In Dessau forderten Tausende Menschen Aufklärung im Fall Oury Jalloh

Gedenken für Deutsche

Während in Dessau Tausende Menschen des vor 13 Jahren in Polizeigewahrsam ums Leben gekommenen Oury Jalloh ge­dachten und lautstark Auf­klä­rung forderten, ver­anstalteten die AfD und andere Rechts­extreme eine Gegen­kundgebung
Raucherecke Von

REIn den Parlamenten hat die AfD klassischen Neonaziparteien längst den Rang abgelaufen – nun möchte sie Ähnliches offenbar auf der Straße wiederholen. Waren es bisher vor allem die NPD und rechtsextreme Kleinstorganisationen, die zu Mahnwachen und Schweigemärschen gegen »Ausländergewalt« aufriefen, übernimmt diese Rolle mittlerweile immer öfter die AfD.

So liefen am Samstag unter ihrer Führung Hunderte Personen durch Dresden, nachdem kurz vor Silvester mehrere Jugendliche im Hauptbahnhof verletzt worden waren, einer davon schwer. Der Polizei zufolge seien die Täter im Alter von etwa zwölf bis 16 Jahren »vom Aussehen her als südländisch, nordafrikanisch, arabisch beschrieben« worden. Die AfD nennt den Angriff »rassistisch motiviert«.

Weniger empathisch zeigte sich die Partei tags darauf in Dessau. Etwa 3 000 bis 4 000 Menschen waren dem Aufruf der »Initiative in Gedenken an Oury Jalloh« gefolgt und forderten Aufklärung über die Umstände des Feuertods von Jalloh in der Arrestzelle. Es dürfte die bislang größte der jährlich stattfindenden Gedenkdemonstrationen gewesen sein. Immer wieder skandierten die Demonstrierenden: »Oury Jalloh – das war Mord!« Gleichzeitig veranstaltete die AfD eine Kundgebung gegen die »Diskreditierung von Polizei und Justiz«. Behörden und Einwohner Dessaus seien »seit Jahren von Linken gebeutelt«, sagte der AfD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Kriminalhauptkommissar Mario Lehmann auf der Demonstration vor etwa 150 Zuhörern. Unter den Teilnehmern befanden sich mehrere Neonazis und Prominente der extremen Rechten wie das Pegida-Führungsteam um Lutz Bachmann und Siegfried Däbritz sowie Vorstandsmitglieder des Vereins »Patriotische Plattform«, der dem völkischen Flügel der AfD nahesteht.

Der AfD-Landesvorsitzende André Poggenburg behauptete, dass seine Partei nicht gegen Aufklärung im Fall Oury Jalloh sei. Doch allzu glaubwürdig wirkte das, zumal nach dem Auftritt von Lehmann, nicht. Dieser hatte unter anderem gesagt, dass der Asylsuchende Jalloh nicht in Deutschland hätte sterben müssen, wenn er frühzeitig abgeschoben worden wäre. Zudem hatte Lehmann beklagt, dass der Dessauer Opfer der Luftangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg nicht gedacht werde. Andere Redner thematisierten Straftaten von Migranten und die Gefahr, die von Linken ausgehe.

Am Ende durfte sich die AfD dennoch freuen: Einige der an der Gedenkdemonstration Teilnehmenden gingen auf die Provokation der Rechtsextremen ein. Obwohl die Initiative vorab darum gebeten hatte, auf »Gewalttätigkeiten« zu verzichten, entfernten einige Personen die Absperrungen zwischen beiden Seiten und warfen Gegenstände, darunter Flaschen und Böller. Die Polizei reagierte ­zurückhaltend, wohl auch weil schnell zahlreiche Ordner zur Stelle waren und die Situation entspannten.

Einige Stunden später veröffentlichte Poggenburg auf Twitter zwei kurze Videos von dem Vorfall, die den »gewaltbereiten linken Mob in Dessaus Straßen« zeigen sollen. Als offensichtlich gewalt­bereit entpuppen sich darin jedoch auch seine eigenen Leute: Diese putschen sich gegenseitig auf und schlagen herausfordernd in die Hände. Zudem sind Kommentare wie »Ratten!« und »Ey, die ganzen schwarzen Affen, Alter!« zu hören. Dass diese Rassisten an Aufklärung im Fall Oury Jalloh interessiert sind, darf getrost bezweifelt werden.