Kajsa Ekis Ekmans Buch über Menschenhandel, Prostitution und Leihmutterschaft

»Nimm das Geld aus dem Spiel«

In ihrem Buch »Ware Frau« beschäftigt sich die schwedische Journalistin Kajsa Ekis Ekman mit Menschenhandel, Prostitution und Leihmutterschaft.

Warum arbeiten Frauen als Prostituierte? Und warum bezahlen Männer für Sex? Es war um das Jahr 2006 herum, dass die schwedische Journalistin und Autorin Kajsa Ekis Ekman sich entschied, dass es ein Buch braucht, das Prostitution aus linker und feministischer Perspektive kritisch hinterfragt.
»Einige Freundinnen von mir waren damals selbst Prostituierte«, sagt die Autorin im Gespräch mit Jungle World über ihre damalige Motiviation. »Ihre Erfahrungen passten so gar nicht in das Bild der selbstbestimmten Sexarbeiterin, die aus freien Stücken ihren Körper verkauft. Eine von ihnen kam sogar ums Leben. Und da habe ich mich gefragt: Was ist das eigentlich für eine Welt, in der das Recht der Männer, von Frauen Sex zu kaufen, sogar von Menschen, die sich als links verstehen, und manchen Feministinnen vehement verteidigt wird?«
Vier Jahre lang hat Kajsa Ekis Ekman »jedes Buch und jeden Artikel gelesen, der auf Englisch oder Schwedisch zu Prostitution veröffentlicht wurde«, und mit Prostituierten, Freiern, Bordellbetreibern und Zuhältern sowie Aktivisten gesprochen, die sich für die Rechte von Sexarbeiterinnen einsetzen. Zugleich forschte sie zu Leihmutterschaft, »weil mir bei meiner Recherche aufgefallen ist, dass es in der Verteidigung viele Parallelen zum Diskurs über Prostitution gibt«. Auch hier werde die Freiheit, den eigenen Körper zu verkaufen, gerne als emanzipatorische Errungenschaft verteidigt und die Frau und ihr Körper als etwas verstanden, das man völlig getrennt voneinander betrachten könne. Die Spaltung des eigenen Selbst, die die Prostitution und die Leihmutterschaft der Persönlichkeit abverlange, habe ihre Wurzeln historisch sowohl im Kapitalismus als auch in der Unterdrückung der Frau.
Im Jahr 2010 erschien in Schweden ihr vieldiskutiertes Buch zu Prostitution und Leihmutterschaft, wobei die Recherchen zur Prostitution den weit größeren Teil ausmachen. Die Autorin wurde zu Dutzenden Veranstaltungen eingeladen, bei denen sie ihre – durchaus kontroversen – Thesen verteidigte (Jungle World 22/2011). 2013 wurde das Buch ins Englische übersetzt, jetzt ist es unter dem Titel »Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel« auf Deutsch erschienen. Leider, so muss man gleich vorweg bemerken, als Übersetzung des schwedischen Originals, so dass viele Aktualisierungen – gerade was die Regelung der Leihmutterschaft betrifft –, die in der englischen Ausgabe enthalten waren, nun wieder verloren gegangen sind.
Doch der pointierte Stil und die entschiedene Argumentation der Autorin blieb erhalten. Das fängt bereits bei der Wortwahl an. Ekis Ekman spricht von Prostitution und ganz bewusst nicht von Sexarbeit. Denn hinter diesem Begriff stehe eine Ideologie, die bewusst oder unbewusst verschleiere, dass Prostitution kein Beruf sei wie jeder andere. Der Pro-Sexarbeit-Kampagne wirft sie vor, die Prostitution zu idealisieren, wenn sie diese grundsätzlich als eine Beziehung zwischen zwei erwachsenen, einvernehmlich handelnden Individuen behandele. Auf der Grundlage dieser Idealvorstellung werde für eine Legalisierung der Prostitution plädiert, um Betroffene besser zu schützen, eine effektivere Kontrolle der Behörden zu ermöglichen und die »schlechten Seiten der Prostitution« – Stichwort Gewalt, Ausbeutung und Menschenhandel – abzuschwächen. Nicht zuletzt hätten die Befürworter der Legalisierung wirtschaftliche Interessen im Blick: Die legale Prostitution beschere dem Staat zusätzliche Einnahmen über Steuern und Abgaben.
Das deutsche Prostitutionsgesetz von 2002 und seine Novellierung, die am 1. Juli 2017 in Kraft treten wird, sind der Auffassung, dass Sexarbeit wie eine Erwerbstätigkeit zu behandeln ist, mehr oder minder gefolgt. Anders in Schweden: Dort werden Freier mit einer Geldstrafe sanktioniert, die Prostituierte bleibt straffrei. Ekis Ekman verteidigt dieses Vorgehen: »Die Bestrafung der Freier kann man vielleicht mit einem Parkverbot vergleichen. Sie ist ein Signal. Das heißt natürlich nicht, dass jeder sich an die Gesetze hält.« Doch es sei wichtig, dass Männer in einer Gesellschaft lernten, »dass es nicht okay ist, Frauen auszubeuten und für Sex, den diese niemals freiwillig mit ihnen hätten, einfach zu bezahlen«. Auch die Zahlen sprächen dafür, dass diese Politik erfolgreich sei. So arbeiteten in Schweden deutlich weniger Frauen als Prostituierte und es gäbe vor allem viel weniger Fälle von Menschenhandel als beispielsweise im Nachbarland Dänemark, welches eine mit Deutschland vergleichbare Gesetzgebung hat. Denn dort, wo ein Bordell bereits legal sei, »kann ich ganz einfach auch ein paar Zwangsprostituierte unterbringen«, so Ekis Ekman im Gespräch.
Nun ist mittlerweile auch die deutsche Bundesregierung darauf gekommen, dass Legalisierung allein noch keine Prostituierten schützt, Gewalt verhindert oder gar den Ausstieg aus der Prostitution ermöglicht – die beschlossene Novelle setzt dem Anspruch nach genau hier an. Aber gibt es nicht auch Frauen, die diesen Job, oder wie auch immer man es nennen will, aus freien Stücken machen, etwa weil er im Vergleich zu anderen Tätigkeiten für sie eine bessere Alternative darstellt? Wer will schon den ganzen Tag beispielsweise dreckige Toiletten putzen? Ekis Ekman sieht schon in der Fragestellung das Problem, deute diese doch bereits darauf hin, dass der Prostitution kein hoher Wert beigemessen werde: »Ich sage eben nicht: Sie wurde Prostituierte, weil sie keinen Bock hatte, als Ingenieurin zu arbeiten.« Auch werde der Einzelfall zur Regel gemacht: »Sobald es eine glückliche Prostituierte gibt, verlässt viele Linke ihr Analysevermögen. Dann müssten sie sich nicht mehr mit dem Thema auseinandersetzen.« Die große Mehrheit der betroffenen Frauen sei jedoch einer hohen Gefahr von Gewalt ausgesetzt und wolle auf Dauer keine Prostituierte sein.
Ähnlich verhalte es sich bei der Leihmutterschaft. Auch hier existierten sicherlich Fälle, in denen Frauen gerne ihre Gebärmutter »verleihen« würden, etwa aus religiösen Gründen. Aber auch die glückliche Leihmutter gehe ein enormes gesundheitliches Risiko ein. All die unproblematischen Einzelfälle, so die Autorin, dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den meisten Fällen Angehörige der »globalen Oberschicht« seien, die eine nicht-weiße Frau dafür bezahlen, dass sie »ihr« Kind austrägt. Die typische Leihmutter stamme aus der Unterschicht oder der unteren Mittelschicht und sei oft nicht in der Lage, ihre eigene Familie zu ernähren.
Als staatliche Handlungsoptionen setzt Kajsa Ekis Ekman im Fall der Prostitution auf einen aktiven, ja geradezu erzieherischen Gesetzgeber wie in ihrem Heimatland. Hierüber kann man sicherlich sehr geteilter Meinung sein. Bei Leihmutterschaft plädiert sie für ein Verbot. Doch damit sei es nicht getan. Letztlich sei beides – Prostitution und Leihmutterschaft – Teil einer patriarchalen Ordnung, die es zu überwinden gelte. »Das grundlegende Problem bei jeder Form der Prostitution besteht darin, dass die Prostituierte nicht sexuell an dem Freier interessiert ist und auch keine Lust empfindet. Wenn du eine Welt willst, in der Sex wirklich freiwillig ist, nimm das Geld aus dem Spiel – und sie wird sich dir offenbaren.«

Kajsa Ekis Ekman: Ware Frau. Prostitution, Leihmutterschaft, Menschenhandel. Aus dem Schwedischen von Benedikt Grabinski. Orlanda Frauenverlag, Berlin 2016, 240 Seiten, 17,99 Euro