Die neue Rolle des ehemaligen US-Chefstrategen Stephen Bannon

Strategie der Spannung

Stephen Bannon kann in seiner neuen Rolle für US-Präsident Donald Trump nützlicher sein als zuvor.
Kommentar Von

Den Anfang machte die Marine. Sie werde »immer gegen Intoleranz und Hass stehen«, postete Admiral John M. Richardson am Tag nach dem Mord in Charlottesville auf Facebook. Bis zum Mittwoch voriger Woche hatten sich die Generäle Mark Milley für die Landstreitkräfte (»Die Armee toleriert keinen Rassismus«), David Goldfein für die Luftwaffe (»Gemeinsam sind wir stärker«), Robert Neller für das Marine Corps (»Kein Platz für rassistischen Hass«) und Joseph Lengyel für die Nationalgarde (»Unsere Diversität ist unsere Stärke«) ähnlich geäußert. Präsident Donald Trump wurde nicht erwähnt, dennoch war die Botschaft der Joint Chiefs of Staff deutlich.

Auf das US-Militär wird Trump in seinem Kampf gegen Demokratie und Diversität verzichten müssen. Doch aufgeben wird er diesen Kampf nicht. Warum Stephen Bannon das Weiße Haus verlassen hat, ist bislang nicht geklärt. Trump mag dem Druck des ­republikanischen Establishments nachgegeben haben oder seiner Eitelkeit – viele Medien hatten Bannon als klugen Strategen dar­gestellt, der einen tumben Präsidenten dirigiere.

Vielleicht war die Trennung aber auch, wie Bannon behauptet, einvernehmlich. »Jetzt bin ich frei«, sagte er dem Weekly Standard. »Ich habe meine Hände wieder an den Waffen.« In seinem »Krieg« für Trump werde er die »Opposition zermalmen«. Nach dem Mord in Charlottesville sollte man das nicht als pure Rhetorik abtun. Bannon geht es aber auch um den Kampf gegen die »Globalisten« in der Regierung und den Großunternehmen.

Das gibt Trump die Möglichkeit, sich als Mann der Mitte darzustellen, der gleichermaßen zum Establishment wie zur extremen Rechten Distanz hält und als einziger in der Lage ist, beide zu bändigen. Unter der Mitte soll nicht mehr die bipartisanship verstanden werden, in der Demokraten und Republikaner früher zusammengekommen sind, sondern Trumps nationalistische Politik inklusive einer Version der white supremacy, die das »weiße Amerika« wieder zum Maß aller Dinge machen soll.

Der Präsident engagiert sich für den Erhalt der Südstaaten-Monumente zum Gedenken an den Kampf für die Sklaverei. Hier hat er die Mehrheit – 62 Prozent der US-Amerikaner und 86 Prozent der Republikaner – auf seiner Seite. Die Motive, sich für den Erhalt dieser Monumente auszusprechen, sind unterschiedlich. Eine große Rolle spielt die von Filmen wie »Vom Winde verweht« popularisierte romantisch-reaktionäre Vorstellung des lost cause des ­Südens, der zufolge die kalt kalkulierenden Kapitalisten des Nordens im Bürgerkrieg eine herzenswarme Kultur wahrer Gentlemen ­zerstörten, in der noch jeder wusste, wo sein Platz ist, und damit zufrieden war. Die aktuellen Bezüge dieses Mythos im Kampf gegen »Globalisten« und Diversität sind unübersehbar.

Trump verfügt über wenig Rückhalt in den zivilen und militärischen Institutionen der USA und muss mit einem Amtsenthebungsverfahren rechnen. Da liegt es nahe, sich mit einer Strategie der Spannung an der Macht zu halten, in der Bannon als Publizist und Organisator seinen Beitrag zur stärkeren Polarisierung der Gesellschaft leistet. Trump könnte sich dann mit der bisher praktizierten Mischung aus Aufmunterung und Distanzierung als Präsident in Szene setzen, der auf die Bedürfnisse der »besorgten Bürger« eingehen muss und als einziger verhindern kann, dass es zum Schlimmsten kommt. Eine Eskalation gesellschaftlicher Konflikte in den USA zum bewaffneten Kampf galt schon vor dem Mord in Charlottesville nicht mehr als absurdes Szenario. Als der Journalist John Ricks im März Experten für nationale Sicherheit fragte, ob ein zweiter Bürgerkrieg möglich sei, gaben diese die Wahrscheinlichkeit im Durchschnitt mit 35 Prozent an.