Proteste gegegen Korruption in Guatemala

Der Pakt macht Probleme

In Guatemala halten die Proteste gegen Korruption und Straflosigkeit an. Zuletzt sorgte die Wahl des Parlamentspräsidiums für Unmut.

Die Wahl bestätigte die Befürchtungen vieler Guatemaltekinnen und Guatemalteken. Am 12. Januar wählte der Kongress ein neues Präsidium. Parlamentspräsident wurde Álvaro Arzú Escobar, der Sohn des Bürgermeisters von Guatemala-Stadt, Álvaro Arzú Irigoyen, der derzeit wegen Korruption und Veruntreuung strafrechtlich verfolgt wird. Zur ersten Kongresssitzung unter dem neuen Präsidium am Sonntag darauf versammelten sich Hunderte Menschen vor dem weiträumig von Polizei und Spezialkräften des Militärs abgesperrten Kongressgebäude, um gegen die Wahl des neuen Kongresspräsidenten und die korrupten Strukturen in Armee und Oligarchie des Landes zu demonstrieren.

Während Staatspräsident Jimmy Morales den Regierungsbericht seines zweiten Amtsjahres präsentierte, warfen die Demonstrierenden der Regierung vor, das einzige, was sie erreicht habe, sei, sich zu bereichern und einen »Pakt der Korrupten« zu schließen. Die von Menschenrechtlern, Indigenen und Akademikern gegründete »Bürgerversammlung gegen die Korruption und Straflosigkeit« hatte 2017 behauptet, 112 von 158 Kongressabgeordneten seien Teil eines solchen Paktes, mit dem sie sich gegenseitig vor Korruptionsermittlungen bewahrten. Morales entgegnete den Demonstrierenden: »Die legitime republikanische Autorität wird an den Urnen und vom Volk gewählt, und diese Gewalt sollte von den Gewählten, nicht durch medialen oder faktischen Druck, ausgeübt werden.« Damit machte er deutlich, dass er auch weiterhin nicht beabsichtigt, sich dem öffentlich Druck zu beugen.

Bereits im September waren bis zu 200 000 Menschen gegen Morales und die korrupten Strukturen im Land auf die Straße gegangen. Morales, der im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2015 mit dem Slogan »Weder korrupt noch ein Dieb« geworben hatte, steht seit längerem selbst unter Korruptionsverdacht und versuchte, Ermittlungen gegen sich unter anderem mit der Ausweisung des leitenden Ermittlers der Internationalen Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) zu verhindern.

Vor der Wahl des neuen Kongresspräsidiums hatten auch Vertreter anderer Staaten vergeblich versucht, auf diese Einfluss zu nehmen. Der Botschafter der USA, Luis Arreaga, begann das Jahr 2018 bereits mit einer Aufforderung an den guatemaltekischen Kongress, den Kampf gegen die Korruption endlich voranzutreiben, und forderte, »dass der Kongress ein Präsidium wählt, das sich dem Kampf gegen die Korruption und die Straflosigkeit verschrieben hat«. Der neue schwedische Botschafter Anders Kompass fand ebenfalls deutliche Worte. Im Bezug auf die »korrupte Gesellschaft« in ­Guatemala sagte er: »Das Problem sind dysfunktionale öffentliche Institutionen, nicht die Menschen.« Prompt bestellte ihn das guatemaltekische Außenministerium ein. In Guatemala lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Armut, die Korruption verhindert wichtige Reformen.

Mit der Vereidigung einer Auswahlkommission durch den Kongress begannen auch die Vorbereitungen für die Ernennung eines neuen Generalstaatsanwaltes im Mai dieses Jahres. Die amtierende Generalstaatsanwältin Thelma Aldana steht nach Ablauf ihrer vierjährigen Amtszeit nicht erneut für das Amt zur Verfügung. Zu ihrer Zusammenarbeit mit der Regierung sagte sie: »Ich sehe im Präsidenten ­keinen Verbündeten im Kampf gegen die Korruption.«

Sollte es Morales und seinen Unterstützern gelingen, einen ihnen genehmen Generalstaatsanwalt zu ernennen, könnte dies das Ende für viele der laufenden Strafverfahren gegen korrupte Politiker bedeuten. Derzeit werden mindestens 31 Kongressabgeordnete strafrechtlich verfolgt oder wurden bereits verurteilt. Nicht zuletzt Morales selbst droht ein Strafverfahren wegen unzulässiger Wahlkampffinanzierung. Auch Morales’ Vorgänger Otto Pérez Molina, der Ende 2015 zurücktreten musste, wird wegen Zollbetrugs, Korruption und Steuerhinterziehung angeklagt und befindet sich in Untersuchungshaft.

Der Vater des neuen Kongresspräsidenten, Álvaro Arzú Irigoyen, war von 1996 bis 2000 Staatspräsident. In diesen Zeitraum fällt auch der Mord an dem Bischof Juan Gerardi am 26. April 1998, mit dem der Bürgermeister aufgrund neuer Beweise nun als Hintermann in Verbindung gebracht wird. Mitte Januar wurde der Kongressabgeordnete Julio Antonio Juárez Ramírez verhaftet. Er soll den Mord an Danilo Efraín Zapón López beauftragt haben. Der Journalist hatte zuvor einen kritischen Artikel über den damaligen Bürgermeister von Santo Tomás La Unión veröffentlicht. Bei dem Attentat 2015 wurde auch der Journalist Federico Benjamín Salazar Gerónimo getötet, der Journalist Marvin Israel Túnchez Ayala wurde verletzt.

Am Montag fanden weitere dezentrale Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern statt, um einen eigenen Bericht zum vergangenen Regierungsjahr zu präsentieren. In Jutilapa wurde dabei ein Teilnehmer der vom Landarbeiterkomitee Codeca organisierten Demonstration von einem Lastwagen überfahren und erlag seinen Verletzungen. Am Freitag voriger Woche gab es eine weitere Demonstration im Departamento Petén im Nord­osten.

Bis zur Ernennung des neuen Generalstaatsanwalts dürfte sich der Konflikt weiter zuspitzen. Die Demonstrierenden wollen Rückschritte bei der Bekämpfung der Korruption und der verbreiteten Straflosigkeit verhindern.