Der Film »Alien: Covenant« von Ridley Scott

Auch Androiden können morden

In »Alien: Covenant« von Ridley Scott kehrt die Schreckenskreatur auf die Leinwand zurück, deren mörderische Erstbegegnung mit Menschen der Regisseur 1979 verfilmt hat. Doch eine andere Geschichte ist in Scotts neuem Film interessanter.

Eine Flöte. Ausgerechnet eine kleine Flöte. Raumschiffe, Außerirdische, Monster, Supercomputer, Androiden, Viren aus dem All, Wunderwaffen – all das gehört zum hinlänglich bekannten Inventar des Science-Fiction- und Horrorkinos. Dass in Regisseur Ridley Scotts neuem Film ein Android seinem Androidenbruder das Flötenspiel beibringt und bei dieser Gelegenheit einen Monolog über musikalische und anderweitige Schöpfungskraft sowie die Grenzen zwischen künstlicher und menschlicher Intelligenz hält, ist da tatsächlich originell. Die Szene ist grandios und der Höhepunkt des Films – der Flöte sei dank. Und dem Schauspieler Michael Fassbender in seiner Doppelrolle als die Androiden David und Walter.

Allerdings heißt Scotts Film nicht »Blockflötenunterricht im All«, sondern »Alien: Covenant«. Was hat der größenwahnsinnige, Flöte spielende Android mit dem Alien zu tun, dieser schrecklichsten aller schrecklichen Kreaturen des Horrorkinos, die Scott 1979 zum ersten Mal auf die Leinwand brachte? Die Antworten haben sich der Regisseur und seine Drehbuchschreiber nur mit mäßigem Erfolg zurechtgebogen. »Hier ergibt vieles keinen Sinn«, sagt die weibliche Hauptfigur, die Terraforming-Expertin Daniels (Katherine Waterston), an einer Stelle im Film. Und der Zuschauer kann nur zustimmen.

Das Spiel mit sexuellen Ängsten, mit dem Schrecken der Fortpflanzung, mit dem Ausgeliefertsein an die kaltherzige Computer-Mutter ist der Leistungsschau zur Befriedigung der Zuschauererwartungen gewichen.

Dabei ist die Handlung von »Alien: Covenant« nicht allzu komplex. Das Raumschiff Covenant ist mit 2 000 tiefschlafenden Kolonisten, 1 000 tiefgefrorenen menschlichen Embryonen und einer Flugmannschaft unterwegs, um einen neuen Planeten zu besiedeln. Nach einigen Komplikationen ändert die Crew die Reisepläne und begibt sich spontan auf einen zufällig entdeckten, ebenfalls besiedelbaren Planeten ganz in der Nähe. Dort begegnen die nichtsahnenden Raumfahrer dem Androiden David, dem letzten übriggebliebenen Mitglied der Prometheus-Mission, die zehn Jahre zuvor aufgebrochen war, die außerirdischen Schöpfer der Menschheit zu besuchen. Auf dem Heimatplaneten dieser bösartigen »Engineers«, wie die mittlerweile ausgelöschte Schöp­ferzivilisation genannt wird, hatte David zehn Jahre Zeit, um mit den biologischen Waffen der Außerirdischen zu spielen und einige todbringende Wesen hervorzubringen. Mit Mannschaftsmitgliedern der Covenant als Versuchskaninchen gelingt es ihm, ein Monster ganz ähnlich der Sorte zu erschaffen, wie es aus Scotts »Alien« von 1979 bekannt ist.

Dass dieses Geschöpf noch einmal einen Auftritt in einem Film von Scott hat, schien nicht selbstverständlich. Als der Regisseur eine Fortsetzung von »Prometheus« beziehungsweise ein weiteres Prequel zu »Alien« ankündigte, erklärte er das »unheimliche Wesen aus einer fremden Welt«, so der deutsche Untertitel von 1979, für erledigt. Nun gibt es das Monster sogar in verschiedenen Ausführungen zu sehen. Mal ist es blass wie ein Grottenolm, mal trägt es die vertraute dunkle Haut.

Überhaupt setzt Scott auf Vertrautes: Er hat eine regelrechtes Best-of-Alien inszeniert. Aus übergroßen Eiern schlüpfen – wie schon 1979 – unter Schmatz- und Glitschgeräuschen die spinnenartigen Facehugger, die den armen mensch­lichen Opfern – wie schon 1979 – per oraler Vergewaltigung den Alien-Embryo implantieren. Hat der Mensch das Vieh in seinem Inneren ausgebrütet, bahnt es sich – wie schon 1979 – den Weg durch den Brustkorb des Wirts. Auch an Bord der Covenant befindet sich – wie 1979 an Bord des Raumschiffs Nostromo – eine harte weibliche Heldin, die sich von den zuschnappenden Kiefern des Monsters nicht zu Blutmatsch machen lässt. Der Bordcomputer der Covenant heißt – wie schon 1979 auf der Nostromo – »Muthur«, also Mutter. Selbst das musikalische Leitmotiv aus »Alien« wird im Soundtrack zitiert. Scott hat also an fast alles gedacht.

Vergessen hat er hingegen einen seiner wichtigsten Grundsätze: Um beim Zuschauer nicht den Eindruck zu erwecken, ein Mann im Gummianzug stapfe durch das Raumschiff, zeigte der Regisseur die Kreatur in »Alien« nie vollständig. Aus den einzelnen Nahaufnahmen des augen­losen Kopfes, des schleimig triefenden Kiefers, der eigenartigen Röhren auf dem Rücken, der Klauen, der biomechanischen Gelenke und Adern musste sich der Zuschauer selbst ein Gesamtbild basteln, das stets unvollständig und deshalb mysteriös blieb.

Diese Art von Horror kraft eigener Phantasie besitzt »Alien: Covenant« nicht. Zu häufig sind die Kreaturen in voller Größe zu sehen. Und wo das Original sich quälend langsam und unmenschlich bewegte, rennen die neuen Geschöpfe wie tollwütige Buschkängurus. Gänzlich dahin ist somit der psychologische Subtext, der »Alien« zum Klassiker nicht nur seines Genres machte. Das Spiel mit sexuellen Ängsten, mit dem Schrecken und der Gewalt der Fortpflanzung, mit dem Ausgeliefertsein an die berechnende, kaltherzige Muthur-Mutter ist der Leistungsschau zur Befriedigung der Zuschauererwartungen gewichen.

Den fulminanten psychologischen Effekt erzielte Scott 1979 auch mit dem Setting: ein enges, schmutziges Raumschiff, ein Monster und eine Mannschaft, die am Ende bis auf eine Frau und eine Katze tot war. Dieser Minimalismus ist einem Monumentalismus gewichen, der sich bereits in der Bildgestaltung zeigt. Statt Nahaufnahmen regiert die Totale. Zu­gegeben: Das kann sehr gut aussehen, ob es sich nun um die riesige Covenant vor galaktischem Panorama, um Luftaufnahmen von der Planetenoberfläche – besseres Bildmaterial wird die neuseeländische Tourismusindustrie vom Drehort, den Fjordlandschaften, nie bekommen – oder den großartigen Blick auf eine ehemalige Stadt der »Engineers« handelt.
Leider will Scott auch mehrere monumentale Geschichten auf einmal erzählen. Ging es im Vorgänger »Prometheus« um die Schöpfung der Menschheit durch Außerirdische, wird diese in »Alien: Covenant« mit dem Ende der Zivilisation der »Engineers« und der Schöpfung des Alien verbunden. All das wirkt arg kons­truiert und führt im Detail zu monumentalem Unfug. Warum etwa betreten die Weltraumpioniere eine unbekannte Umwelt ohne entsprechende Schutzkleidung und wundern sich dann, dass sie sich schlimme Parasiten einfangen? Auch für unfreiwillige Komik ist gesorgt. In einer Szene entfernt sich ein weibliches Expeditionsmitglied, das kurz zuvor noch das brutale Ableben einiger Kollegen mitansehen musste und von Monstern durch eine feindliche Welt gejagt wurde, von ihren Begleitern mit einer Formulierung, die bislang eher als Standardsatz auf Butterfahrten bekannt war: »Ich gehe mich mal kurz frischmachen.«

Das Alien ist angesichts all der großen Geschichten, die da vermittelt werden sollen, nur ein Nebendarsteller, der Filmtitel ein kleiner Schwindel. Zurück zur Flöte also und ihrem Spieler: In der Eröffnungssequenz, einer Rückblende, muss der gerade frisch hergestellte Android David unter den Augen seines Schöpfers, des Konzernbesitzers Peter Weyland, sein musikalisches Können am Flügel beweisen. »Der Einzug der Götter in Walhall« aus Richard Wagners »Rheingold« wird gegeben, der Erbauer zeigt sich zufrieden. Unzu­friedenheit plagt Weyland hingegen, weil er zwar einen künstlichen Menschen geschaffen hat, seinen eigenen Schöpfer aber nicht kennt und sich nicht damit zufrieden geben möchte, ein Zufallsprodukt der Evolution zu sein. David quittiert dies in einem ersten diabolischen Anflug mit den Worten: »Sie sind ein Mensch und kennen Ihren Schöpfer nicht. Ich bin nur ein Android, aber ich kenne meinen Schöpfer.« Nach der kosmologischen, der biologischen und der psychologischen muss Weyland also die vierte Kränkung der Menschheit hinnehmen: Das eigene Geschöpf ist ein künstlicher Klugscheißer. Die Stimmung wird eisig, Weyland erniedrigt seinen Androiden, indem er ihn dazu verdonnert, Tee zu servieren.

Diese Szene ist beklemmend und düster. Ihr Thema wird in der Flötenstunde wieder aufgenommen. David, der sich allmählich als Herrscher eines grotesken Reichs des ­Todes und Vernichter der Zivilisation der »Engineers« zu erkennen gibt, bringt Walter ein Lied auf der Flöte bei, das er sich selbst ausgedacht hat. Die Melodie zu reproduzieren, ist diesem ein Leichtes. Etwas Eigenes hervorzubringen, gelingt ihm jedoch nicht, da sein Erbauer ihm, dem später entstandenen Modell, die Fähigkeit zur kreativen Leistung nicht gegeben hat.

Anders als in »Blade Runner«, Scotts großartigem Androidenfilm von 1982, zeigt sich in »Alien: Covenant« der Unterschied zwischen Künstlichem und Menschlichem nicht in der Fähigkeit zur Empathie, sondern im Vermögen, schöpferische Leistungen in Kunst und Biotechnik zu vollbringen. Und Zivilisationen zu vernichten. Da David, der künstliche Mensch, genauso geschickt Kunstwerke und eigene Geschöpfe hervorbringt sowie genauso heimtückisch Massenmord begeht wie der echte Mensch, verachtet der Android seine Schöpfer für ihre Überheblichkeit.

Aus diesem Stoff hätte ein beeindruckender Film werden können, der freilich nichts mehr mit »Alien« zu tun gehabt hätte. Jedoch ließe sich »David, der größenwahnsinnige Android« sicher schlechter verkaufen als die seit langem eingeführte Marke »Alien«. Für den Umsatz mag das gut sein. Der Gewinn für den ­Zuschauer bleibt eher mäßig. Aber zumindest eines kann man aus Scotts neuem Film lernen: Die sicherste Art, das Alien zu töten, ist es, Fortsetzung um Fortsetzung zu drehen.

Alien: Covenant (USA 2017). Regie: Ridley Scott, Darsteller: Katherine Waterston, James Franco, Michael Fassbender. ­Kinostart: 18. Mai