Die Bundesländer verdienen Geld mit der Arbeitskraft von Häftlingen

Gefängnisse als Sonderwirtschaftszonen

Seite 2 – Die Gefangenengewerkschaft (GG/BO) aus der JVA Tegel in Berlin

 

Das Land Niedersachsen wirbt damit, dass Kunden auf ihre Auftragsspitzen ohne eigene Investitionen flexibel rea­gieren könnten. Die Blätter für Deutsche und Internationale Politik kommen zu dem Schluss, dass Gefangenenarbeit die Verlagerung der Produktion ins Ausland überflüssig mache. Stattdessen kann man mitten in Deutschland auf eine Sonderwirtschaftszone zurückgreifen, in der die Beschäftigten fast keine Rechte, aber die Pflicht zur Arbeit haben und in denen Dumping­löhne die Regel sind. Von dieser besonderen Ausbeutung der Arbeitskraft profitieren auch die Vollzugsanstalten.

Die externen Unternehmen zahlen für die Produkte einen Betrag, der den Lohn der Gefangenen manchmal um mehr als das Zehnfache übersteigt. Die Differenz kommt der JVA zugute. Die Blätter für Deutsche und Inter­nationale Politik klassifizieren die Arbeit im Gefängnis so: »Die Grund­konstellation entspricht derjenigen der Arbeitnehmerüberlassung bei Leih­arbeitsfirmen – jedoch ohne wichtige Schutzmechanismen wie den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Informationspflicht gegenüber den Betriebsräten des Entleihers.«

 

Die Gewerkschaft steht jetzt vor der Frage, ob sie in der Lage ist, notfalls einen Arbeitskampf für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu führen. Das wäre eine Herausforderung, weil es für arbeitende Gefangene keine Gewerkschaftsrechte gibt.

 

2014 haben Gefangene der JVA Tegel in Berlin die Gefangenengewerkschaft (GG/BO) gegründet, die innerhalb weniger Monate auch in vielen anderen Gefängnissen Mitglieder gewonnen hat. Die beiden zentralen Forderungen der GG/BO sind die Einbeziehung aller Gefangenen in die Rentenversicherung und ein Mindestlohn. Dass sich die Gewerkschaft so schnell ausbreiten konnte, liegt unter anderem daran, dass viele Gefangene mit ihrer rechtlosen Situation und der Vorenthaltung von Lohn und sozialer Sicherungen sehr unzufrieden sind. Oliver Rast, der Sprecher der GG/BO, bezeichnete es als größten Erfolg der Organisation, dass es ihr gelungen sei, das Gefängnis als Ort von Dumpinglöhnen und fehlenden Arbeitsrechten ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.

Es ist in der Tat auffällig, dass die ­Berichte über die Arbeit im Gefängnis bei Niedriglohn und fehlenden Rechten nach der Gründung der GG/BO häufiger geworden sind.

Allerdings steht die Gewerkschaft jetzt vor der Frage, ob sie in der Lage ist, notfalls einen Arbeitskampf für die Durchsetzung ihrer Forderungen zu führen. Das wäre schon deshalb eine Herausforderung, weil es für arbeitende Gefangene auch keine Gewerkschaftsrechte gibt. Bisher ist die GG/BO in keinem Bundesland als Tarifpartner anerkannt. Regelmäßige Treffen aller Gewerkschaftsmitglieder sind nicht möglich. Das sind schlechte Voraussetzungen für eine Organisa­tion, die es mit der Interessenvertretung ernst meint.

So hat die Sonderwirtschaftszone Gefängnis alle Merkmale einer fast schrankenlosen Mehrwertauspressung mit niedrigen Löhnen und de facto ohne Rechte. »Im Mittelpunkt der Probleme, die Strafgefangene und ent­lassene Strafgefangene haben, steht das Arbeitsverhältnis«, schrieben die Herausgeber des im Suhrkamp-Verlag 1978 erschienenen Buches »Gewerkschaften und Strafvollzug«. 40 Jahre später ist der Stellenwert der Arbeit hinter Gittern gewachsen, höhere Löhne und mehr Rechte haben die Gefangenen hingegen nicht.