Suhail Ahmad im Porträt

Verschwindende Kritik

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Verglichen mit den anderen hatte er vielleicht sogar Glück, immerhin tauchte er wieder auf – wenn auch schwer verletzt. Suhail Ahmad, ein Student der Universität des Punjab im pakistanischen Lahore, soll am Montagabend voriger Woche aus seinem Hostelzimmer entführt und stundenlang von über einem Dutzend Personen gefoltert worden sein. Die Universitätsleitung hat eine Untersuchung des Falls eingeleitet. Zunächst hieß es, Mitglieder von Islami Jamiat-e-Talaba (IJT), dem studentischen Flügel der islamistischen Bewegung Jamaat-e-Islami, seien für die Tat verantwortlich. Der Zeitung The Express Tribune sagte Suhail Ahmad jedoch, es seien nicht Mitglieder der IJT gewesen, die ihn folterten. Vielleicht hat er sich es aber auch lieber anders überlegt.
Anlass für den brutalen Überfall sollen Tweets Ahmads gewesen sein, in denen der Student seine Solidarität mit mehreren Bloggern und Menschenrechtlern ausdrückte, die seit Anfang Januar vermisst werden: Der Blogger Asim Saeed wurde am 4. Januar in Lahore von vier Männern aus seinem Haus verschleppt, so sein Vater gegenüber der Polizei. Mit seinem Kollegen Ahmad Waqas Goraya, der am selben Tag in Lahore verschwand, unterhielt Saeed eine Facebook-Seite, auf der die mächtige pakistanische Armee kritisiert wird. Der Universitätsprofessor und Autor Salman Haider hatte unter anderem das brutale Vorgehen der Armee und gewaltsames Verschwindenlassen in der Provinz Belutschistan angeprangert, er wurde zuletzt am 6. Januar in Islamabad gesehen. Am 7. Januar verschwand der Blogger Ahmad Raza Naseer im Distrikt Sheikhupura. Auch Samar Abbas, der die Civil Progressive Alliance Pakistan leitet, eine Initiative gegen Extremismus, soll am 7. Januar als vermisst gemeldet worden sein.
Viele vermuten einen Zusammenhang zwischen den Fällen. In mehreren Städten Pakistans demonstrierten seit dem 10. Januar Hunderte Menschen für Solidarität mit den Verschwundenen und die Aufklärung der Fälle, aufgerufen dazu wurde unter anderem unter dem Hashtag #recoverallactivists. Der Regierung wird vorgeworfen, in deren Verschwinden involviert zu sein, mit dem Ziel, ihre Gegner zum Schweigen zu bringen. Einige sakuläre, armee- und regierungs­kritische Nutzer sozialer Medien sollen bereits aus Angst ihre Konten deaktiviert haben. Die verschwundenen Regierungskritiker sind innerhalb der pakistanischen Gesellschaft aber auch umstritten, viele wünschen ihnen den Tod. Die Lage ähnelt der in Bangladesh, wo immer wieder Blogger Opfer brutaler Morde durch Islamisten werden und so sakuläre und kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden. In Pakistan hat sich allerdings noch keine islamistische Gruppe zu den mutmaßlichen Entführungen bekannt, vielmehr stehen die Armee und der Geheimdienst unter Verdacht, die für Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind.