David Gerard, Unix-Systemadministrator, im Gespräch über die Zukunft der Kryptowährungen

»Bei Bitcoin geht es weniger um Technologie als um Psychologie«

Seite 2 – Die Blase wird platzen
Interview Von

Eine Weiterentwicklung der Blockchain sind sogenannte Smart Contracts.
Mit Smart Contracts soll man Rechts- und Geschäftsbeziehungen in einem Computerprogramm automatisieren, das ohne menschliche Einflussnahme arbeitet. Ein paar Leute gehen noch weiter und glauben, dass man damit große Teile des Rechtssystems ersetzen könnte. Keine Anwälte, keine Richter, nur ein Computer, der entscheidet, was als Nächstes passiert.

Diese Idee zeugt von wenig Verständnis des Rechtssystems. Bei Gesetzen geht es nicht nur um Fakten, sondern auch Intention und Bedeutung, während Computerprogramme nur mit Fakten arbeiten. Das schlimmste an Smart Contracts ist ihre Unveränderbarkeit. Sie sollen in der Welt funktionieren. Was ist, wenn sich die Welt ändert? Was ist, wenn sich die Gesetze ändern und der Smart Contract etwas ausführt, was nun illegal ist? Es ist okay, Dinge zu automatisieren, aber es muss Eingriffsmöglichkeiten für Menschen geben.

Gibt es derzeit überhaupt konkrete Anwendungsbeispiele von Blockchains jenseits von Spekulation?
Grundsätzlich gibt es kein Anwendungsgebiet für eine Blockchain im Stil von Bitcoin, die öffentlich ist und von jedem eingesehen werden kann. Kein Unternehmen würde seine vertraulichen Informationen auf eine ­öffentliche Blockchain packen. Und eine private Blockchain ist im Prinzip eine dezentrale Datenbank. Aber bisher gibt es nicht wirklich viele Anwendungen dafür. Man sieht Ankündigungen von Pilotprojekten, aber sehr wenige Beispiele, wo es wirklich ein­gesetzt wird.

»Es ist ziemlich eindeutig, dass die Ideen, die in Bitcoin eingeflossen sind, aus der politische Umgebung der libertären Rechten stammen.«

Es gab ein Pilotprojekt der UN, ­digitale Lebensmittelgutscheine an Flüchtlinge in Jordanien auszu­geben.
Das Welternährungsprogramm hat die Ethereum-Blockchain dafür benutzt. Das hierfür entwickelte Programm lief sehr gut. Aber nicht weil es Ethereum eingesetzt hat, sondern weil man die Gutscheinverteilung intern betrieben hat. Das Programm nutzt dafür eine private Version von Ethereum als Back­end-Datenbank seines Systems. Das ganze läuft also getrennt von der öffentlichen Blockchain. Man hat das so gemacht, weil man auch andere Organisationen dafür gewinnen wollte, sich zu beteiligen. Ich freue mich, dass das Projekt funktioniert. Aber ich würde nicht sagen, dass es ein Beipiel ist, das andere nachmachen sollten. Es gibt hier keine Notwendigkeit für den Einsatz von Ethereum oder einer anderen Blockchain-Software.

Die meisten Bitcoin-Verfechter lehnen Kontrolle und Einmischung durch Regierungen ab. Einflussreiche Verfechter von Kryptowährungen bezeichnen sich selbst als Anarchokapitalisten oder Libertäre. Ist rechtes Gedankengut nur eine Tendenz oder die ideologische Grundlage von Bitcoin?
Es ist ziemlich eindeutig, dass die Ideen, die in Bitcoin eingeflossen sind, aus der politische Umgebung der libertären Rechten stammen. Einige Leute wollen einfach weniger Regierung, aber viele sind sehr ideologisch und vertreten einen sogenannten Anarchokapitalismus, in dem man Eigentum ohne Regierung haben kann. Wenn man mit Bitcoin-Verfechtern spricht, hört man oft Sachen wie: »Wir schaffen es ohne Regierung und ohne Zentralbanken!« Viel davon geht auf rechte Verschwörungsideologien zurück, in denen Zentralbanker die Welt regieren – also antisemitische Propaganda.

Kleinanleger können Kryptowährungen per Kreditkarte kaufen und klassische Finanzinstitute wollen sich beteiligen. Entsteht durch die Kryptomärkte ein Risiko für die Weltwirtschaft?
Ich glaube, das Risiko besteht noch nicht. Aber die Befürchtungen sind da. Niemanden kümmert es, wenn sich die Krypto-Leute gegenseitig ausbeuten, aber wenn Großmütter anfangen, Kryptos zu kaufen, sollte man sich Gedanken zu machen. Es ist ein Glücksspiel, kein Investment. Ich will, dass der Hype so bald wie möglich ein Ende hat so dass weniger Leute geschädigt werden, wenn die Blase platzt. Und sie wird platzen.