Die FPÖ vereint Antisemitismus und Antifeminismus

Straches stramme Mädel

Antisemitismus, Antifeminismus und Homophobie sind im Weltbild der FPÖ untrennbar miteinander verbunden. Propagiert wird der Kampf gegen den »Gender-Wahn« auch von »nationalist girls«.

Der Antisemitismus der FPÖ ist kein neues Phänomen. Er begleitet die Partei, seit sie 1956 aus dem »Verein der Unabhängigen« hervorging, dem Sammelbecken von Altnazis in Österreich. Mal tritt er offen, mal kodiert in Erscheinung, etwa in den berüchtigten Aussagen Jörg Haiders zur »ordentlichen Beschäftigungspolitik« des NS-Regimes oder in seinen Angriffen auf den damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Ariel Muzicant, aus den neunziger und nuller Jahren. Heinz-Christian Strache, selbsternannter »neuer Jude«, erschien 2010 mit Burschenschafterkappe in Yad Vashem und postete 2012 eine antisemitische Karikatur auf Facebook. Andreas Mölzer erklärte 2014 den Nationalsozialismus für liberaler als die EU. Udo Landbauer schließlich, 2018 Spitzenkandidat der FPÖ in Niederösterreich, war bis vor kurzem Vizevorsitzender jener Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, in deren Liederbuch der Nationalsozialismus verherrlicht und offen zur Fortsetzung der Vernichtung der Juden aufgerufen wird. Diese »Einzelfälle« wiederholen sich mit einer bemerkenswerten Regelmäßigkeit. Mit Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands kann man sagen, dass der Antisemitismus der FPÖ kein Beiwerk der Agitation, sondern in die Programmatik der Partei – und hier vor allem in das Bekenntnis zur (deutschen) Volksgemeinschaft – eingeschrieben ist.

Ebenso gehört der Antifeminismus fest zum Weltbild der FPÖ, wobei das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft das Scharnier zwischen Antisemitismus und Antifeminismus bildet. Während der Antisemitismus mittlerweile meist eher verschleiert wird, treten Sexismus und Antifeminismus in der FPÖ offen zutage.

Der FPÖ-Kader Johannes Hübner etwa, der 2017 den Verfassungsjuristen Hans Kelsen als »eigentlich Hans Kohn« antisemitisch gekennzeichnet hatte, sagt Frauen einen natürlichen »Nestbauinstinkt« nach, durch welchen sie Männer einschränken würden. Vermeintlichen »Alphatieren« seines Geschlechts attestierte er an anderer Stelle »wie im Tierreich« eine polygame Neigung sowie »den Drang, den eigenen Samen weit zu verbreiten«.

Antifeministisch äußern sich aber auch weibliche FPÖ-Abgeordnete wie Anneliese Kitzmüller, dritte Nationalratspräsidentin und Mitglied eines neu installierten Gremiums zur Umsetzung des Regierungsprogramms. Abseits ihrer politischen Funktionen ist die ehemalige FPÖ-­Familiensprecherin Vizeobfrau der »Mädelschaft Iduna zu Linz« und Mitglied der »Pennalen Mädelschaft Sigrid zu Wien«. In beiden Vereinigungen pflegt man »germanische« Bräuche wie die Sonnwendfeiern und das Julfest, besucht die 200-Jahrfeier des Wartburgfests und schaut auf der Rückreise in der Gedenkstätte Walhalla in Donaustauf bei Regensburg vorbei.

Auf der Internetseite von Iduna zu Linz ist auch die Kornblume zu sehen, das Symbol der antisemitischen Schönerer-Bewegung. Im Rahmen ihres Literaturabends beschäftigt sich die Mädelschaft mit Werken Joachim Fernaus, eines ehemaligen SS-Obersturmführers, dessen Kriegsberichte von der Ostfront in zentralen NS-Propagandame­dien wie Der Völkische Beobachter und Das Schwarze Korps veröffentlicht wurden. Auf der Facebook-Seite der Mädelschaft Sigrid findet sich die bezeichnende Aussage: »Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es ­einig war.« Ihre Mitglieder äußern expliziten Antifeminismus. Mit Postings wie »Putting feminists in their place« oder »Family instead of feminism« wird die Frauenemanzipation als Bedrohung charakterisiert, der die »nati­onalist girls« entschieden entgegentreten, unter anderem mit dem Slogan »Nothing as dangerous to feminism as a traditional girl«, der samt des Hashtags #nationalstattasozial und einem Bild einer im kurzen Dirndl über grüne Wiesen gen unberührte Berge schreitenden blonden Frau auf ihrer Facebook-Seite prangt.

Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen der FPÖ und der konservativen ÖVP war Kitzmüller für Frauen- und Familienangelegenheiten zuständig. Schon 2015 sprach sie sich gegen das Adoptionsrecht homosexueller Paare aus – ein solches »Konstrukt« bezeichnete sie als »ungeeignet für die Psyche der Kinder«. Einige Passagen des Regierungsprogramms tragen ­unverkennbar ihre Handschrift, zum Beispiel wenn prominent die »Be­sonderheit beider Geschlechter« als »Mehrwert für die Gesellschaft« hervorgehoben wird. »Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden«, ist im Abschnitt »Frauen« zu lesen. Das Thema Gewaltprävention wird im selben Abschnitt mit der Migration verknüpft.

Das entspricht den Richtlinien des »Handbuchs freiheitlicher Politik«, das 2013 unter maßgeblicher Mitarbeit von Norbert Hofer, inzwischen Infrastrukturminister, herausgegeben wurde. Frauenpolitik wird hier vor allem im Rahmen von Familien- und Migrationspolitik verhandelt. Im Zentrum steht die Festigung der Mutterrolle österreichischer Frauen, während die angeblich »hohe Fertilität« Zugewanderter beklagt wird. Frauenquoten werden ­abgelehnt – durch diese würden Frauen als unfähig dargestellt, so die Ansicht einer Partei, die mehr Burschenschafter als Frauen unter ihren Parlamentsabgeordneten hat.

Dass Frauen in der FPÖ in der Minderheit sind, mag angesichts der politischen Haltung von FPÖ-Funktionärinnen wie Kitzmüller kaum erwähnenswert sein. Es manifestiert sich darin jedoch die Grundhaltung der Partei zu Geschlechterverhältnissen. So wird in besagtem Handbuch darauf bestanden, dass die eindeutige Geschlechtsidentität mit den traditionellen Rollen von Natur aus festgelegt sei. Sie aufzuweichen, sei also wider die Natur. Die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern und Partnerinnen wird ebenso abgelehnt wie deren Recht auf Adoption. Geschlechtersensibles Formulieren und Gender Mainstreaming seien Ausdruck von »Gender-Wahn« und »ideologische Geschlechtsumwandlung«.

 

Gender Mainstreaming als Verschwörung gegen das »Volk«

 

Die Ideologie der FPÖ begreift Gender Mainstreaming nicht als Gleichstellungsstrategie. Vielmehr hält sie es für ein Instrument zur Verwischung eindeutiger Geschlechtsidentitäten, womit die Zerstörung kultureller Identität einher gehe. Ziel von Gender Mainstreaming sei die Schaffung eines »neuen Menschen ohne feste Geschlechter­identität«, die »Abschaffung der Familie«, die Befreiung der Frauen von der »Bürde des Kinderkriegens« und das Verfügbarmachen von Frauen für »außerhäusliches Arbeiten«. In diesem »totalitären Denkansatz« habe »sich der Kommunismus mit dem ausschließlich am Profit orientierten globalen Kapitalismus verbündet«, schrieb Kitzmüller in ihrem 2011 erschienenen Buch »Wir sind Familie«. Gleichlautende Passagen finden sich im »Handbuch freiheitlicher Politik«. Diese Ideen schlagen sich nun auch im Programm der neuen Regierung nieder: Leistungen zur Familienförderung sollen erhöht, Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe hingegen gekürzt werden. Während Arbeitslose unter ­Generalverdacht gestellt werden, sich »durchzuschummeln«, wird die Prokreation der »einheimischen« Bevölkerungsgruppe propagiert.

Der Antisemitismus und der Anti­feminismus der FPÖ bedienen sich ähnlicher Codes und ideologischer Versatzstücke, etwa Verschwörung gegen das Volk, Zersetzung kultureller Identität, Stärkung von Kapitalismus und Kommunismus als gleichermaßen internationalistischer Kräfte. Allein die Worte »Jude« und »jüdisch« findet man in diesem Zusammenhang nicht. An die Stelle der Juden als Feindbild treten die zersetzenden »Gendertheoretikerinnen« und »radikalen Feministinnen«. Die Einzige von ihnen, die im »Handbuch freiheitlicher Politik« und in Kitzmüllers »Wir sind Familie« namentlich genannte wird, heißt Shu­lamith Firestone.

Die Klientel der FPÖ dürfte daraus mühelos ihre Schlüsse ziehen. Sie dürfte ebenfalls wissen, wie es zu verstehen ist, dass der »Spekulant« George Soros »gut vernetzt« ist, auch wenn der FPÖ-Europaabgeord­nete Harald Vilimsky es vermeidet, ihn als jüdisch zu benennen.

Das Programm der Koalitionsregierung enthält bemerkenswerterweise ein »Bekenntnis zu Israel als jüdischem Staat«. Gleichzeitig hat die FPÖ mit der parteilosen Karin Kneissl eine Politikerin zur Außenministerin gemacht, die den Zionismus als eine »Blut-und-Boden-Ideologie« bezeichnet. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), als ehemaliger Redenschreiber Haiders maßgeblich verantwortlich für dessen antisemitische Agitation gegen Ariel Muzicant, will Flüchtlinge an einem Ort »konzentrieren«. Geld und Mobiltelefone sollten ihnen abgenommen werden. Abgesehen hat man es aber auf alle Armen, Arbeitslosen und vermeintlich Untüchtigen. Offen bleibt, ob jene Wähler und Wählerinnen der FPÖ, denen nun die finanziellen Mittel gekürzt werden, das Angebot der ideologischen Kompensation durch Rassismus, Antifeminismus und Antisemitismus annehmen werden oder ob sie sich doch dagegen zur Wehr setzen.