Durch Begriffe wie »TERF« und »SWERF« wird dem radikalen Feminismus vorgeworfen, Transpersonen und Sexarbeiterinnen auzuschließen

Im Auge des Shitstorms

Sie werden als »trans-exclusionary radical feminists« (TERF) und »sexworker-exclusionary radical feminist« (SWERF) bezeichnet – ­radikalen Feministinnen wird vorgeworfen, Transpersonen aus­zuschließen und feindlich gegenüber Prostitution eingestellt zu sein. Doch ist das Benennen von Unterschieden schon Gewalt und »Sexarbeit« unbedingt ein Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung?

Anfang des Jahres, als sich Zehntausende Frauen in den USA zu Protestmärschen anlässlich des Amtsantrittes von US-Präsident Donald Trump zusammenfanden, berichtete die Washington Times, dass sich die Transgender-Community von der »Women’s March«-Bewegung ausgeschlossen fühle. Stein des Anstoßes war der Pussy Hat, die pinke Strickmütze mit Katzen­ohren ähnelnden Ecken, die zum Symbol der Proteste gegen Trumps noto­rische Frauenverachtung wurde. Schnell fiel in dem Zusammenhang der Begriff »trans-exclusionary radical feminists« (TERF). Dieser soll Feministinnen bezeichnen, die Transpersonen nicht als Teil feministischer Bewegungen erachten – vornehmlich geht es hierbei um Ausschlüsse von transsexuellen Frauen aus feministischen und lesbischen Räumen. Eine weitere häufige Bezichtigung seitens der Trans­gender-Community ist »sexworker-exclusionary radical feminist« (SWERF). So werden Feministinnen bezeichnet, die Prostitution kritisieren. Die beiden Akronyme markieren zwei thematische Minenfelder, denn es geht um nicht weniger als die Frage, wann eine Frau eine Frau ist.

Transfrauen haben gerade am Anfang ihres Coming-out ihre eigene Gewissheit, dass »Mann« nicht ihr Geschlecht ist, obwohl ihnen beigebracht wurde, dass sie aufgrund gewisser Körpermerkmale männlich seien. Für einige Feministinnen wie beispiels­weise Andrea Dworkin oder Julie Bindel gleicht Frausein einer sozialen Klasse, deren Mitglieder von Geburt an durch die patriarchale Struktur geformt werden. Männerfreie Räume erschienen dementsprechend notwendig, um sich als Frauen zu organisieren und sich einen Freiraum von den Zumutungen der patriarchalen Gesellschaft zu schaffen. Für Lesben kam noch hinzu, dass sie Räume suchten, in denen sie ihr sexuelles Begehren ausleben und sich von dem patriarchalen Blick emanzipieren konnten, der Frauen nur als Objekte für die männliche Sexua­lität denken kann. Auch heute noch herrscht in weiten Teilen der Gesellschaft die Ansicht vor, dass »echte« Sexualität immer einen Penis voraussetzt, der die Frau penetriert. Entsprechend abschätzig wird lesbische Sexualität betrachtet.

 

Janice Raymond: Transfrauen sind »Männer im Frauenpelz«

Ein exklusiv Frauen vorbehaltener Raum braucht aber eine Definition, wer denn nun als Frau zählt. Die in diesem Zusammenhang bekannteste Antwort hat Janice Raymond 1979 in ihrer Dissertation mit dem Titel »The Transsexual Empire« gegeben. Auf 220 Seiten entwarf sie ein grauenvolles Bild. Transfrauen seien »Männer im Frauenpelz«, die Frauenräume infiltrieren, um feministisch-lesbische Politik und Kultur zu kolonisieren. Raymond warf ihnen vor, sie würden Frauenkörper »vergewaltigen«, indem sie ihren eigenen Körper mit dem Skalpell gemäß patriarchalen Normen zurichten ­ließen.

Transmänner galten Raymond übrigens als Renegaten, die durch die Geschlechts­angleichung Vorteile im Patriarchat anstrebten. Diese Schrift hat insbesondere in den USA und in vielen europäischen Ländern die Grundlage für die Vertreibung von Transfrauen aus lesbischen und feministischen Räumen geliefert. So verloren Transfrauen Rückhalt, obwohl sie selbst von misogyner Gewalt betroffen waren. Bis heute prägt Raymonds Horrorszenario die diffuse Angst einiger lesbischer Frauen und Feministinnen, Männer könnten sich in Frauenräume einschleichen und Frauen Gewalt antun, indem sie behaupteten, sie gehörten zu ihnen. Dies zeigt sich derzeit in Großbritannien, wo sich einige Feministinnen gegen die Reform des Gender Recognition Act aussprechen, der es künftig allen Transpersonen ermöglichen soll, ihr Geschlecht ohne medizinische und psychiatrische Nachweise juristisch korrigieren zu lassen.

Vorwürfe, die sich auf Ablehnung von sexuellem Begehren beziehen, zerren an der feministischen Errungenschaft der sexuellen Selbstbestimmung.

Seit den neunziger Jahren gibt es ­allerdings in lesbischen und feministischen Kreisen eine zunächst vorsichtige, seit einigen Jahren aber immer deutlichere Wendung gegen die hasserfüllte Paranoia, die Raymond in die Welt gesetzt hat. Diese Kreise begreifen Transfrauen als Opfer der patriarchalen Gesellschaftsordnung und solidarisieren sich mit ihnen. Jene, von denen man annimmt, dass sie diesen Bemühungen schaden, werden mit dem ­Akronym TERF belegt.

 

»Begehre mich oder du bist transfeindlich!«

Inzwischen wird TERF vor allem in sozialen Netzwerken teilweise als virtueller Totschläger eingesetzt, der vorhandene Differenzen brachial einebnen soll. So eskalierte im Herbst 2016 die Auseinandersetzung um die Podiumsdiskussion »Dyke Out« in Berlin, als Lesben zu TERFs erklärt wurden, weil sie einigen wenigen Queer-Aktivisten widersprachen, die der Rapperin Sookee Trans- und Frauenfeindlichkeit vorgeworfen hatten. Auch über die lesbische Journalistin Stephanie Kuhnen ist auf Twitter zu lesen, sie sei eine TERF. Als Beleg wird unter anderem der Umstand angeführt, dass sie im Vorwort ihres neues Buchs »Lesben raus« Lesben und Transgender trenne und somit nur Cis-Frauen als Lesben begreife. Dabei ging es der Autorin um die Beschreibung der Mitwirkenden des Buches. Aufmerksameren Leserinnen und Lesern ist sicher nicht entgangen, dass es nicht nur Beiträge von Frauen, sondern auch von einem Transmann und einer genderqueeren Person enthält.

Auch an anderen Stellen wird der TERF-Vorwurf überdehnt. So werden inzwischen Lesben als TERFs beschimpft, wenn sie äußern, dass sie keinen Sex mit einer Person mit Penis möchten. Nach dem Motto: »Begehre mich oder du bist transfeindlich!«

Der Wunsch nach geschlossenen Workshops, etwa zu Menstruation oder vaginaler Ejakulation und Squirting, gilt Vertreterinnen und Vertretern dieser Sichtweise ebenso als transfrauenfeindlich. Denn solche Veranstaltungen seien ein Ausdruck von Cis-Pri­vilegien, die nicht angemessen reflektiert würden. Jedoch haben Menschen grundsätzlich das Recht, Veranstaltungen zu einem Thema mit einer klar definierten Zielgruppe zu machen. Wer Workshops, die sich der Erkundung des weiblichen Körpers widmen, transfeindlich nennt, ignoriert, dass viele Frauen nach wie vor kaum einen ­positiven Bezug zu ihrem Körper und ihrer Sexualität haben. Vorwürfe, die sich auf Ablehnung von sexuellem Begehren beziehen, zerren hingegen ­unangenehm an der feministischen Errungenschaft der sexuellen Selbst­bestimmung von Frauen, was notwendigerweise vehementen Widerstand hervorruf. In diesem Verständnis von Politik und Aktivismus gilt das Be­nennen von Unterschieden bereits als Gewalt und verwirft damit jede strukturelle Analyse, die einst Grundlage ­feministischer Theorie und Politik war.

 

Wer Sexarbeit nicht als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung sieht, wird SWERF genannt

Letzteres findet sich auch in den ­Debatten um Prostitution wieder, bei denen diejenigen, die Prostitution nicht als selbstbestimmte Tätigkeit sehen, als SWERF gebrandmarkt werden. Einzelpersonen und Organisationen, die unermüdlich auf die offensichtlichen Probleme im Rotlichtmilieu hinweisen, etwa dass dieses fest in der Hand krimineller Banden von Menschenhändlern ist, werden zu Feinden des Feminismus erklärt. Stattdessen wird in queerfeministischen Kreisen von »Sexarbeit« gesprochen, die oft als Ausdruck befreiter Sexua­lität und weiblicher Selbstbestimmung verklärt wird. Wie frei jedoch Sexualität in einem Markt ist, der ganz und gar auf die Bedürfnisse der männlichen Kundschaft zugeschnitten ist, bleibt unbeantwortet. Kritikerinnen und Kritiker der Zustände in der Prostitution wird hingegen unterstellt, dass sie sich gegen Prostituierte wenden, auch wenn diese betonen, dass es ihnen nicht um die Bestrafung der Frauen, sondern der Männer geht.

Selbstbestimmung ist jedoch für viele Prostituierte eine hohle Phrase, denn der Großteil des hart verdienten Geldes wandert in die Taschen von Bordell­betreibern, Zuhältern und Menschenhändlern. Warum die Gesetzesmä­ßigkeiten des Kapitalismus ausgerechnet die Prostitution umgehen und aus ihr einen rosaroten Ponyhof machen sollten, wie viele Queerfeministinnen offenbar glauben, bleibt deren Geheimnis. Dem stark weichgezeichneten Bild der durchweg selbstbestimmten Sexarbeiterin kann nur zustimmen, wer sich von der gesellschaftlichen Realität abwendet oder die Verdinglichung von Frauen zur Ware als Emanzipation missversteht.