Atmosphärische Störungen – die SPD-Mitgliederbefragung zur Großen Koalition hat begonnen

Keine Stimmen, miese Stimmung

Seite 2 – Das Gesicht der »NoGrokos«

 

Kevin Kühnert kann man diesen Vorwurf sicher nicht machen. Der Bundesvorsitzende der Jusos ist das Gesicht der innerparteilichen Gegner der Großen Koalition. In Duisburg füllt er eine Halle mit fast 500 Zuhörern. Neben sehr vielen Jusos sind auch ältere SPD-Anhänger da, darunter einzelne Landtagsabgeordnete. Kühnert beantwortet entspannt Reporterfragen und erfüllt Selfie-Wünsche von Juso-Mitgliedern. Ein Fan davon ist er nicht. »Personenkult und übertriebene Identifikationen sollte man sich sparen«, sagt er später am Abend mit Blick auf die Wahlkampagne des inzwischen geschassten SPD-Vorsitzenden Martin Schulz.

 

Die Strukturen in der SPD sind festgefahren, aber derzeit hoffen viele junge Parteimitglieder, sie verändern zu können.

 

In Duisburg diskutiert Kühnert mit dem Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber. Der ist für die Große Koalition. Sie bringe »konkrete ­Verbesserungen für Hunderttausende Menschen«. Kühnert sieht das anders. Er findet, die SPD beschränke sich selbst zu sehr in ihren Forderungen und Ideen. Inhaltlich sind Kelber und Kühnert oft nicht weit auseinander, nur ihre Bewertung ist unterschiedlich. Fast zwei Stunden diskutieren sie an diesem Abend mit­einander. Nach der Veranstaltung geht es für Kühnert noch mit einigen Jusos in eine Eckkneipe in der Duis­burger Innenstadt. Die Stimmung ist gut: 500 Menschen bei einer Juso-­Veranstaltung, das gibt es nur selten. Von vielen Parteimitgliedern bekommen die Jusos gerade enormen Zuspruch. Kühnert sagt: »Wenn wir den Job nicht machen, macht ihn ja sonst keiner.«

Die Strukturen in der SPD sind festgefahren, aber derzeit hoffen viele junge Parteimitglieder, sie verändern zu können. Kühnert ist sich sicher: »Egal was bei der Abstimmung rauskommt, wir haben ein paar Leute erreichen können, die wissen, was nötig ist, um die Partei zu verändern.« Nachts um ein Uhr wird der Juso-Vorsitzende zu seinem Hotel am Duisburger Hauptbahnhof gebracht. Viele Umarmungen und gute Wünsche begleiten ihn. Spätestens beim SPD-Bundesparteitag am 22. April in Wiesbaden will man sich wiedersehen. Dann soll Nahles zur neuen Vorsitzenden gewählt werden. Sollte Kühnert mit seiner »No Groko«-Kampagne gegen den Großteil der SPD-Bundesspitze überraschenderweise Erfolg haben, wäre allerdings völlig offen, was in zwei Monaten in Wiesbaden passiert.