Das Verhältnis zwischen CDU und AfD ist nicht immer, wie Angela Merkel es gern hätte

Die Mandate sind frei

Keine Zusammenarbeit mit der AfD – das ist die offizielle Parteilinie der CDU. Manche Landesverbände, Fraktionen und Mandatsträger sehen das allerdings anders.

Auf den Marktplätzen der Republik zeigte sich während des Wahlkampfes immer wieder das gleiche Bild: Während die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Auftritte absolvierte, protestierten am Rande Wutbürger mal in kleinerer, mal in größerer Zahl. Sie organisieren sich in virtuellen Netzwerken, in denen Mitglieder der »Alternative für Deutschland« (AfD) eine entscheidende Rolle spielen. Manchmal störten nur einige wenige Menschen die Auftritte mit Triller­pfeifen oder »Hau ab«-Rufen. In den östlichen Bundesländern war die Zahl der Protestierenden zumeist um ein Vielfaches höher als im Westen, beinahe jeder Auftritt der Kanzlerin erhielt Besuch.

Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach in der Neuen Osnabrücker Zeitung angesichts dessen von »selbsternannten Patrioten«, die »mit der einen Hand AfD-Plakate schwenken und die andere zum Hitlergruß heben«. Taubers Worte entsprechen der Parteilinie. Auf Bundesebene lehnt die CDU eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im »Sommerinterview« von Sat 1, man müsse »klare rote Linien« ziehen, »wo es um Verunglimpfung von Menschen geht, wo es rassistische Vorbehalte« gebe. Sie betonte, die Protestierer befänden sich in der Minderheit, und bedauerte, dass »manche einfach gar keinem Argument ­zugänglich sein möchten, sondern nur pfeifen«.

»Weder mit der AfD noch mit der Linken«

Die Ansichten der Kanzlerin und die offizielle Parteilinie haben sich offenbar noch nicht in allen Landesverbänden herumgesprochen, vor allem nicht in den östlichen. Ende August verabschiedete der sachsen-anhaltinische Landtag einen Antrag der AfD-Fraktion zur Einsetzung einer Enquetekommission, die ab dem 1. Januar 2018 den Linksextremismus in Sachsen-Anhalt untersuchen soll. Ein Großteil der CDU-Abgeordneten stimmte diesem Antrag zu. Merkel kritisierte dieses Abstimmungsverhalten, weil sie es »politisch nicht für richtig« halte. In der Bundespressekonferenz wiederholte sie ihre Aussage, die Union werde nach der Bundestagswahl »nicht mit der AfD« und »nicht mit der Linken« zusammenarbeiten. Doch ein Schlupfloch ließ sie dann doch: »Allerdings haben wir ja immer wieder über die Freiheit des Mandats diskutiert.«

Auch in Dresden verhielten sich Unionsmitglieder nicht im Sinn der Kanzlerin. Im dortigen Stadtrat stimmten NPD, AfD und CDU gemeinsam gegen einen Antrag, der die Förderung von Projekten vorsah, die sich für ein demokratisches Zusammenleben in der sächsischen Landeshauptstadt einsetzen. Der Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte die Vorlage mit insgesamt 70 Vertretern aus gemeinnützigen Vereinen, Politik und Verwaltung beraten, Ergebnis war ein lokales Handlungsprogramm für »ein vielfältiges und weltoffenes Dresden«. Der Stadtrat Georg Böhme-Korn (CDU) jedoch nannte das Programm »unsäglich« und rief Hilbert entgegen, er solle sich schämen. Nicht die Demokratie sei wesentlich, sondern die Werte seien es. Schließlich sei »das ­Ermächtigungsgesetz 1933 auch ganz demokratisch beschlossen« worden, so der Stadtrat.

Nicht nur auf Landes-, auch auf Bundesebene gibt es in der CDU Befürworter für eine engere Zusammenarbeit mit der AfD.

Die Annäherung an Kräfte rechts der CDU ist für die Partei in Brandenburg ebenfalls nicht ungewöhnlich. Im November 2011 forderte die damalige CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig in der Jungen Freiheit, »die konservative Säule der Union als Markenkern« zu stärken. Ein Jahr später schickte sie zur Eröffnung einer Zweigstelle des neurechten »Instituts für Staatspolitik« in Berlin ein schrift­liches Grußwort. Im März gab sie der Jungen Freiheit ein Doppelinterview – gemeinsam mit dem damaligen Brandenburger AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland. Darin warf sie ihrer Partei vor, der Ansicht anzuhängen, dass sich »die Achtundsechziger-Bewegung durchgesetzt« habe und die CDU »diesen Utopien hinterherlaufen« müsse.

Ludwig kritisierte die AfD als »Sammelbecken von Konservativen, Glücksrittern und Radikalen«. Die Partei werde sich früher oder später spalten. Eine engere Zusammenarbeit sei zu diesem Zeitpunkt nicht erstrebenswert, so die CDU-Politikerin. Das hinderte sie aber nicht daran, die AfD kurze Zeit später zur Aufstellung ihres Direktkandidaten für Potsdam, René Springer, zu beglückwünschen. »Endlich ein richtiger Mann im Wettbewerb« um den Wahlkreis, twitterte die 49jährige.

»Wenn sie keine Nazis hätten...«

Doch auch auf Bundesebene gibt es in der CDU Befürworter für eine engere Zusammenarbeit. »Wenn die AfD ­keine Nazis in ihren Reihen hätte«, sagte der ehemalige Oberbürger­meister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), vergangene Woche in der Talkshow »Maischberger«, müsste man über eine Koalition »nachdenken«. Schließlich sei eine rechte Partei zulässig, trotz aller Kritik von links. Die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann hatte ihre ­Partei schon im September 2016 aufgefordert, eine Koalition mit der AfD nicht grundsätzlich auszuschließen. Sie ist Mitglied im konservativen Berliner Kreis der Partei. Bekannte Mit­glieder dieser Gruppe sind Bundestagsabgeordnete wie Sylvia Pantel, Philipp Lengsfeld, Thomas Dörflinger, ­Johannes Selle, Arnold Vaatz sowie Hans-Peter Uhl von der CSU. Dem Focus hatte Bellmann im vergangenen Jahr gesagt, es gebe noch weitere Mandatsträger, die ihre Position teilten. Doch vorerst sei dies »eine absolute Minderheitenmeinung«.