Ungarn hat ein Gesetz verabschiedet, das die Arbeit kritischer NGOs erschwert

Nach dem Vorbild Putin

Erneut hat das ungarische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das sich gegen gesellschaftliche Institutionen richtet. Die Kritik der EU weist Ministerpräsident Viktor Orbán zurück.

Die Abstimmung war angesichts der klaren Mehrheit der Regierungspartei Fidesz nur eine Formalität. 130 der 199 Abgeordneten stimmten am Mittwoch voriger Woche für das neue Gesetz, das der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán im Februar angekündigt hatte. Bei seiner Rede zur Lage der Nation hatte er behauptet, dass »ausländisches Geld dazu benutzt wird, um im Geheimen die ungarische Politik zu ­beeinflussen«. Seine Regierung werde rasch ein Gesetz auf den Weg bringen, um diesem Problem zu begegnen.

Bereits Ende März wurde der Entwurf für ein Gesetz über »die Transparenz von Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden«, bekannt. Seinem Text zufolge verfolgt es den Zweck, gegen Geldwäsche und die Finanzierung von Terrorismus vorzu­gehen; zugleich sollen die ungarischen Institutionen und die politischen In­teressen vor unzulässigem Einfluss bewahrt werden. Hierzu werden Nicht­regierungsorganisationen (NGOs) zukünftig verpflichtet, sich als »ausländisch finanzierte Organisationen« zu registrieren, sofern sie mehr als 24 000 Euro pro Jahr an Spenden aus dem Ausland erhalten. Darunter fallen Spenden von Einzelpersonen sowie Zahlungen aus der Europäischen Union, wenn diese nicht zuvor über eine öffentliche ungarische Institution an die Organisation verteilt wurden. »Ausländisch finanzierte Organisationen« müssen diesen Status auf ihrer Website und in allen Publikationen vermerken, zudem wird eine Liste dieser Organisationen veröffentlicht.

Als Vorbild diente offensichtlich das russische »Agentengesetz«. Seit es 2012 in Kraft getreten ist, hat es die Arbeit vieler NGOs in Russland beschränkt. Öffentliche Bildungseinrichtungen beendeten Kooperationen und über die Position von kritischen NGOs wird nur noch selten in den Medien berichtet. Das ungarische Bündnis Civilizáció, in dem sich fast 200 Organisationen zusammengeschlossen haben, befürchtet vergleichbare Entwicklungen. In einer Stellungnahme urteilte es, das Gesetz fördere nicht Transparenz, sondern diene einzig den Interessen der Regierung, unliebsame Kritik aus der Zivilgesellschaft zu stigmatisieren.

Aus diesem Grund dürfte das Gesetz gegen das Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 11 der EU-Grundrechte­charta verstoßen. Schließlich werden NGOs zu einer negativen Selbstbezeichnung gezwungen, wodurch zugleich ihre gesamte Arbeit unter den Vorbehalt gestellt wird, nicht die Interessen der ungarischen Gesellschaft zu repräsentieren. Human Rights Watch beklagte, dass die Regierung damit kritische Stimmen zum Schweigen bringen wolle. Dessen ungeachtet verabschiedete das ungarische Parlament das Gesetz am 13. Juni mit großer Mehrheit.

In jüngster Zeit mehren sich die ­Angriffe der ungarischen Regierung auf liberal orientierte Teile der Gesellschaft. Für internationales Aufsehen sorgte jüngst das Gesetz, mit dem faktisch die Arbeit der Central European University (CEU) unmöglich gemacht wurde (Jungle World 16/2017). Im Europaparlament wurde Orbán von vielen Abgeordneten dafür zum Teil heftig angegriffen. Hinsichtlich des neuen Gesetzesvorhabens äußerte die für die ­verfassungsrechtliche Beratung von Staaten zuständige Venedig-Kommis­sion des Europarats die Befürchtung, die Arbeit von NGOs könnte künftig Diskriminierungen ausgesetzt sein. Doch Orbán lässt die Kritik von Seiten der europäischen Institutionen ungerührt. Er verfolgt das Ziel, Ungarn zu einer »illiberalen Demokratie« und damit zu einer geschlossenen Gesellschaft auszubauen. Seine Politik orientiert sich nicht an den Brüsseler Leit­linien, sondern an autoritären Führungspersönlichkeiten wie Wladimir Putin, Rodrigo Duterte oder Donald Trump.

Das Hungarian Helsinki Committee, eine NGO zur Unterstützung von Geflüchteten, hat nun angekündigt, sich nicht als »ausländisch finanzierte Organisation« registrieren zu lassen. Man wolle gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgericht und vor den EU-Gerichten klagen. Doch selbst wenn der Europäische Gerichtshof das Gesetz für europarechtswidrig erklären würde, wäre ein erfolgreicher Ausgang aus Sicht der NGOs nicht garantiert. Denn die Regierung von Viktor Orbán hat sich in der Vergangenheit äußerst kreativ darin gezeigt, höchstrichterliche Urteile zu umgehen oder schlicht zu ignorieren.