Der angolanische Präsident José Eduardo dos Santos tritt zurück, doch die Herrschaft seiner Partei ist gesichert

Geht runter wie Öl

In Angola will der langjährige Präsident José Eduardo dos Santos endlich abtreten. Die Herrschaft seiner Partei MPLA ist dadurch aber nicht gefährdet, sein Nachfolger ist bereits bestimmt.

Der König tritt ab, lang lebe der König! So könnte man beschreiben, was sich bei den am 23. August anstehenden Wahlen im südwestafrikanischen Angola abzeichnet. Der seit fast 38 Jahren herrschende Präsident José Eduardo dos Santos hatte im vergangenen Jahr seinen Rückzug angekündigt und damit den Weg für einen Nachfolger frei gemacht. In der Vergangenheit hatte er bereits mehrfach seinen Rücktritt angekündigt, war aber an der Macht geblieben. Dieses Mal ist die Entscheidung endgültig und scheint auch gesundheitliche Gründe zu haben, wie ein längerer Aufenthalt des 74jährigen in einem spanischen Krankenhaus im Mai dieses Jahres nahelegt.

2002 endete der mit Unterbrechungen seit 1975 andauernde Bürgerkrieg mit der oppositionellen Rebellengruppe Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas (Unita). Die unter anderem vom südafrikanischen Apartheidregime unterstützte Gruppe kämpfte gegen die Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MPLA) und ihre sozialistischen Verbündeten. Die verschiedenen ehemaligen Unabhängigkeitsbewegungen wandelten sich später in Parteien.

Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen, die das System dos Santos in Frage stellen, landen schnell im Gefängnis, Demonstrationen werden erst gar nicht genehmigt und gegebenenfalls brutal aufgelöst.

Die dank der Ausbeutung der riesigen angolanischen Erdölvorkommen nach 2002 stetig steigenden Einnahmen sorgten für enorme, teilweise zweistellige Wirtschaftswachstumsraten. Die angolanische Hauptstadt Luanda wurde dadurch zu einer der teuersten Metropolen der Welt. Von diesen ökonomischen Entwicklungen profitierte allerdings nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, insbesondere die Clique um dos Santos. Angola belegt im Korruptionsindex der NGO Transparency International Platz 164 von 176. Nicht von ungefähr gilt die Tochter des Präsidenten, Isabel dos Santos, mit schätzungsweise drei Milliarden US-Dollar Privatvermögen als die reichste Frau Afrikas. 40 Prozent der angolanischen Bevölkerung leben nach Angaben der Weltbank hingegen von weniger als 1,25 US-Dollar (ein Euro) pro Tag.

Mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts speist sich aus dem Export von Rohöl. Obwohl über drei Viertel der Angolanerinnen und Angolaner in der Landwirtschaft tätig sind, musste das Land im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden US-Dollar für den Import von Lebensmitteln ausgeben; allein die Einfuhr von Weizen nahm 2016 um 40 Prozent zu. Die Abhängigkeit vom Erdölexport hat zur Folge, dass Angola nach dem Verfall der Preise im Jahr 2015 in eine tiefe wirtschaftliche Krise geraten ist. Das ging vor allem zu Lasten der Ärmsten. So wurden die staatlichen Ausgaben um 20 Prozent gekürzt, was sich vor allem im Gesundheitswesen bemerkbar machte. Der Kampf gegen eine Gelbfieberepidemie wurde dadurch zusätzlich erschwert.

Trotz der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit war die Herrschaft dos Santos’ bislang nicht gefährdet. Das hat nicht zuletzt mit seinem autoritären Regierungsstil zu tun. Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen, die das System dos Santos in Frage stellen, landen schnell im Gefängnis, Demonstrationen werden erst gar nicht genehmigt und gegebenenfalls brutal aufgelöst. Im April wurden mehrere Jugendliche festgenommen, weil sie für faire und freie Wahlen demonstrieren wollten; im Juni wurden der bekannte Menschenrechtsanwalt Rafael Marques de Morais und der Journalist Mariano Brás Lourenço wegen eines Artikels angeklagt. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten in dem Text, der zuerst auf Morais’ Website Maka Angola erschienen war, eine öffentliche Behörde diffamiert und eine souveräne Institution beleidigt.

Mit diesem Vorgehen hat sich die alte Garde um dos Santos die politische und wirtschaftliche Macht in den vergangenen vier Jahrzehnten gesichert. Seit den ersten Wahlen nach dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2008 gab es in Angola immer nur eine klare Siegerin: die MPLA. Diese stellte als größte Fraktion im Parlament auch stets den Präsidenten. Das wird wohl auch diesmal nicht anders sein. Zum einen wacht die Partei darüber, dass sich daran nichts ändert. Zum anderen verstehen die Oppositionsparteien in Angola nicht, die Massen für sich und für eine politische Veränderung zu begeistern.

Bei den Wahlen vor fünf Jahren errang die MPLA noch knapp 72 Prozent der Stimmen. Das entsprach zwar einem Verlust von rund zehn Prozentpunkten gegenüber den Wahlen von 2008, bestätigte aber klar ihre Dominanz. Auf dem zweiten Platz folgte die Unita mit rund 19 Prozent, alle anderen Parteien gewannen weniger als zehn Prozent der Stimmen. An dieser Verteilung wird sich in diesem Jahr voraussichtlich nichts Wesentliches ändern. Insgesamt treten sechs Parteien an, neben der MPLA und der Unita gibt es die ehemalige Rebellengruppe Nationale Front zur Befreiung Angolas (FNLA), die zentristische Umfassende Vereinigung zur Rettung Angolas – Wahlbündnis (Casa-CE) und die progressive Partei der sozialen Erneuerung (PRS). Neu hinzugekommen ist die Nationale Patriotische Allianz (APN), die sich vor allem für die Belange der Jugend einsetzen möchte. Doch da die meisten dieser Oppositionsparteien nur bestimmte Provinzen des Landes vertreten und nicht mit wirklich neuen Lösungsansätzen in den Wahlkampf ziehen, bilden sie nur das Feigenblatt für die Einparteienherrschaft der MPLA.

Denn man kann in Angola nur bedingt von freien und fairen Wahlen sprechen. Die Nichtregierungsorganisation JIKU, die den Wahlprozess begleitet, wies Anfang August darauf hin, dass fast 85 Prozent der Sendezeiten im Radio und Fernsehen der MPLA gewidmet seien. Die Europäische Union musste ihre Pläne aufgeben, Wahlbeobachter nach Angola zu entsenden. Angola weigerte sich unter anderem, der EU Zugang zu allen Provinzen garantieren.

Dennoch wird in Angola in diesem Jahr ein neues Kapitel aufgeschlagen. Als Nachfolger für dos Santos hat die MPLA im Februar João Lourenço, den bisherigen Verteidigungsminister, vorgeschlagen. Seine Wahl zum Präsidenten ist reine Formsache. Mit 63 Jahren ist Lourenço knapp zwölf Jahre jünger als dos Santos und zählt damit nicht zur alten Garde der MPLA. Er hat seine militärische Laufbahn in den letzten Tagen des Unabhängigkeitskampfs gegen Portugal und insbesondere im Bürgerkrieg sowie als Gouverneur der östlichen Grenzprovinz Moxico absolviert und gilt als Parteikader. 2003 fiel er beim Präsidenten in Ungnade, weil er sich unmittelbar nach dessen erstem angekündigten Rückzug als Nachfolger ins Spiel brachte. Damals dachte dos Santos aber noch nicht ans Aufhören und so musste Lourenço seinen Posten als Generalsekretär der MPLA aufgeben. Er arbeitete beharrlich an seinem Comeback, das ihm 2014 mit der Ernennung zum Verteidigungsminister auch gelang. Nun ist sein eigentliches Ziel, Präsident Angolas zu werden, zum Greifen nah.

Sein Wahlkampf zeichnete sich nicht durch neue Ideen aus und die orches­trierten Wahlkampfveranstaltungen versprühten den realsozialistischen Charme längst vergangener Zeiten. Lourenço verspricht ein »Weiter so«, ohne Lösungen für die größten Probleme des Landes aufzuzeigen: Armut, mangelnde Gesundheitsversorgung und Korruption. Dos Santos behält im Hintergrund als Parteivorsitzender sowieso die Fäden in der Hand. Bereits im vergangenen Jahr hatte er zudem seine Tochter zur Vorsitzenden von Sonangol ernannt, dem größten Erdölkonzern Angolas, der eine zentrale Schaltstelle der Macht darstellt.