In Dresden findet wieder das jährliche deutsche Gedenken statt, die Neonazis laufen sich warm

Morddrohungen wegen Trivialitäten

In Dresden ist die Stimmung vor dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt am 13. Februar aufgezeizt. Der Oberbürgermeister steht unter Polizeischutz. Neonazis und Rechtspopulisten blasen zum Marsch.

»Volksverräter«, »Schande für Deutschland«, »antideutsch« und »verabscheuenswürdig« waren noch einige der netteren Bezeichnungen, die der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) vergangenes Wochenende in den sozialen Medien erhielt. Einige riefen dazu auf, ihm »den Schädel zu spalten« oder »den Dreckskerl zu lynchen«. Den Zorn hatte Hilbert mit diesem Satz entfacht: »Dresden war alles andere als eine unschuldige Stadt.« Das sagte er dem Lokalblatt Sächsische Zeitung, als er zur Teilnahme an der Menschenkette zum 13. Februar aufrief. Polizeisprecher Marko Laske sagte der Jungle World: »Aktuell sieht die Dresdner Polizei keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Herrn Hilbert, gleichwohl sind Aktionen, insbesondere vor seiner Wohnung, nicht auszuschließen.«
Kim Elser von der Undogmatischen Radikalen Antifa Dresden (URA) zufolge waren solche Reaktionen zu erwarten. Hilbert habe am »Kern des für viele hier identitätsstiftenden kollektiven Selbstbetrugs gekratzt«, sagte sie der Jungle World. Eine unabhängige Historikerkommission, der jährliche Mahngang auf den Spuren der Täter und wissenschaftliche Auseinandersetzungen konnten den Diskurs über die Bombardierung Dresdens in den vergangenen Jahren ausdifferenzieren. »Dass eine solch triviale Aussage in Dresden zu Morddrohungen führt, zeigt, wie verroht Teile der hiesigen Gesellschaft sind«, so Elser. Für die URA begründet diese Tatsache die Notwendigkeit, das Dresdner Gedenken weiter zu kritisieren und zu überwinden.
Für Joachim Klose, Moderator der städtischen »AG 13. Februar«, sind die Ausbrüche in den sozialen Medien der »Ausdruck eines Tiefpunktes unserer Demokratie und zeugen von einer Verrohung der Sprache und des gesellschaftlichen Umgangs«, wie er der Jungle World sagte. »Alle Demokraten sind aufgerufen, sich dem zu widersetzen.« Mit Ausnahme der AfD, die am 14. Februar eine eigene Gedenkveranstaltung plant, brachten alle Fraktionen des Dresdner Stadtrats ihre Solidarität mit dem Oberbürgermeister zum Ausdruck. Hilbert selbst meldete sich mit einer Stellungnahme auf seinem Facebook-Profil zu Wort und betonte: »Es gibt für mich keinen Grund, irgendeine meiner Aussagen im Nachhinein in Zweifel zu ziehen.«
Eine der ersten Verunglimpfungen Hilberts fand sich im neonazistischen National Journal. Abgebildet war ein Foto des Oberbürgermeisters mit der Bildunterschrift: »Dirk Hilbert, Beispiel menschlichen Abschaums«. Hinter der Onlinepublikation steckt der Neonazi Gerhard Ittner. Der hatte seit 2015 zu Demonstrationen am 13. Februar in Dresden aufgerufen, war aber selbst nie erschienen – unter anderem, weil er wegen Leugnung des Holocaust in Haft saß. In diesem Jahr wirbt Ittner für Samstag, also den 11. Februar, für einen »Treuemarsch zum Gedenken an den Bombenholocaust«. In der regionalen Neonaziszene wird der Aufzug Ittners jedoch kritisch gesehen. Lokale Szenegrößen wittern Konkurrenz und beschweren sich öffentlich, dass Ittner den Tag für sich instrumentalisiere.

Da der 13. Februar in diesem Jahr auf einen Montag fällt, ist es nicht verwunderlich, dass Pegida ebenfalls im Gedenkzirkus mitmischen will.

Ein eigener Aufzug der sächsischen Neonazis um den langjährigen Kader Maik Müller ist, nach Stand vom Dienstag, für Samstag, den 18. Februar, in der Dresdner Innenstadt angekündigt. In den vergangenen Jahren hatten derartige Ankündigungen jdeoch nicht immer Bestand. Um Blockaden zu umgehen, wurden kurzfristige Anmeldungen von der ­lokalen Neonaziszene bevorzugt. Für eine Demonstration am 18. Februar spricht jedoch, dass für den Abend bereits seit längerer Zeit ein Rechtsrockkonzert in Sachsen angekündigt ist. Das ließe sich mit einem Aufmarsch verknüpfen.
Da der 13. Februar in diesem Jahr auf einen Montag fällt, ist es nicht verwunderlich, dass Pegida ebenfalls im Gedenkzirkus mitmischen will. Lutz Bachmann zitierte auf seiner Facebook-Seite die geschichtsrevisionistischen Ausführungen des Holocaust-Leugners David Irving zu den alliierten Luftangriffen auf Dresden 1945. Am Montag vergangener Woche versuchten Dutzende Pegida-Teilnehmer zu einer Installation des syrischen Künstlers Manaf Halbouni zu gelangen, die auf dem Dresdner Neumarkt aufgestellt worden war. Die Polizei hatte Mühe, die wütende Menge daran zu hindern, einen Bauzaun am Rande des Kunstwerks umzureißen. Mit der Installation will die Stadt anlässlich des 13. Februar den Krieg in Syrien thematisieren und an die Zerstörung Aleppos erinnern. Neonazis und Rechtspopulisten sehen ­darin einen Missbrauch des deutschen Opfergedenkens.
Einige Antifaschisten kritisieren die Installation dagegen, weil sie eine »erneute ­Relativierung der Gründe und Folgen der deutschen Barbarei« darstelle. Dresden habe es 1945 weder zufällig noch willkürlich getroffen.
Das Bündnis »Dresden nazifrei« ­sowie die Gruppen »Nope« und URA stellen sich für den diesjährigen Jahrestag auf unterschiedliche Szenarien ein. Das Ziel ist es, jeden der möglichen Naziaufmärsche zu blockieren.