Rumänische Konservative bereiten ein Referendum vor, um das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in die Verfassung aufzunehmen

Orthodox und homophob

In Rumänien streben konservative Verbände ein Referendum an, um das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in die Verfassung aufzunehmen. Sie könnten Erfolg haben.

Ein Verbot gibt es bereits, doch das reicht vielen offenbar nicht. Seit 2008 ist in Rumänien die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern zivilrechtlich untersagt, die »Koalition für die Familie«, die aus mehr als 30 vor allem christlichen Verbänden besteht, will noch einen Schritt weitergehen: Die in der Verfassung verwendete Formulierung, dass die Ehe eine Verbindung zwischen zwei Ehegatten sei, ist dieser Koalition zu vage, das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe soll in der Ver­fassung festgeschrieben werden. In den vergangenen Monaten hatte die Koali­tion mehr als drei Millionen Unterschriften gesammelt, um ein Referendum zur Änderung des Verfassungstextes zu erreichen.

Die große Anzahl an Unterschriften lässt erahnen, wie das Referendum ausgehen könnte, und zeigt, welchen Einfluss die orthodoxe Kirche vor allem auf die ländliche Bevölkerung hat. Die Kirche hatte öffentlich die Unterschriftensammlung intensiv unterstützt; die meisten Unterschriften wurden in oder in der Nähe von Kirchen gesammelt. Da das Vertrauen in staatliche Behörden und Politiker gering ist, hat die Kirche einen hohen Stellenwert und wird als Autorität in moralischen Fragen und als Bewahrerin traditioneller Werte wahrgenommen. Dass sie selbst immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt ist und unter anderem angesichts ihrer dubiosen Rolle unter dem Diktator Nicolae Ceaușescu keine besonders hohen moralischen Ansprüche erfüllt, ändert wenig daran.

Mit der Aufnahme des Verbots in die Verfassung soll vor allem die Aufhebung des Verbots erschwert werden. Die rumänische Abgeordnetenkammer hat das Referendumsersuchen mit 232 zu 22 Stimmen bereits am 9. Mai an­genommen. Stimmt auch der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit zu, muss die Bevölkerung innerhalb von 30 Tagen zur Abstimmung geladen werden. Bereits mit einer einfachen Mehrheit und einer Wahlbeteiligung von 30 Prozent wäre das Ergebnis des Referendums bindend. Somit könnte ein sehr geringer Anteil der Wahlberechtigten die Rechte einer Minderheit der Bevölkerung beschneiden.

Angesichts der politischen Lage und der in drei Monaten anstehenden ­Parlamentswahlen ist derzeit jedoch unklar, ob und wann das Referendum stattfinden wird. Die anlässlich der Massenproteste im Januar von verschiedenen politischen Lagern angekündigten Referenden wurden nicht in die Wege geleitet. Diese Ankündigungen lassen sich vielmehr als Drohgebärden gegenüber dem ­jeweiligen politischen Gegner begreifen. Ob das Referendum zur gleichgeschlechtlichen Ehe auch nur eine Drohgebärde darstellt, ist schwer zu sagen, unterscheidet sich dieses doch von den anderen durch das bereits fortgeschrittene Verfahren und die realistischen Erfolgsaussichten. Zudem sind die Initi­atoren überwiegend Organisationen, die in keinem direkten Zusammenhang mit politischen Parteien stehen.

Bereits 2013 hatte es ein ähnliches Referendum in Kroatien gegeben, bei dem sich die große Mehrheit dafür aussprach, die Ehe in der Verfassung explizit als eine Verbindung zwischen Mann und Frau zu definieren. Dort hatten sich sowohl die Regierung als auch viele Prominente und Wissenschaftler gegen das Referendum ausgesprochen und in den großen Medien wurde der Vorgang als Verstoß gegen die Menschen- und Minderheitenrechte kritisiert. Die Regierung plädierte daraufhin für eingetragene Partnerschaften für homosexuelle Paare. 2015 hatte in Slowenien ein Referendum zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe ebenfalls Erfolg. Rumänien reiht sich ein in die Reihe der neueren östlichen EU-Mitgliedsländer, in denen neben einer Ablehnung von LGBTI-Personen auch ein Anwachsen von Rassismus und ein erneuter Bedeutungszuwachs christlicher Institutionen zu erkennen ist.

Anders als in früheren Jahren kam es bei der jährlich stattfindenden Pride-Parade in Bukarest am 20. Mai, an der rund 2 000 Menschen teilnahmen, zwar kaum zu Gegenprotesten. Lediglich 200 bis 300 Rechte und Anhänger der orthodoxen Kirche demonstrierten in einem »Marsch der Normalität« fernab der Parade für die ihnen genehme Familienvariante von Mann, Frau und Kindern. Ein Grund für den Rückgang der Gegenproteste ist allerdings die seit einigen Jahren übliche Route der Parade durch das eher dünn besiedelte Villen- und Botschaftsviertel Piaţa Victoriei. Versuche, sie durch das Viertel Unirii zu führen, in dem sich mit der Metropolie der Sitz der Patriarchen befindet, wurden regelmäßig gewalttätig unterbunden. Mittlerweile hat sich auch die Parade in Bukarest zu einem bunten Demonstrationszug entwickelt, auf dem Menschen jeden Alters mitlaufen. Dennoch ist die gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTI nicht gewachsen.

Im Nachbarland Moldawien musste in der Hauptstadt Chişinau die für den 21. Mai geplante Pride-Parade wegen Gegenprotesten vorzeitig abgebrochen werden. Die etwa 300 Teilnehmenden waren, anders als im vergangenen Jahr, zwar keinen gewalttätigen Angriffen ausgesetzt, konnten ihren »Marsch für Solidarität« teilweise aber nur unter starkem Polizeischutz abhalten. Neben dem seit Dezember 2016 amtierenden moldawischen Präsidenten Igor Dodon war vor allem die orthodoxe Kirche für die aufgeheizte Stimmung und die Gegenproteste verantwortlich. Dodon hatte wie bereits im vergangenen Jahr, als er noch Abgeordneter der sozialistischen Partei PSRM war, in der Nähe zum »Marsch für Solidarität« ein »Familienfest« organisiert, von dem die homophoben Gegenproteste ausgingen. Die Toleranz gegenüber LGBTI hängt insbesondere in Moldawien stark mit der Ausrichtung der regierenden Partei zusammen und schwankt je nach deren Nähe zur EU oder zu Russland.

Findet das Referendum in Rumänien wirklich statt und hat Erfolg, könnte dies ähnliche Anliegen konservativer Gruppen in weiteren Ländern begüns­tigen. Das Referendum geriete zu einem Werkzeug populistischer und rechter Bewegungen, um Minderheiten in ihren Rechten zu beschneiden und den in der EU rechtlich garantierten Minderheitenschutz auszuhebeln.