Trumps Wirtschaftskrieg gegen Mexiko

»El Chapo« macht den Anfang

Die von Trump angekündigte protektionistische Politik könnte die mexikanische Wirtschaft ruinieren.

Die Worte des mexikanischen Präsidenten klangen entschlossen. »Natürlich zahlt Mexiko die Mauer nicht«, sagte Enrique Peña Nieto. Natürlich nicht. Warum sollte ein souveräner Staat ein Bauwerk finanzieren, das ­einzig der protektionistischen und rassistischen Gedankenwelt eines Staatschefs des Nachbarlandes entsprungen ist? Wer sollte Mexiko dazu zwingen? Welches internationale Gericht würde den neuen US-Präsidenten Donald Trump dazu legitimieren, das Geld einzutreiben?
Klingt logisch, aber so einfach ist die Sache leider nicht. Indirekt hat Trump der mexikanischen Regierung für den Fall, dass sie nicht kooperiert, den Wirtschaftskrieg erklärt. Zahlen sollen nun möglicherweise Migrantinnen und Migranten, die regelmäßig Geld in ihre alte Heimat schicken, um dort ihre Familien zu ernähren. Sollte der US-Präsident diese sogenannten remesas für die Finanzierung der Mauer mit hohen Steuern belegen, würde das der verarmten Bevölkerung in der mexikanischen Provinz einen weiteren schweren Schlag versetzen und das organisierte Verbrechen noch weiter stärken. Schließlich leben viele Dörfer nur von diesen Geldsendungen und kriminellen Geschäften. Die Zahlungen aus den USA sind der drittgrößte Devisenbringer. Zudem kann Trump mit jedem Strafzoll, sei es für Autos, Textilien oder landwirtschaftliche Produkte, den Druck auf die Regierung erhöhen. Denn 80 Prozent der exportierten Waren gehen an den nördlichen Nachbarn.
Ein mexikanisches Sprichwort lautet: »Wenn die USA erkältet sind, bekommt Mexiko eine Lungenentzündung.« Das trifft auch jetzt zu. Natürlich wird ein Teil der US-Wirtschaft unter Trumps protektionistischem Kurs leiden, unter Strafzöllen für mexikanische Zulieferer ebenso wie unter dem Versuch, mit einer Mauer billige Erntearbeiterinnen von den Feldern Kaliforniens fernzuhalten. Dennoch sind die Abhängigkeiten eindeutig gewichtet: Für Mexiko sind die remesas existentiell, rassistische Hetze gegen legal in den USA ­lebende und illegalisierte chicanos schlägt spürbar auf den Devisenhaushalt. Ähnlich sieht es bei den Exporten aus. Die wirtschaftliche Modernisierung des Landes baut auf die durch den Nordamerikanischen Freihandelsvertrag (Nafta) erleichterte Warenausfuhr in den Norden. Ein Ende des Abkommens könnte Mexikos Wirtschaft ruinieren.
Das alles ist auch Peña Nieto bewusst. Seine forsch anmutende Weigerung, für die Mauer zu zahlen, ist also nichts als ein folgenloses Aufbäumen. De facto gibt er sich alle Mühe, eine Konfrontation zu vermeiden. Anstatt sich zu weigern, Nafta in Trumps Sinne nachzuverhandeln, hat er sich schon zu Gesprächen bereit erklärt. Und anstatt sich gegen die Ausweisung von Migranten zu stellen, will er ihnen bei der Rückkehr helfen. Das deutlichste Signal kam just am Tag vor Trumps Amtsantritt: Er ließ den Mafiaboss Joaquín »El Chapo« Guzmán in die USA ausliefern. Mit Luis Videgaray Caso berief er zudem Anfang Januar genau den Mann zum Außenminister, der noch als Finanzminister einen Mexiko-Besuch Trumps während dessen Wahlkampfs organisierte und den US-Kandidaten damit unterstützte. Für Peña Nieto geriet die Visite zum PR-Desaster: Kaum in die USA zurückgekehrt, hetzte Trump wieder gegen mexikanische Migranten.
Mit seiner vorauseilenden Unterwürfigkeit hat sich Peña Nieto in eine Position der Schwäche katapultiert. Wollte er die Interessen der mexikanischen Bevölkerung vertreten, müsste er in die Offensive gehen und beispielsweise eine radikale Umkehr der USA in der Drogen- und Waffenpolitik fordern. Schließlich ist der Konsum von Heroin, Fentanyl und Amphetaminen in den USA mitverantwortlich für die gewalttätigen Verhältnisse in Mexiko, die auch der Wirtschaft zusetzen. Sollte Trump seine Mauer bauen, wird das vor allem die organisierte Kriminalität stärken, denn wo mehr abgeschottet wird, lässt sich mit illegalen Migrationsrouten und Drogenschmuggel mehr Geld verdienen. Nicht zu erwarten ist dagegen, dass der neue US-Präsident gegen seine eigene Klientel zu Felde zieht. Die Pistolen und Gewehre, mit denen im mexikanischen Krieg geschossen wird, werden weiterhin auf die andere Seite des Rio Grande gelangen. Ganz ohne Strafzölle und Steuern.