Die Verfeuerung von Biomasse ist nicht immer gut für die CO2-Bilanz

Auf Holz klopfen

Die EU sieht sich als Vorreiter beim Klimaschutz und setzt dazu auf »Bioenergie«, vor allem auf die Verfeuerung von Holz. Zerstört werden einfach Wälder in anderen Ländern.

Für das Deutsche Pelletinstitut ist die Sache einfach: Verbrennen von Holz sei »CO2-neutral«. Die simple Argumentation: Das Kohlendioxid (CO2), das beim Verbrennen frei wird, binden die Bäume beim Nachwachsen wieder. Nun ist das Pelletinstitut ein Tochterunternehmen des Deutschen Energieholz- und Pellet-Verbands. Von einem solchen Propagandainstrument der aufstrebenden Branche – der Pelletverbrauch in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als vervierfacht – ist nichts anderes zu erwarten als Schönfärberei. Erstaunlicher ist, dass auch die EU »Bioenergie«, also das Verbrennen von Pflanzen, umstandslos als CO2-neutral rechnet und entsprechend fördert. Mehr als 60 Prozent der »erneuerbaren Energie« in der EU kommen im Moment aus der Verbrennung von Biomasse. Um die versprochenen Klimaziele zu erreichen, setzt Europa auf einen weiteren Ausbau bis 2020. Vor allem der Markt für Holzpellets wächst, da die sich mit der vorhandenen Infrastruktur besonders einfach einsetzen lassen, auch im industriellen Maßstab. Eine profitable Strategie für Konzerne, die ihre alten Kohlekraftwerke im Namen des Klimaschutzes einfach auf Holzverfeuerung umrüsten; eine schlechte Strategie für den Klimaschutz. Es ist zwar richtig, dass bei der Verbrennung von Holz nur das CO2 in die Atmosphäre geblasen wird, das die Bäume zuvor über Photosynthese aus der Luft geholt haben. CO2-neutral ist die Holzverbrennung deshalb jedoch nur, wenn gleichzeitig Bäume unter gleichen Bedingungen nachwachsen. Wenn zum Beispiel Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern geschlagen wird und aus den Sägeabfällen Pellets für die Verbrennung gepresst werden, kann die Bilanz gut aussehen – und genau mit diesem Beispiel wirbt das Pellet­institut. Auch für diese harmlosen Holzquellen gibt es allerdings bessere Lösungen: Länger gespeichert wäre der Kohlenstoff, wenn die Sägespäne zu Pressspan verarbeitet statt verfeuert werden. Vor allem aber reichen mit dem Ausbau der Holzverfeuerung in der EU diese Holzquellen nicht mehr aus, entsprechend wächst die Einfuhr: 2014 importierte die EU acht Millionen Tonnen Holzpellets, über dreimal mehr als noch 2009. Die Pellets kommen aus Russland, Kanada und den USA, wie Duncan Brack in einer Zusammenfassung des Forschungsstands für den britischen Think Tank Chatham House unter dem Titel »The Impacts of the Demand for Woody Biomass for Power and Heat on Climate and Forests« feststellt. Verfeuert werden sie oft in ehemaligen Kohlekraftwerken wie im Kraftwerk Drax in North Yorkshire – hier wird die Hälfte aller Pelletimporte in die EU verbrannt – oder im südfranzösischen Gardenne, wo der deutsche Stromkonzern Uniper (ehemals Eon) gerade einen Kraftwerksblock von Kohle auf Biomasse umrüstet. Ein großer Teil der Importe stammt aus dem Südosten der USA. »Wälder in unserer Region werden abgeholzt, um Holzpellets für britische Kraftwerke zu liefern«, sagt David Carr von der Umweltschutzorganisation Southern Environmental Law Center der BBC. Das führt zu der absurden Situation, dass die EU sich rühmt, die erneuerbaren Energien auszubauen, aber die schlechte CO2-Bilanz sozusagen exportiert. In dem Fall in die USA, die sich unter Präsident Donald Trump künftig kaum mehr um ihren CO2-Ausstoß sorgen werden. Die vom UN-Klimarat IPCC vorgegebene Zählweise der klimaschädlichen Emissionen begünstigt das greenwashing der Pelletverfeuerung. Um Doppelzählungen zu vermeiden, werden nach der Vorgabe des UN-Gremiums Emissionen durch veränderte Landnutzung – also zum Beispiel Abholzung – im Herkunftsland gezählt. Die Haupt­herkunftsländer von Pelletimporten in die EU – USA, Kanada und Russland – erfassen aber diese Emissionen bisher gar nicht. Brack kommt in seiner Studie zu dem Schluss, dass Holzverfeuerung keinen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Eine genaue Klimabilanz zu erstellen ist kompliziert, aber die grobe Beurteilung ist klar: Lediglich die Energiegewinnung aus Abfällen bei Sägewerken und Papiermühlen, am besten direkt vor Ort, ist sinnvoll. Problematisch kann es schon sein, Totholz aus dem Wald zu verwenden, weil die verrottenden Zweige und Äste den Waldboden erhalten. Extrem schädlich ist es, wenn alte Baumbestände durch schnellwachsende Plantagen ersetzt werden. Es dauert zum Teil über 100 Jahre, bis die Bäume wieder so viel Kohlenstoff aus der Atmosphäre gezogen haben, wie bei ihrer Verbrennung frei wird. Die Zeit haben wir angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht. Ein Trost könnte sein, dass die EU ab 2020 nicht mit dem weiteren Ausbau der Energie aus Biomasse rechnet, weil Wind- und Solarenergie immer billiger werden. Mit dem Pariser Klimaabkommen kommt die Frage nach der Energie aus Biomasse aber in globalem Rahmen zurück. Das gefeierte Ziel des Abkommens, die Erderwärmung auf »deutlich unter zwei Grad« gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, hat einen Haken: Bisher ist völlig unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie kommt zu langsam voran. Energiesparen, langlebigere Produkte, Rückgang des Rindfleischkonsums oder des Flugverkehrs: Fehlanzeige. Deshalb gehen die meisten Modellrechnungen für eine Begrenzung der Erwärmung auf unter zwei Grad davon aus, dass alsbald CO2 technisch aus der Atmosphäre geholt werden muss. Bei den IPCC-Szenarien für eine Begrenzung auf 1,5 Grad gibt es keines, das ohne diese sogenannten negativen Emissionen auskommt. Für die Politik ist dies eine angenehme Option. Jetzt große Versprechen abgeben, ohne radikale Maßnahmen zu ergreifen – nach dem Motto: Den Schaden, den wir jetzt anrichten, wird künftige Technik schon wieder reparieren können. Wie und ob diese Technik funktionieren wird, ist bisher aber sehr ungewiss. Es gibt allerlei mehr oder weniger futuristische Ideen, wie Düngung der Ozeane, künstlichen alkalischen Regen oder Luftfilter, die CO2 binden sollen. Das größte Potential wird bisher BECCS (Bio-Energy with Carbon Capture and Storage) zugesprochen. Wieder geht es darum, Biomasse zu verbrennen, aber gleichzeitig aus den Abgasen das CO2 abzuscheiden und unterirdisch zu lagern. Wie gut diese CCS-Technologie funktioniert, ist bisher unklar. Ebenso wenig ist gesichert, dass das CO2 überhaupt im Boden bleibt und es genug geeignete geologische Formationen dafür gibt. Selbst wenn diese Schwierigkeiten überwunden werden, bleibt das Hauptproblem der ungeheure Platzbedarf. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts benötigt Bioenergie etwa 100 Mal mehr Platz als Solaranlagen, um die gleiche Energiemenge zu erzeugen. So müsste auf einer Fläche anderthalb bis zweimal so groß wie Indien der Rohstoff für »Bioenergie« geerntet werden, um mit BECCS in den üblichen Entwicklungsmodellen die Paris-Ziele zu erreichen. Es braucht wenig Phantasie, um sich auszumalen, dass ein solcher Plan nicht vereinbar ist mit den Ernährungsbedürfnissen einer wachsenden Weltbevölkerung. Extreme Konflikte um fruchtbares Land sind programmiert, auch wenn es vage Versprechen gibt, Energiepflanzen auf unfruchtbaren Böden anzubauen. »Das Risiko ist, dass eine großflächige Anwendung unakzeptable soziale und ökologische Folgen hat«, schreibt nüchtern das Stockholm Environment Institute in der Studie »The risks of relying on tomorrow’s ›negative emissions‹ to guide today’s mitigation action«, die die verschiedenen Möglichkeiten »negativer Emissionen« untersucht. Das Institut weist auf ein weiteres Risiko hin: Die meisten Modelle gehen davon aus, dass die Konzentration an Treibhausgasen zunächst über die angepeilten Werte steigt, bevor die Technik tatsächlich CO2 in relevanten Mengen aus der Atmosphäre holt. Es ist aber gut möglich, dass das Klimasystem darauf mit irreversiblen Änderungen reagiert. Die Wissenschaftler des Stockholmer Instituts kommen zu dem Schluss: Im Moment gibt es einfach keine Grundlage für das Vertrauen, das viele in »negative Emissionen« setzen. Die einzig vernünftige Möglichkeit sei deshalb, schnell und entschlossen das zu tun, von dem bekannt ist, dass es funktioniert: Emissionen zurückfahren und nachhaltige, kohlenstoffarme Ökonomien aufbauen. Wenn es dann in Zukunft noch die eine oder andere verträgliche Technik für »negative Emissionen« gibt, umso besser. Verlassen sollte sich niemand darauf. Am 4. November 2016 ist das gefeierte Pariser Abkommen in Kraft getreten. Die beigetretenen Staaten geloben, für eine Klimaerwärmung deutlich unter zwei Grad zu sorgen. Die Selbstverpflichtungen der Staaten reichen allerdings bisher nur für eine Begrenzung auf circa drei Grad – wenn sie denn erfüllt werden. Da wundert es nicht, dass sich auch besonnene Klimaforscher an der Hoffnung auf spekulative Techniken festhalten wie an dem berühmten Strohhalm. Apropos Stroh: Das Verbrennen von Stroh ist auch so eine Idee für »Bioenergie«.