mitgliedsstaaten und assoziierte Staaten wie Japan, Australien, Neuseeland sowie die Schweiz« konzentrieren werde.
Zeigt die neue Unternehmensstrategie also tatsächlich von ­einer von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seit Jahren angekündigten größeren Zurückhaltung beim Waffenexport? ­Betrachtet man den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2015 und den ­kürzlich vorgelegten Bericht für das erste Halbjahr 2016, kann davon keine Rede sein. Die Bundesrepublik war auch 2015 der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Die Ausfuhrgenehmigungen verdoppelten sich sogar fast im Vergleich zum Vorjahr mit einem Wert von 12,82 Milliarden Euro. Rund 86 Prozent davon entfielen auf sogenannte Drittländer, also an Staaten, die nicht der Nato oder der EU angehören. Deutschland bleibt zudem weiterhin der größte Produzent von Kleinwaffen. Zwar ging deren Ausfuhr im ersten Halbjahr 2016 leicht zurück, dafür hat sich der Export von Munition mehr als verzehnfacht.
Dass eine restriktivere Genehmigungspraxis der Bundesregierung kaum der Anlass für die scheinbare Neuausrichtung des schwäbischen Waffenherstellers sein dürfte, zeigt auch die Genehmigungsliste für Rüstungsexporte des Bundessicherheitsrates, der in der letzten Novemberwoche geheim tagte. Zu den genehmigten Lieferungen gehörten auch diverse von Heckler & Koch, darunter 450 vollautomatische Ge­wehre, 50 Maschinengewehre, 100 Maschinenpistolen und 500 000 Patronen für Indonesien, außerdem 300 Gewehre, 50 Maschinengewehre und 300 Maschinenpistolen für Malaysia sowie 400 vollautomatische Gewehre für Südkorea.
Alle drei Staaten lassen sich kaum als »solide Länder« bezeichnen. Südkoreas Dauerkonflikt mit Nordkorea könnte jederzeit zu einem Krieg eskalieren. In Malaysia wird, so Amnesty International, »tagtäglich gegen mehrere Menschenrechte verstoßen«. Die Regierung geht nicht nur mit Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gegen Oppositionelle vor, sondern sie lässt auch foltern. Und in Indonesien unterdrücken Sicherheitskräfte mit Gewalt und Folter religiöse Minderheiten und Oppositionelle.
Die Gründe für den öffentlichkeitswirksamen Kurswechsel liegen weniger in der Genehmigungspolitik der ­Bundesregierung als vielmehr in den gutgefüllten Auftragsbüchern des ­Konzerns. Die Terroranschläge in Belgien und Frankreich nutzen viele Militär- und Polizeibehörden in ganz Europa zur Aufrüstung. In Baden-Württemberg soll künftig in jedem Streifenwagen eine Maschinenpistole zur Verfügung stehen. Die Landesregierung bestellte 3 000 neue Waffen. Tausende neue Waffen von Heckler & Koch bekommt die Polizei auch in Niedersachsen, Brandenburg, Bremen und Hamburg. Hinzu kommt ein Großauftrag aus Litauen. Für eine Neuausstattung des französischen Heeres, der Luftwaffe und der Marine liefert Heckler & Koch 102 000 neue Sturmgewehre und mehr als 10 000 Granatwerfer inklusive Zubehör, Mu­nition, Ersatzteile und Servicedienstleistungen mit einer Laufzeit von 15 Jahren.
Die Bundeswehr sucht ebenfalls ein neues Sturmgewehr, das das bisherige Standardmodell G36 ablösen soll. Der bisherige Lieferant Heckler & Koch hat gute Chancen, erneut den Zuschlag zu erhalten.
Sich angesichts dieser Auftragsflut von imageschädigenden Geschäftspartnern zu trennen, dürfte dem Unternehmen nicht allzu schwerfallen. ­Dabei müssen diese jedoch auch in Zukunft nicht auf deutsche Wertarbeit verzichten. Zum einen betrifft die neue Exportstrategie ausschließlich Neuaufträge. Bereits eingegangene Verpflichtungen will das Unternehmen weiter erfüllen. Zum anderen haben bisherige Großabnehmer des Rüstungskonzerns in den vergangenen Jahren Lizenzen zum Nachbau von Heckler & Koch-Produkten erworben und fertigen ihre Waffen selbst. Sowohl Mexiko als auch die Türkei sind dank Lizenzvergaben noch für Jahrzehnte mit Sturmgewehren versorgt, Saudi-Arabien produziert seit 2008 das G36 in seinen eigenen Werken. Natürlich mit Genehmigung der damaligen Bundesregierung.