Der Sohn des US-Präsidenten, Donald Trump Jr., hatte verdächtige Treffen mit russischen Lobbyisten

E-Mail für Trump Junior

Neue Erkenntnisse legen nahe, dass Donald Trumps Wahlkampagne illegal von der russischen Regierung unterstützt wurde. Der Sohn des US-Präsidenten hat sich mit russischen Lobbyisten getroffen.

Am 3. Juni 2016 bekam Donald Trump Jr., der älteste Sohn des US-Präsidenten, eine bemerkenswerte E-Mail. In der Betreffzeile stand »Russland – Clinton – privat und vertraulich«. Absender der E-Mail war der britische Musikpromoter und Intimus des russischen Oligarchenclans Agalarow, Rob Goldstone, der »offizielle Dokumente und Informationen« vom »Generalstaatsanwalt in Russland« über Hillary Clinton versprach. Die Dokumente, so Goldstone, würden »Clinton belasten« und könnten »für Ihren Vater sehr nützlich sein«.

Derartige Kontaktaufnahmen, so der Sicherheitsexperte Rolf Mowatt-Larssen in einem Artikel in der Washington Post, seien keine Seltenheit. Mowatt-Larssen sieht in der E-Mail »alle Kennzeichen eines professionell geplanten und sorgfältig orchestrierten Versuchs des Erstkontakts«. Mit derartigen Anfragen wollen die russischen Nachrichtendienste in der Regel einschätzen, ob und wie empfänglich die Gegenseite für eine Zusammenarbeit sein könnte. Auch John F. Kennedy bekam 1960 für seinen Wahlkampf ein solches Angebot aus dem Kreml, ebenso wie Al Gore im Jahr 2000. Kennedy lehnte ab, Gore rief das FBI. Trump Jr. hingegen schrieb nur 17 Minuten nach Erhalt der E-Mail zurück: »Wenn es das ist, was Sie sagen, dann liebe ich es, besonders später im Sommer.«

Der E-Mail-Verkehr zwischen Gold­stone und dem Sohn des Präsidentschaftskandidaten dürfte für Robert Mueller, den Sonderermittler des Justizministeriums, der mit den Untersuchungen über eine mögliche Absprache zwischen der Trump-Kampagne und der russischen Regierung beauftragt ist, höchst interessant sein. Allein der Nebensatz »besonders später im Sommer« könnte als eine Anweisung an Russland verstanden werden. Bedenklich ist auch folgender Satz von Goldstone: »Dies kommt ganz klar von einer sehr hohen Stelle und es sind vertrauliche Informationen, ein Teil der Unterstützung für Mr. Trump von Russland und dessen Regierung.« Goldstone und Trump Jr. einigten sich schnell auf einen Gesprächstermin. Nur vier Tage nach Erhalt jener Mail, am 7. Juni 2016, sagte Donald Trump bei einer öffentlichen Veranstaltung, dass er »vermutlich am Montag nächster Woche« eine Rede halten werde, bei der er »all die Dinge, die sich mit den Clintons ereignet haben«, ansprechen wolle. Das wäre dann der 13. Juni 2016 gewesen, nur hat Trump die angekündigte Rede nie gehalten.

Denn, so Trump Jr., das Treffen mit den Russen am 9. Juni 2016 sei eine Enttäuschung gewesen, ein »Nichts«, wie er in einem Fernsehinterview mit Sean Hannity vom US-Sender Fox News angab. Es sei der Gesprächspartnerin, der regierungsnahen Anwältin Natalia Veselnizkaja, nur um US-Sanktionen gegen Russland gegangen, konkret um den Magnitsky Act, ein Gesetz, das in den USA 2012 nach dem verdächtigen Tod des Anwalts Sergei Magnitski in einem Moskauer Gefängnis erlassen worden war, um hochrangige Mitglieder der russischen Führungsschicht abzustrafen. Zwar geht es bei dem Magnitsky Act nicht um allgemeine Wirtchaftssanktionen, aber da der innere Zirkel Wladimir Putins betroffen ist, hat der russische Staatschef das Gesetz zur Cause célèbre gemacht. Donald Trump Jr. interessierte das alles nach eigenen Aussagen nicht. Er habe das Treffen ohnehin nur aus »Verbindlichkeit« gegenüber einem Bekannten wahrgenommen und keine Ahnung gehabt, mit wem er sich da eigentlich treffen solle. Dennoch hatte er zwei der wichtigsten Entscheidungsträger der Trump-Kampagne zu diesem »nichtigen Unsinn« eingeladen, nämlich den Wahlkampfleiter Paul Manafort und seinen Schwager Jared Kushner.

Letzterer gilt bei Muellers Ermittlerteam mittlerweile als eine »Person von besonderem Interesse«, was unter anderem daran liegen mag, dass Kushner für alle digitalen Aktivitäten der Trump-Kampagne verantwortlich war. Und diese sind von besonderem Interesse für die Ermittler, wie das US-amerikanische Politmagazin McClatchy berichtete. Dabei sollte man nicht vergessen, dass eine allgemeine Absprache zwischen der russischen Regierung und der Trump-Kampagne nicht zwangsläufig illegal ist. Als Gesetzesbruch gilt allerdings eine Absprache zu »kriminellen Handlungen«, dazu zählt auch »Computerbetrug«. Die Ermittlungen des Justizministeriums konzentrieren sich also unter anderem darauf, ob die Trump-Kampagne russischen Kontaktleuten Zugang zu den Schlüsseldaten von Wählern übermittelt hat. Kushners »Rolle als möglicher Verbindungsmann für Moskaus Einflussnahme auf die US-Wahlen« werde genau betrachtet werden, so eine anonyme, dem Justizministerium nahestehende Quelle. Hinzu kommt, dass Kush­ner sich im Dezember 2016 mit Sergej Gorkow traf, dem Vorstandsvorsitzenden der Wneschekonombank, der russischen Bank für Außenwirtschaft, die von US-Sanktionen nach der russischen Annexion der Krim und der Unterstützung der Separatisten in der östlichen Ukraine betroffen ist.

Die Sanktionen aus dem Jahr 2014 betreffen wohl nicht nur Russland, sondern womöglich auch Trump selbst. So sagte Trump Jr. bei einer Konferenz im Jahr 2008, dass »Russen einen ziemlich unverhältnismäßigen Anteil bei vielen unserer Vermögenswerte besitzen«. Nach diversen Insolvenzanträgen und Rechtsstreitigkeiten in den neunziger Jahren – seine Schulden beliefen sich damals auf 3,2 Milliarden US-Dollar – hat sich Trump zur Finanzierung zukünftiger Luxusbauten immer mehr nach Russland orientiert, was in US-amerikanischen Finanzmagazinen und öffentlichen Unterlagen hinreichend belegt wurde. So wurden der Immobilienmaklerin Debra Stotts zufolge im Jahr 2004 ein Drittel der Eigentumswohnungen in den Stockwerken 76 bis 83 des Trump World Tower an der First Avenue in New York City an Russen oder russische Firmen verkauft, wie Bloomberg News damals berichtete. 2008 verkaufte Trump eine Villa in Florida für 95 Millionen US-Dollar an einen russischen Milliardär, der das Haus allerdings nie bezog und später abreißen ließ. Manche vermuten dahinter Geldwäsche, aber das lässt sich nicht belegen, zumindest nicht mit den öffentlich zugänglichen Unterlagen. Fest steht jedenfalls, dass nach den Sanktionen im Jahr 2014 der Cashflow aus Russland in die USA erheblich beeinträchtigt wurde. Die besseren Beziehungen zu Russland, von denen Trump immer wieder gerne redet, wären also nicht zuletzt auch in seinem eigenen Interesse.

Zwar behauptet Trump Jr., dass bei dem Treffen im Juni 2016 mit Veselnizkaja nichts herausgekommen sei – vor allem nicht das heiß begehrte Clinton-»Kom­pro­mat« (»kompromittierendes Material« im Jargon des KGB) –, aber die Ermittler, und auch die Medien, stoßen dennoch gelegentlich auf interessante Details. Etwa darauf, dass auch der russische Lobbyist Rinat Achmetschin, ein ehemaliger Mitarbeiter des KGB, beim Gespräch anwesend war. Das erwähnte Trump Jr. nicht. So ist bis heute nicht klar, wer alles an diesem Treffen teilnahm. Kushner versäumte es, die Besprechung auf dem Regierungsformular SF-85 anzugeben. Dieses musste er ausfüllen, um seine Sicherheitszulassung zum Weißen Haus zu erlangen. Kushner hat die Informationen dann später, nach einiger Bedenkzeit, nachgereicht. Auch seine Besprechungen mit Sergei Kisljak, dem russischen Botschafter in den USA, und mit dem russischen Banker Gorkow im Dezember 2016 hatte Kushner nicht angegeben.

»Da war nichts«, behauptete Donald Trump Jr. immer wieder. Das aber würde bedeuten, dass es kurz nach dem Treffen im Trump Tower zu einer Reihe erstaunlicher Zufälle gekommen ist. Denn exakt sechs Tage später, am 15. Juni 2016, wurden erstmals die Server der Demokratischen Partei gehackt. Die Softwarefirma Crowdstrike macht dafür den angeblich von der russischen Regierung bezahlten Hacker Guccifer 2.0 verantwortlich. Dieser hatte im Verlauf des Wahlkampfs immerhin 16 E-Mail-Konversationen mit Roger Stone geführt, einem hochrangigen Wahlkampfberater Donald Trumps. Das gab Stone bereitwillig in diversen Fernsehinterviews zu.

Am 22. Juli 2016 wurden die ersten E-Mails der Clinton-Kampagne auf Wikileaks veröffentlicht. Bei einer Pressekonferenz am 27. Juli 2016 sagte Donald Trump dann über weitere Enthüllungen: »Russland, wenn ihr zuhört, ich hoffe, dass ihr die 30 000 fehlenden E-Mails finden könnt.« Seine Apologeten taten diese Bemerkung als einen Witz ab, aber man könnte sie im Hinblick auf die nun bekannten Fakten und vor allem den E-Mail-Kontakt zwischen Stone und Guccifer auch als Direktive betrachten. »Bitte sag mir, ob ich dir irgendwie helfen kann«, so Guccifer am 17. August 2016 in einer E-Mail an Stone. »Es wäre mir ein großes Vergnügen.« Am 21. August postete Stone auf Twitter, dass bald John Podestas »Zeit im Fadenkreuz« kommen werde. Podesta war Hillary Clintons Wahlkampfleiter. Sein privates E-Mail-Konto wurde bereits am 16. März 2016 gehackt, vermutlich von Guccifer 2.0. Im Oktober und November 2016, nur wenige Wochen vor dem Wahltag, waren dann 20 000 seiner E-Mails auf Wikileaks zu finden.

Alles nur Zufall? Durchaus denkbar. Umso wichtiger sind nun die Ermittlungen des Justizministeriums. Donald Trump hat diese dadurch ermöglicht, dass er im Mai 2017 den FBI-Chef James Comey feuerte, um, wie er einen Tag später bei einer Besprechung mit Kisljak im Weißen Haus sagte, »den Druck abzulassen«, der wegen der »Russland-Sache« auf ihm lastete. Comey hat daraufhin diverse Memoranden über seine Unterhaltungen mit dem Präsidenten öffentlich gemacht, und das Justizministerium gab eine unabhängige Ermittlung in Auftrag. Diese ist nun entscheidend, alles andere ist Mutmaßung. Immerhin ermittelt Mueller auch wegen eventueller »Finanzverbrechen« und hat ein Team versierter Anwälte und Ermittler zusammengestellt. Mueller ist unter anderem befugt, auch private Akten anzufordern und Zeugen gerichtlich vorzuladen. Großzügigerweise sagte Trump Jr. gegen Ende seines Fernsehinterviews mit Sean Hannity, dass er gerne bereit sei, auch unter Eid auszusagen. Dieser Tag könnte schneller kommen, als ihm lieb ist.