Die Gründung des »Kommandos Cyber- und Informationsraum« der Bundeswehr

Zu Wasser, zu Lande und in der Cloud

Die Bundeswehr sucht für ihr »Kommando Cyber- und Informationsraum« junge Menschen, die sich mit Computern auskennen. Das könnte schwierig werden.
Kommentar Von

Flott und zackig mit einem Anflug von Karnevalsumzug klingt er, der »Cybermarsch«, den Sebastian Middel, Hauptfeldwebel im Musikkorps der Bundeswehr, eigens für das neu gegründete »Kommando Cyber- und Informationsraum« (CIR) komponiert hat. Ein bisschen enttäuschend ist allerdings schon, dass das Stück nicht mit C64-Pieptönen oder als Stampftechno daherkommt, sondern im gewohnten Blaskapellen-Tschingderassabum wie zu Kaisers Zeiten.

Ob der »Cybermarsch« auch bei den »Cyber Days« zum Einsatz kommt, mit denen die Truppe dieser Tage um 2 000 IT-Nachwuchskräfte für den neuen Aufgabenbereich wirbt, war nicht in Erfahrung zu bringen. Auch wenn man zur Kenntnis nimmt, dass der unter notorisch besserwisserischen Nerds verpönte Begriff »Cyber«  seine ursprüngliche Bedeutung längst verloren hat und statt für Regelkreise mittlerweile für »irgendwas mit Computern« steht, cybert es bei diesem Event dermaßen inflationär, dass es jede Schlussredakteurin zur Verzweiflung triebe – etwa bei einer Werbeveranstaltung unter dem Motto »Cyberabwehr sucht Cyberabwehrkräfte«. Schülerinnen und Schüler, die sich weder von sprachlichen Unschönheiten (»Cyber live erleben«) noch vom Arbeitgeber Bundeswehr abschrecken lassen, sollen bei der viertägigen Veranstaltung »lernen, auf welche Fähigkeiten es als IT-Soldatin oder IT-Soldat ankommt«. Zum Abschluss lockt eine LAN-Party – ob die Pokémon-Go-Jugend so etwas überhaupt noch kennt? –, womöglich mit Games von der Sorte, wie sie sonst gerne für Amokläufe verantwortlich gemacht werden.

Sollte die angestrebte Cyber-Truppenstärke irgendwann einmal erreicht sein, obwohl die freie Wirtschaft genug moralisch fragwürdige IT-Jobs mit deutlich besserer Bezahlung zu bieten hat, bleibt noch einiges zu klären. Schließlich dürfte sich das CIR-Kommando kaum darauf beschränken, Viren und Trojaner in den truppen­eigenen Netzwerken oder auch der IT-Infrastruktur des Bundes insgesamt zu bekämpfen. Wäre die Informatik-Infanterie zum Beispiel auch zuständig, wenn ein Hackerangriff flächendeckend die Energieversorgung lahmlegt – oder nur dann, wenn ein staatlicher Akteur dahintersteckt? Zumal das im Ernstfall ja meist nicht wirklich zu klären ist: Zwar werden vor allem Russland oder auch China immer wieder der staatlichen Hackerei verdächtigt, doch liegt es in der Natur der Sache, dass sich so etwas schwer beweisen lässt.

Und wenn andere sich derartiger Methoden bedienen, ist auch nicht zu erwarten, dass Deutschland sich vornehm zurückhält. »Wann darf man Hacker hacken?« fragt bezeichnenderweise die IT-Rekrutierungskampagne. Wäre so etwas ein Auslandseinsatz, der vom Bundestag beschlossen werden müsste? Zudem hätten sicherlich auch die Geheimdienste in solchen Angelegenheiten gerne etwas mitzureden. Bis derartige Fragen geklärt sind und das IT-Kommando tatsächlich einsatzbereit ist, könnte es allerdings noch etwas dauern. Die jungen Cyber-Rekruten können also noch ein paar Runden »Command & Conquer« zocken, bevor sie zu ihrem ersten Einsatz ins »Neuland« (Angela Merkel) geschickt werden.