Der britische Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn hat sein Schattenkabinett umgebaut.

Erfolg schafft Loyalität

Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, gestaltet die Führung der Partei nach seinen Vorstellungen um und verweist seine Kritiker auf die Hinterbänke.

»Wir haben Jeremy Corbyn unterschätzt«, sagte kürzlich Nick Timothy, ehemaliger Berater und Stabschef der britischen Premierministerin Theresa May. Die Konservative Partei hat die Wahl Anfang Juni zwar gewonnen, verlor aber die absolute Mehrheit im ­Parlament. May hatte die Wahl zu einem Zeitpunkt angesetzt, als die Labour-Partei so zerstritten über ihre Führung war, dass ein Sieg der Konservativen sicher schien. Der Parteivor­sitzende Jeremy Corbyn konnte aber letztlich fast 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler von Labour überzeugen. War er zuvor scharfer innerparteilicher Kritik ausgesetzt, hat sich seine Position mittlerweile gefestigt. Kritische Stimmen wurden leiser, und er wurde selbstsicherer in seinem Auftreten.

Während des Wahlkampfs sprach Corbyn vor allem junge, EU-freundliche Wählerinnen und Wähler an. Sein Auftritt beim Glastonbury-Festival, einem der größten und bekanntesten Musikfestivals des Landes, bei dem er sich zum Beispiel gegen Donald Trumps Mauerbaupläne aussprach, fand Zustimmung in dieser Zielgruppe. Mit seinem Versprechen, Studienschulden zu erlassen, machte er sich bei Studierenden beliebt.
Auch wenn er jetzt als großer Sieger der Wahl gefeiert wird, löst dies nicht die politischen Probleme der Labour-Partei. Vor und nach der Wahl bemühte Corbyn sich, es allen recht zu machen. Einerseits versprach er, Labour würde den Ausstieg aus der EU weiter betreiben, einschließlich eines Austritts aus dem EU-Binnenmarkt, andererseits wollte er ein Handelsabkommen abschließen, das im Prinzip einem solchen Binnenmarkt gleichkommt.

Trotzdem machten viele von Corbyns Kritikern innerhalb der Labour-Partei nach dem Wahlerfolg eine Kehrtwende und feiern ihn jetzt. Eine leichte Umbildung des Labour-Schattenkabinetts verdeutlichte dies. Beispielsweise ernannte Corbyn Owen Smith, seinen Rivalen im Rennen um die Parteiführung im vergangenen Jahr, nun zum Schattenminister für Nordirland. Es war Smith, der, zusammen mit Paul Murphy, Corbyns Rücktritt gefordert hatte, nachdem dieser im Juni vergangenen Jahres ein innerparteiliches Vertrauensvotum verloren hatte und das vom ehemaligen Labour-Vorsitzenden Ed Miliband (2010–2015) ernannte Schattenkabinett geschlossen in einen Streik getreten war. »Ich ziehe meinen Hut vor ihm«, sagte Smith, Abgeordneter für Pontypridd in Wales, nach Corbyns Wahlerfolg.

Die zentralen Posten waren nicht von der Umbildung betroffen. Corbyn belohnte seine treueren Anhänger für ihre kontinuierliche Unterstützung. Weitere neue Schattenminister sind Andrew Gwynne, Leiter der Labour-Wahlkampagne und besonders medientauglich, der für das Ressort Gemeinden und Regionalregierung ernannt wurde. Dawn Butler war als Schattenministerin für Vielfältige Gemeinden zurückgetreten, da sie die Position ihrer Partei zum EU-Austritt nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte, kehrt jetzt allerdings zurück. Lesley Laird wird Schattenministerin für Schottland.

Diejenigen Labour-Abgeordneten, die an ihrer Kritik an Corbyn festhalten, verloren zumindest an Einfluss. Tom Watson wurde 2015 an der Seite von Corbyn zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Corbyn ernannte ihn damals zum Schattenminister für Kultur, Medien und Sport, zum »Labour Party Chair«, eine Leitungsfunktion, die meist vom stellvertretenden Parteivorsitzenden ausgeübt wird, sowie zum Minister für das Kabinettsamt – beides Titel, deren Verantwortung innerhalb des Schattenkabinetts nicht ganz klar ist. Watson wurde allerdings nie zum Freund Corbyns. Gerüchten zufolge soll sich sein Wahlkampfteam sehr kritisch gegenüber Corbyn geäußert und im Prinzip eine Wahlniederlage befürwortet haben. Watson gab seine Fehleinschätzung Corbyns in seiner Rede in der Wahlnacht zwar zu. Trotzdem nutzte Corbyn die Gelegenheit, Watson seinen Posten als »Labour Party Chair« abzuerkennen und diesen an Ian Lavery zu geben, einen ehemaligen Bergarbeiter. Er belohnte damit einen seiner lautstarken Unterstützer.

Labours Chancen, nach der nächsten Wahl die Regierung zu stellen, sind ­gewachsen. Corbyn sprach optimistisch davon, dass es eventuell noch in diesem Jahr Neuwahlen geben könnte, da die Konservativen unter Theresa May kein klares Regierungsmandat mehr hätten. Er schärfte seiner Partei ein, im Modus eines permanenten Wahlkampfs zu bleiben und Einheit zu zeigen. Corbyn kündigte auch an, in nächster Zukunft die Wahlkreise zu besuchen, die zuletzt an die Konservativen gingen und deren Stimmen Labour zum Wahlsieg braucht. Seine neugewonnene Selbstsicherheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung nach dem Wahlerfolg entging auch seinen ehemaligen Kritikern nicht. Nach der Kabinettsumbildung äußerten mehrere ehemalige Mitglieder, dass sie zu einer Rückkehr in ein Kabinett unter Corbyns Führung bereit seien. Dafür ist es allerdings zu spät. Ein Wahlsieg Labours hätte zur Folge, dass seine loyalsten Anhänger das Land regieren.

Corbyn hat sich im Laufe seiner Zeit als Vorsitzender immer mit treuen Anhängern umgeben und verteidigte diese auch gegenüber jeglicher Kritik. Bestes Beispiel ist Ken Livingstone, der vor zwei Jahren nach wiederholten ­judenfeindlichen Äußerungen in einen Skandal verwickelt war, der mit ­einer Suspendierung seiner Parteimitgliedschaft und einer Ausschluss­drohung endete (Jungle World 15/2017). Corbyn kritisierte dessen Äußerungen, hielt aber an der Freundschaft zu Livingstone fest.