Die Regatta Vendée Globe

Allein um die Welt

Der Vendée Globe gilt als die härteste Einhand-Segelregatta der Welt. Neben der Einsamkeit und den körperlichen Anstrengungen gilt es, auch mit zahlreichen Gefahren fertig zu werden.

Mehr als 300 000 Zuschauer kamen am 6. November 2016 ins französische Les Sables-d’Olonne zum Start des Vendée Globe, der berühmte Einhand-Segelregatta, die einmal um die Welt führt. Der kleine Ort an der bretonischen Atlantikküste ist die Hochburg der Einhandsegler, deren Rennen und Langstreckenregatten in Frankreich sehr beliebt sind. Unter den 29 Teilnehmern befanden sich entsprechend 20 Franzosen, mit Armel Le Cléac’h auch der diesjährige Sieger. Der 39jährige erreichte in der vorigen Woche als Erster den Ausgangsort und wurde von mehreren Tausend Zuschauern euphorisch empfangen. Der Bretone gewann das Rennen knapp vor dem Engländer Alex Thomson – nach über 74 Tagen und mehr als 24 000 gesegelten Seemeilen (das entspricht mehr als 44 000 Kilometern) lassen sich seine 16 Stunden Vorsprung fast mit einem Foto-Finish anderer Sportarten vergleichen.
Für Le Cléac’h war es die dritte Teilnahme am wichtigsten Einhand-Segelrennen der Welt, 2008 und 2012 hatte er jeweils den zweiten Platz belegt. In den ersten beiden Wochen lag noch Thom­son in Führung, der zunächst schneller im Wind lag. Doch zu seinem großen Unglück kam es zu einer Kollision mit einem Gegenstand im Wasser, bei der er eines seiner seit diesem Jahr erlaubten »Foils« verlor. Die gekrümmten Seitenschwerter heben das Boot bei ­bestimmten Bedingungen leicht aus dem Wasser und erhöhen damit die Geschwindigkeit. Le Cléac’h, dem über das ganze Rennen beide Foils zur Verfügung standen, war ab diesem Zeitpunkt klar im Vorteil. Obwohl Thomson immer wieder sehr nahe an den Führenden herankam und das Rennen an der Spitze lange spannend blieb, ließ sich Le Cléac’h diesen materialbedingten Vorsprung nicht mehr nehmen.
Die Route der Regatta, die nur alle vier Jahre ausgetragen wird, verläuft von Les Sables-d’Olonne durch den Nordatlantik über den Äquator durch den Südatlantik. Nach dem Kap der Guten Hoffnung umrunden die Segler den Südpol und durchqueren dabei den Indischen Ozean und den Pazifik. Ab Kap Horn geht es diesmal durch Süd- und Nordatlantik zurück zum Ausgangsort. Vorgeschriebene Ice Gates verhindern, dass die Boote zu nahe am Südpol gesegelt werden und die dortigen Eisberge ihnen gefährlich werden können. Diese »Ice Gates« sind rund 8oo Kilometer breit und müssen von den Teilnehmern durchfahren oder nördlich umsegelt werden. Je nach Position der Eisberge kann mit ihnen die Strecke von der Regattaleitung versetzt werden. 
Alle Skipper stehen das gesamte Rennen über in Kontakt mit der Rennleitung, die bei schwerem Wetter auch die Regatta unterbrechen und die Skipper in geschütztere Gebiete umleiten kann. Diese Sicherheitsvorkehrungen wurden nach dem tragischen Tod Gerry Roufs’ im Januar 1997 verschärft. Der Kanadier kenterte in einem Orkan mehrfach, nach seinem letzten Funkspruch »Das sind keine Wellen mehr, sondern Berge so hoch wie die Alpen« brach der Funkkontakt zu ihm ab. Die sofort eingeleitete Suche nach ihm blieb ­erfolglos.
Für die Skipper ist es eine große Belastung, das 18 Meter lange Boote mit seinem 29 Meter hohen Mast kontinuierlich zu trimmen und auf Höchstgeschwindigkeit zu halten. Das Wetter ist zumeist die größte Herausforderung. Der Skipper muss in Absprache mit seinem Team an Land die Wind- und Wettervorhersagen verfolgen und seine Taktik entsprechend anpassen, um die windreichste und schnellste Route zu ermitteln. Obwohl es eine kontinuierliche Satellitenverbindung zu den Booten gibt, sind die Segler über 70 Tage alleine. Sie befinden sich Tag und Nacht im Wettkampf und nur in der schwachwindigen Äquatorregion gibt es die Möglichkeit für Ruhepausen. Zudem existiert das Risiko eines Schadens am Boot, ständig muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden, so kommt zur harten körperlichen Leistung die mentale Belastung. Von den 29 gestarteten Booten waren schon bald elf Boote ausgeschieden, die Ursachen waren zumeist Mastbrüche oder Kollisionen mit einem im Meer schwimmenden Gegenstand. Alle Skipper kamen diesmal mit dem Schrecken davon – bislang, bei Redaktionsschluss hatte außer Le Cléac’h und Thomson noch niemand das Ziel erreicht.
Welche Belastung das Rennen für die Skipper bedeutet, wurde in einem Interview deutlich, das Armel Le Cléac’h kurz nach dem Zieleinlauf auf seinem Boot einem Kamerateam gab. Der wegen seiner klugen Segeltaktik und seiner Ausdauer auch als »der Schakal« bekannte Sportler brach nach den ersten Sätzen vor laufender Kamera in Tränen aus.
Auch wenn der Veranstalter SAEM Vendée die Regeln mit »One man or one woman, the world and a boat« beschreibt, wird jeder Skipper von einem Team unterstützt. Die großen Teams mit finanzstarken Sponsoren bestehen aus mehreren Dutzend Mitgliedern. Die Vorbereitung der Anwärter auf den Sieg dauert mehr als 18 Monate. Die Skipper sind Profisegler und richten ihre Karriere komplett auf die Teilnahme am Vendée Globe aus. Weitere Regatten dienen fast nur als Trainingsfahrten und Materialtests.
Um den Wettkampf einem größeren Publikum überhaupt vermitteln zu können, sind die Skipper verpflichtet, dem Vendée Globe Web TV und somit der Öffentlichkeit und den Sponsoren zur Verfügung zu stehen. Die Skipper dürfen während des Rennens ihr Satellitentelefon nicht ausschalten. Zudem sind sie vertraglich angehalten, Filme und Fotos zu schicken. Während einige Skipper eher selten zu sehen oder zu hören waren und dann oft nur verhalten über ihren Zustand berichteten, haben andere freimütig ihre Einsamkeit und Verletzbarkeit beschrieben. Besonders zu Weihnachten sind dabei ergreifende Filme und Fotos entstanden.
Ein Höhepunkt war ein Livestream mit dem Iren Enda O’Coineen. Im Studio in Frankreich las die irische Botschafterin dem Sportler ein Gedicht vor. In der Sendung berichtete er dann, dass er sich seine Einsamkeit mit dem Spielen seiner mit an Bord gebrachten Trompete vertreibe. Unterhaltungswert hatten auch die Fotos und Filme des japanischen Skippers Kojiro Shiraishi, der aus allen Fischen und Meerestieren, die sich auf sein Boot verirrten, Sushi zubereitete. Beide Skipper sind vor­zeitig mit einem Bootsschaden ausgeschieden.
Auch wenn im Vendée Globe 2016/2017 keine Frau an den Start gegangen ist, hat eine Frau das ­Rennen international über die Grenzen Frankreichs bekannt gemacht. ­Ellen McArthur segelte 2001 auf den zweiten Platz. Sie lag lange Zeit in Führung, durch eine Kollision mit einem schwimmenden Gegenstand fiel sie in der Schlusswoche zurück. Anschließend wurde sie zum Segelstar, ihr Rennen wurde in der sehenswerten Dokumentation »Taking on the World – the Official Story« verfilmt.