Kolumne Klassenkampf

Qualitätsmedium

Klassenkampf Von

»Robert Trump ist tot.« »Der heißt Dagobert.« »Okay, Dagobert Trump ist gestorben.« »Ah.« Ich taxiere meinen Gesprächspartner und versuche, seine Zuverlässigkeit im Bereich politische Berichterstattung einzuschätzen. Ich weiß, dass er ziemlich gerissen sein kann und die drittbeste Mathenote der Klasse hat, aber andererseits ist er erst zwölf. »Äh. Aha. Und wann ist das nun wieder passiert?« »Gestern.« Can freut sich sichtlich über seine deutliche Überlegenheit und lacht leicht hysterisch. »Sie bekommen echt ü-ber-haupt nichts mit. Das war überall im Internet und im Fernsehen und in allen Zeitungen.« Ich reagiere überrascht, aber nicht allzu sehr, weil es stimmt: Ich bekomme überhaupt nichts mit. Ich lebe unter einem Stein, der Schule heißt. Ich laufe da morgens hin und spreche dann den ganzen Tag über ausschließlich mit Menschen, die kaum Zugang zu vernünftigen Medien haben, entweder weil sie das Weltgeschehen halt uninteressanter finden als die Tattoos von Justin Bieber (doch, den gibt’s echt immer noch; ich weiß auch nicht, wann der endlich weggeht), oder weil sie, genau wie ich, den ganzen Tag damit beschäftigt sind, hektisch große Papierstapel von links nach rechts und wieder zurückzutragen.

Zwischendrin machen wir Zetteltragenden in einem Raum mit zu vielen Stühlen und ohne frische Luft halt, verteilen einige der Zettel an die in ihm Sitzenden, geben einen Arbeitsauftrag, schimpfen über irgendwas und sammeln die Zettel dann wieder ein. Mit dem frischen Papierstapel sowie den anderen, alten Stapeln laufen wir dann irgendwohin, wo man alles erstmal sortieren und abheften kann, oder auch – wenn man aus Versehen so ist wie ich – irgendwohin, wo man alles unsortiert auf den großen Berg werfen kann, in dem irgendwo auch diese eine, für die Zukunft einer Schülerin superwichtige Bescheinigung liegt und in dem man letztens seinen lange vermissten Badeanzug wiedergefunden hat. Den mit den Streifen.

Bei so viel emsiger Tätigkeit bleibt einfach keine Zeit zur Rezeption von Qualitätsmedien und abends ist man dann auch zu müde und macht was mit Bier und Netflix. Ich habe von sämtlichen Anschlägen der vergangenenen zwei Jahre aus Schülermund erfahren, auch, dass Trump jetzt ehrlich, wirklich und tatsächlich gewählt wurde, hat mir ein Schüler zugeraunt, während ich sein Handy, mit dem er im Unterricht auf Twitter unterwegs war, konfiszierte. Lediglich vom »Brexit« habe ich irgendwie außerhalb der Schule erfahren, vielleicht war ich da gerade krank oder die Briten haben vernünftigerweise in den Schulferien abgestimmt. Und jetzt ist er also tot, der Trump. Was ganz lustig ist, dass der an genau demselben Tag stirbt wie Kohl. Aber ich komme nicht mehr dazu, Can danach zu fragen, weil die Glocke läutet und ich weiter muss, Zettel tragen, Zettel tragen.