Mexiko bereitet sich auf einen ­möglichen Handelskrieg mit den USA vor

Tendenz zum Handelskrieg

In Mexiko werden Kampagnen gegen den Kauf von US-Produkten geführt, die Stimmen für eine Neuverhandlung der Nafta-Verträge mehren sich. Das stärkt die Position des angeschlagenen Präsidenten Enrique Peña Nieto.

Zehntausende Mexikaner haben am Wochenende gegen die US-Regierung unter Präsident Donald Trump demonstriert – nicht nur in Mexiko-Stadt, sondern auch in der Industriemetro­polen Guadalajara und Puebla sowie in der Grenzstadt Tijuana. »Brücken bauen statt Mauern« lautete eine der zentralen Parolen, »Mexiko respektiert man, Herr Trump« war auf einem ­großen Transparent an der Spitze des Demonstrationszugs in Mexiko-Stadt zu lesen.
Dort läuft seit Ende Januar auch die Kampagne »Kauft nichts von Gringos«, die vor allem in den sozialen Netz­werken große Resonanz findet. Coca Cola, zahlreiche Fast-Food-Anbieter sowie Starbucks werden dort immer wieder genannt und die nationalistische Stimmung, die derzeit in Mexiko herrscht, könnte auch Präsident Enrique Peña Nieto aus seinen niedrigen Umfragewerten helfen. Tatsächlich habe er viel zur Schwäche des mexikanischen Peso sowie zur schlechten wirtschaftlichen Situation des Landes bei­getragen und auch Donald Trump den Weg in das Oval Office mit seiner Ein­ladung nach Mexiko geebnet, kritisiert die linke Arbeiterpartei (Partido Obrero) auf ihrer Homepage. Peña Nieto sei schließlich für eine neoliberale Politik verantwortlich, die verantwortlich Grundzüge trage, sich gegen die Interessen von Belegschaften in der Erdöl­industrie wie im Bildungssektor richte und die mexikanische Wirtschaft nicht gestärkt, sondern geschwächt habe. Der Wertverlust des Peso sei dafür ein Indikator.
Der sorgt dafür, dass die Exporte ­Mexikos ins Ausland sich verbilligen und Importe teurer werden. Das hat Folgen für die Versorgung der Mexikaner, denn zum einen steigen die Lebenshaltungskosten, weil viele Grundnahrungsmittel importiert werden, zum anderen steigen die Produktionskosten der Industrien, die Rohmate­rialien importieren und in Mexiko weiterverarbeiten wie der Reifensektor. Der wächst seit Jahren in Mexiko, weil die Autozulieferer genauso wie die Autoproduzenten das Land als Drehscheibe für den Markt in Amerika, aber auch für den Export nach Übersee nutzen haben. Eine Fülle von Freihandelsabkommen macht es Konzernen möglich, die niedrigeren Lohnkosten zu nutzen. So bauen sowohl Goodyear als auch Michelin in Mexiko neue Reifenwerke, obwohl Goodyear, dessen Werk in San Luis Potosí schon in diesem Jahr die Produktion aufnehmen soll, ein US-Unternehmen ist. Dort achtet man darauf, unterhalb des Radars von US-Präsident Donald Trump zu bleiben, um nicht sanktioniert zu werden, weil man Arbeitsplätze von den USA nach Mexiko verlagert.
»Bloß nicht auffallen, lautet die Parole bei den Autozulieferern in den USA«, so Jesús Nuño Torres, Manager des Reifenwerks in El Salto, nahe der Indus­triemetropole Guadalajara. Dort wird in Kooperation mit dem US-Reifenkonzern Cooper produziert. Die Verteuerung des US-Dollar hat dazu geführt, dass in den kommenden Monaten die Preise steigen werden. »Jeweils um fünf Prozent werden wir unsere Preise in den kommenden drei Monaten anheben. 85 Prozent der Rohstoffe wie Kautschuk beziehen wir auf US-Dollar-Basis aus Asien, Europa und den USA. Da bleibt uns nichts anderes übrig«, sagt der 56jährige. Das geht anderen Autozulieferern in Mexiko ebenso. Steigende Rohstoffpreise werden sie wohl genauso wie die von der US-Regierung angekündigten Strafzölle für mexikanische Produkte den Abnehmern berechnen. »Das ist ein Bumerang, der am Ende den US-Verbraucher treffen wird«, so Jesús Nuño Torres.

»Bloß nicht auffallen, lautet die Parole bei den Autozulieferern in den USA«, so Jesús Nuño Torres, Manager des Reifenwerks in El Salto.

Das wissen auch US-Senatoren wie Lindsey Graham. Der Republikaner warnt vor einem Handelskrieg zwischen Mexiko und den USA: »Jeder politische Vorschlag, der die Kosten von Corona, Tequila oder Margaritas erhöht, ist eine mordsmäßig schlechte Idee.« Als wahrscheinlich gilt, dass Mexiko angesichts der derzeitigen politischen Situation ebenfalls höhere Zölle erheben würde, und das könnte Güter wie Mais, Schweinefleisch und Fruktose treffen, die en gros in den USA geordert werden. Bei diesen Produkten ist Mexiko der Hauptabnehmer und pikanterweise stammen diese Produkte aus Bundesstaaten, in denen Donald Trump besonders gut abschnitt.
Allerdings ist es alles andere als einfach, Zölle durchzusetzen, denn sowohl im Nafta-Freihandelsvertrag zwischen den USA, Mexiko und Kanada wie auch im Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) gibt es dazu klare Vorgaben. Donald Trump wird auf Hindernisse stoßen, will er seine protek­tionistische Handelspolitik wirklich durchsetzen.
Der US-Präsident hat auch angekündigt, das Nafta-Vertragswerk neu zu verhandeln. Dessen Regeln sind Trump zufolge schädlich für die USA. Doch hätte jede Störung der wirtschaftlichen Beziehungen negative Folgen. Fünf Millionen Jobs hängen in den USA direkt am Handel mit Mexiko, verrät eine Studie des Mexico Institute des Wilson Center. In »Growing Together: Economic Ties between United States and Mexico« weist das Institut nach, wie eng beide Staaten ökonomisch verzahnt sind. Das ist eine Folge der Direkt­investitionen zwischen beiden Staaten, die zwischen 1993 und 2005 stetig gestiegen sind und nun auf 108 Milliarden US-Dollar taxiert werden. Dabei entfällt zwar das Gros auf die USA, allerdings wachsen die Direkt­investitionen von mexikanischen Unternehmen in den USA derzeit deutlich schneller als früher. Längst sind die USA das wichtigste Ziel für Direktinvestitionen aus Mexiko, seit 2007 haben sie sich verdoppelt. Allein Großunternehmen aus dem Nahrungsmittel­sektor wie Bimbo und Gruma sowie der Mobiltelefonkonzern América Móvil von Milliardär Carlos Slim haben seit 2007 rund 123 000 neue Jobs in den USA geschaffen, so die Studie.
Mexikanische Unternehmen pro­duzieren auch in den USA, beispielsweise der Aluminiumbauteile her­stellende Konzern Nemak oder Rassini, ein Bremsanlagenhersteller. Doch das wird nur von Fachleuten wahrgenommen. Diese untersuchten bereits 2014 in einer Studie des Peterson Institute für internationale Wirtschaft die Effekte des Freihandelsvertrags zwischen den USA, Mexiko und Kanada (Nafta). Der Studie zufolge haben Importe aus Mexiko zum Verlust von 203 000 Jobs in den USA geführt, jedoch seien dort parallel dazu etwa 188 000 Jobs geschaf­fen worden – durch die gestiegene Nach­frage aus Mexiko, so die Analysten.
Deshalb gibt es auch Stimmen in Mexiko, die einer Neuverhandlung der Nafta-Verträge gut 22 Jahre nach deren Abschluss gar nicht so ablehnend gegenüberstehen. Für Aufsehen und für eine Debatte in Mexiko über die Diversifizierung des eigene Außenhandels hat beispielsweise die Rücksendung von 100 Tonnen Avocados durch die USA Anfang Februar gesorgt und. Die Nachfrage nach Avocados ist auf dem Weltmarkt sehr hoch und die Produzenten, die sich im Bundesstaat ­Michoacán konzentrieren, kommen mit der Produktion kaum hinterher. Ähnlich erfolgreich ist Mexiko bei der Produktion von Tomaten, Beeren und Obst für den großen Nachbarn.
Doch bei der Produktion von Grundnahrungsmitteln, wo deutlich weniger Arbeitnehmer im Einsatz sind, sind die US-Bauern die Gewinner, denn sie exportieren Getreide, Mais, Bohnen und Schweinefleisch en gros gen Süden. »Die US-Politik fördert systematisch die industrielle Landwirtschaft und die großen Agrarhandelshäuser«, schreibt Karen Hansen-Kuhn vom Institut für Landwirtschaft und Handelspolitik (IATP) in einer Beilage der Tageszeitung La Jornada. »Aber es wäre ein Fehler, die Chance verstreichen zu lassen, das Abkommen neu zu definieren und mehr im Kontext der Ernährungs­sicherheit, der Arbeitsrechte und des Schutzes der Kleinbauern zu tun.« Sie plädiert dafür, trotz der negativen Vorzeichen das Nafta-Abkommen zu reformieren. Ein riskantes Manöver, aber angesichts der gesellschaftlichen Debatte über die Neuausrichtung der mexikanischen Handelspolitik und des Widerstands gegen Trump vielleicht kein schlechter Zeitpunkt, so die Agrarexpertin Ana de Ita vom Ceccam, dem Institut für den Wandel auf dem mexikanischen Land.