Kritische Astrologie - Die Bitcoin und ihre Macht über unser Leben

Millionär mit Holzbein und Augenklappe

Kolumne Von

LFVor Jahren las ich einmal von einem Personaler eines großen Finanzunternehmens, der eine ganz hervorragende Art und Weise kannte, seine Bewerber zu testen: Er legte ihnen einfach den Wirtschaftsteil der Zeitung vor und bat sie, daraus vorzulesen. Schon am Tonfall und der Art des Vortrags, so seine Behauptung, könne er erkennen, ob der Kandidat weiß, wovon er da spricht. Diesen Personalmanager würde ich heute gerne zu Rate ziehen, wenn Experten in großen Spiegel-Interviews über Bitcoins sprechen; zumindest aber würde ich es gern einmal live hören. Ich habe nämlich den Eindruck, dass 90 Prozent dieser Experten nicht die geringste Ahnung haben, wovon sie da sprechen. Mein Test: Man tausche das Wort Bitcoin einfach durch »Kokosnüsse« oder »Captain Flints Schatz« aus. Dieses Verfahren funktioniert zum Beispiel hervorragend in dem Interview, das der Spiegel mit Jan Pieter Krahnen geführt hat, ­Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Goethe-Uni­versität Frankfurt. »Momentan hat Captain Flints Schatz keinen fundamentalen Wert. Es gibt nur die Erwartung der Teilnehmer, dass er irgendwann mal zu Tauschzwecken genutzt werden kann. Das funktioniert aber nur so lange, wie andere auch daran glauben. Der Wert von Captain Flints Schatz resultiert also nur aus der Erwartung, dass der Staat irgendwann nicht anders kann, als regulierend einzugreifen, weil so viele Schatzjäger danach suchen. Wenn der Staat das tut, sorgt er mit einem Schlag dafür, dass die Wette von Captain Flint aufgeht: nämlich, dass seine Dublonen irgendwann mal ein akzeptiertes Zahlungsmittel sind.«

Dies funktioniert sehr verlässlich, schafft Ordnung im eigenen Kopf und macht den Anblick all jener erträglich, die irgendeine Geschichte von einem Bitcoin-Millionär aus dem Nichts dazu verleitet hat, in obskuren Netzwerken Geld zu versenken. Man stelle sich einfach vor, dass ­diese Leute morgens mit dem Metalldetektor durch den Park gehen, um nach dem Erbe Flints zu suchen, und schon hat einen die romantische Qualität dieses Bilds über die Einfalt der Mitmenschen hinweggetröstet.