Das Kabinett des neuen französischen Präsidenten

Vorsicht vor der extremen Mitte

Die Zusammenstellung des Kabinetts des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron weckt wenig Hoffnung. Das umstrittene Arbeitsgesetz, gegen das vergangenes Jahr monatelang demonstriert wurde, wird wohl verschärft.

An ihren Taten sollt ihr sie messen. Das gilt für die seit Mittwoch vergangener Woche amtierende französische Regierung ebenso wie für ihre Vorgängerinnen. Ihre vorläufige Popularität könnte schnell verfliegen, wenn sie mit einigen ihrer Ankündigungen ernst macht, insbesondere mit den geplanten Reformen beim Arbeitsrecht. Vorläufig besitzt das neue Kabinett jedoch noch einen Sympathiebonus. 61 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen äußerten in einer Umfrage des Demoskopieinstituts Elabe für den Sender BFM TV am Donnerstag vergangener Woche, sie seien zufrieden mit der Regierungsbildung.

Das Übergangskabinett, das einige Tage nach der Amtsübernahme des neuen Staatspräsidenten Emmanuel Macron ernannt wurde, wird vorläufig bis zu den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni amtieren. Sollte Macrons 2016 gegründete Kleinpartei »En marche« (In Bewegung), die vergangene Woche in »La République en marche« (REM) umbenannt wurde, die Mehrheit der Sitze erringen, könnte diese Regierung auch weiterhin die Amtsgeschäfte führen. Ende der vergangenen Woche lautete eine erste Prognose, REM und Verbündete könnten 32 Prozent der Stimmen erhalten, die konservative Liste der Parteien Les Républicains (LR) und UDI 19 Prozent und der Front National (FN) ebenfalls 19 Prozent. Die Bewegung »La France insoumise« (Das unbeugsame Frankreich) des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon könnte demnach mit 15 Prozent der Stimmen rechnen, die bisherige Regierungspartei Parti Socialiste (PS) mit nur noch sechs Prozent, was nach der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen ein weiterer Hinweis darauf wäre, dass sie ihrem Ende nah ist.

Noch vor der Einsetzung des neuen Premierministers Edouard Philippe (LR) am Montag vergangener Woche und der Bekanntgabe der Kabinettsliste zwei Tage darauf hatte Präsident Macron am 14. Mai, dem Tag seiner Amtseinführung, seine engsten Mitarbeiter ernannt. Die Auswahl lässt wenig Gutes hoffen. Der 65jährige neue Präsidialamtsleiter (was in Deutschland ungefähr einem Kanzleramtsminister entspräche), Patrick Strzoda, war von 2013 bis Mai 2016 Regionalpräfekt für die Bretagne in Rennes. Er befehligte die Polizeieinsätze in der Stadt, als dort wie in vielen anderen Orten Frankreichs im Frühjahr 2016 gegen das umstrittene Arbeitsgesetz protestiert wurde. In Absprache mit der sozialdemokratischen Bürgermeisterin von Rennes hatte der Präfekt die gesamte Innenstadt zum »Einkaufszentrum« und zur verbotenen Zone für Demonstrierende erklärt. Rennes war eine der Städte, in denen die Proteste am härtesten niedergeknüppelt wurden. Ein 21jähriger Student verlor dabei ein Auge.
Zum Generalsekretär des Elyséepalasts ernannte Macron den 44jährigen Alexis Kohler. Dieser war Berater Macrons, als der noch Wirtschaftsminister war, und in der ersten Jahreshälfte 2015 federführend an der Ausarbeitung des als »Loi Macron« bezeichneten Gesetzes beteiligt, das »Wettbewerbshindernisse« beseitigen sollte und insbesondere dazu beitrug, die Sonntagsarbeit auszuweiten.

Die neue Regierung unter Edouard Philippe, dem bisherigen Bürgermeister von Le Havre und Vertrauten des ehemaligen Premierministers Alain Juppé, erfüllt ihren zentralen Anspruch, eine »Allianz der Reformwilligen« aus Repräsentanten der sogenannten politischen Mitte zu formen. Neben Philippe kommen weitere Kabinettsmitglieder aus der konservativen Rechten, so die Minister für Wirtschaft und Finanzen, Bruno Le Maire und Gérald Dar­manin, die sich ein Ministerium teilen. Beide wurden von ihrer Partei LR unter dem Vorwurf des Opportunismus ausgeschlossen.

Aber auch Schwergewichte vom rechten Flügel des auseinanderfallenden Parti Socialiste besetzen wichtige Ministerposten. Zu ihnen zählen insbesondere der ehemalige Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, der unter Präsident François Hollande (2012–2017) die Militäreinsätze in Mali und der Zentralafrikanischen Republik (2013–2016) sowie im Tschad leitete und nun Außenminister wird, sowie der bisherige Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, als neuer Innenminister. Dies beschleunigt den Zerfall der bislang staatstragenden Parteien der linken beziehungsweise rechten Mitte, die schon im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl ausgeschieden waren.

Philippe war in jüngerer Vergangenheit vor allem ein führender Atomlobbyist in Frankreich. Zwischen 2007 und 2010 amtierte er als Direktor für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Nuklearkonzerns Areva. In dieser Eigenschaft vertrat er die Interessen des Konzerns gegenüber den französischen Abgeordneten, als 2008 das Abkommen mit der Republik Niger zur Ausbeutung der dortigen Uranvorkommen neu ausgehandelt wurde. Das afrikanische Land wird seit mehr als 40 Jahren zum Billigtarif abgespeist wird. Philippe brachte viele Abgeordnete auf Linie, damit Areva seine neokolonialen Praktiken in der Sahelzone ungestört fortsetzen konnte.

In scheinbarem Widerspruch dazu steht die Ernennung von Nicolas Hulot zum neuen Umweltminister. Er ist ein prominenter Umweltschützer, Dokumentarfilmer und Unternehmer für den Vertrieb ökologischer Drogerieartikel. Der Börsenkurs der Aktie des Stromversorgers EDF, in dessen Strategie Atomenergie eine zentrale Rolle spielt, sank nach Hulots Ernennung am Mittwoch voriger Woche. Philippe beruhigte daraufhin die Anleger, die Regierung setze weiterhin auf Atomkraft, wenngleich diese »nicht alle Energieprobleme allein löst«.

Zu den zentralen Vorhaben der neuen Regierung in den kommenden Monaten zählen die Reform des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherungssysteme. Beim ersten Punkt geht es den vorliegenden Ankündigungen zufolge darum, jene Vorhaben, die im Frühjahr 2016 als zu radikal aus dem umstrittenen Arbeitsgesetz ausgeklammert werden mussten, doch noch zu realisieren. Dazu zählt die Deckelung der Abfindungszahlungen für ungerechtfertigte und illegale Kündigungen, also die Einführung einer verbindlichen Obergrenze, welche die Arbeitsgerichte nicht überschreiten dürfen. Hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme hatte Macron im Wahlkampf angekündigt, Leistungen der Arbeitslosenkassen sollten, anders als bislang, künftig auch Lohnabhängigen, die ihren Job selbst kündigen, sowie Selbständigen offenstehen. Zugleich will er dort allerdings anderthalb Milliarden Euro einsparen. Dieser Zielkonflikt wird dadurch aufgelöst, dass der Druck auf Erwerbslose immens steigt; ab dem zweiten abgelehnten Jobangebot soll es möglich sein, Bezüge zu streichen. Die Arbeitslosenkasse soll zudem ihre Autonomie verlieren und direkt unter Staatsaufsicht gestellt werden.