Ägyptens Präsident Abd al-Fattah al-Sisi regiert mit eiserner Hand

Al-Sisi, der Alternativlose

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Schon seit dem Putsch gegen Mursi versucht al-Sisi erfolglos den jihadistischen Aufstand auf dem Sinai gewaltsam niederzuschlagen. Doch statt ­Konsequenzen aus dem Scheitern seiner Antiterrorstrategie zu ziehen, weitet er die Verfolgung mutmaßlicher islamistischer Kämpfer und das Bombardement von Wohngebieten im verarmten Grenzgebiet zum Gaza-Streifen und ­Israel immer weiter aus. Überraschend ist das nicht. 45 Jahre stand al-Sisi in Diensten des Militärs, Eliteausbildung an Militärschulen in Großbritannien und den USA inklusive. Hinzu kamen Jahre als Militärattaché in Riad sowie in Spitzenpositionen auf dem Sinai.
Nüchterne Statistik belegt das staatliche Versagen, die Zahl der Angriffe auf Polizisten und Soldaten im Nordsinai stieg von elf pro Monat im Jahr 2014 auf zuletzt 32. Doch die Kumpanei westlicher Regierungen mit seinem Regime ermöglicht es al-Sisi, sein Image als vermeintlich einzige Alternative zu den Jihadisten weiter zu pflegen – trotz der Unfähigkeit offizieller Stellen, religiöse Minderheiten zu schützen, trotz des anhaltenden Abbaus rechtsstaatlicher Verfahren.

Wie ein roter Faden zieht sich die Ausweitung der Repression durch die postrevolutionäre Phase, die mit dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 begann. Dass dieser im März 2017 vor Gericht von dem Vorwurf freigesprochen ­wurde, für die Tötung von Regimegegnern während der Revolution verantwortlich gewesen zu sein, markierte deshalb nicht nur symbolisch den Sieg des tiefen Staats über die zersplitterte Aufstandsbewegung. Die reaktionäre Justiz, Armee, Polizei und die Geheimdienste verfügen inzwischen über noch mehr Macht als unter Mubarak. Al-Sisi selbst verkörpert dieses Bündnis wie kein Zweiter. Noch unter dem heute 89jährigen ehemaligen Machthaber war er zum Leiter des militärischen Nachrichtendienstes ernannt worden, Mursi beförderte ihn 2012 dann zum Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte.

Neben dem Sicherheitsapparat standen al-Sisi bei Mursis Sturz ein Jahr später die religiösen Spitzen von al-Azhar-Moschee und koptischer Kirche zur Seite. Zehntausende politische Gefangene sind neben dem Antiterrorkampf zum prägenden Merkmal der Herrschaft al-Sisis geworden. Hinzu kommt das lautlose Verschwindenlassen von Dissidenten – auch wenn das von offizieller Seite geleugnet wird. Der UN-Ausschuss gegen Folter kam 2017 zu dem »unausweichlichen Schluss«, dass »Folter in Ägypten eine systematische Praxis ist«. Der Minister für ­Parlamentsangelegenheiten, Omar Marwan, hingegen behauptete noch Mitte März, lediglich in 72 Fällen sei seit 2014 auf Polizeiwachen Gewalt angewendet worden, und das auch nur, weil Inhaftierte auszubrechen versucht hätten.

Wie sehr die Staatsspitze ein neues Aufbegehren fürchtet, zeigt sich daran, dass langjährigen Elitenangehörigen wie Sami Anan und Ahmed Shafik nicht erlaubt wurde, bei der Präsidentenwahl anzutreten. Anan war einst Leiter des Generalstabs unter al-Sisi, Shafik unterlag 2012 bei den ersten freien Präsidentenwahlen dem später wegen Spionage und Landesverrats zu 45 Jahren Haft verurteilten Mursi. Sie stehen für vieles, sicherlich aber nicht für eine Fortsetzung des Kampfes, den die inhaftierten, getöteten oder ins Exil gezwungenen Angehörigen der Protestbewegung 2011 mit ihrer Forderung nach Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit begonnen hatten.