Mit Getöse gegen den Islam versucht die CSU, die AfD zu bekämpfen

Mia san net Islam

»Der Islam gehört nicht zu Deutschland.« Mit dieser Behauptung geht die CSU derzeit hausieren. Den vom Islam ausgehenden Problemen hat die Partei lediglich »Identität« und »Kultur« entgegenzusetzen.

Auf Alexander Dobrindt ist Verlass – zumindest wenn es darum geht, die ­umfassende Besinnungslosigkeit einer Debatte in ebenso besinnungslosem, aber prägnant verdichtetem Sprachmüll zusammenzufassen. »Der Maulkorb spaltet unser Land«, befand der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im ­Bundestag in der vergangenen Woche, um noch am Wochenende in Höchstform nachzulegen: »Politische Korrektheit ist keine Heimat.«

Dobrindts Einlassungen war ein Interview seines Parteivorsitzenden Horst Seehofer in der Bild-Zeitung vorausgegangen, in dem der Bundesminister für Inneres, Bau und Heimat publikumswirksam festgestellt hatte: »Der Islam gehört nicht zu Deutschland.« Dobrindt sprang seinem Parteikollegen um­gehend bei: »Der Islam gehört egal in welcher Form nicht zu Deutschland.« Die Debatte dürfe nicht unterdrückt werden, und überhaupt: politische ­Korrektheit, Maulkorb, unser Land, Heimat.

Eine solche Häufung von buzz words in sinnbefreiten Satzgebilden deutet zunächst auf eines hin: einen Wahlkampf. Die bayerische Landtagswahl ist für den 14. Oktober angesetzt. Den Grundsatz »Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben«, den Franz Josef Strauß in den Achtzigern im letztlich erfolgreichen Kampf gegen Franz Schönhubers Partei »Die Republikaner« prägte, dürfte die AfD dieses Mal außer Kraft setzen. In Umfragen geben zurzeit zwischen zehn und zwölf Prozent der Befragten an, die Partei wählen zu wollen. Jede Stimme für die AfD fehlt der CSU zur Verteidigung ihrer absoluten Mehrheit, weshalb auch Seehofer als Bundesminister besonderen Einsatz zeigt. Mehr Heimat, weniger Zuwanderung, mehr Abschiebungen, größere Polizeibefugnisse – nichts anderes war von ihm in den vergangenen Wochen zu hören.

 

Dass auch ein deutscher Identitätsschützer als Fürsprecher eines islamischen Regimes tätig werden kann, hat Manfred Weber, der stellvertretende Parteivorsitzende der CSU, bewiesen.


Dass er seinen Auftritt als durchgreifender Heimatminister mit einer ­Aussage zum Islam vervollständigt, kommt in der CDU allerdings nicht gut an. »Diese Muslime gehören auch zu Deutschland und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam«, widersprach Bundeskanzlerin Angela Merkel öffentlich. Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer assistierte: ­»Religionsfreiheit auf dem Boden des Grundgesetzes gehört unstreitig zu Deutschland, genau wie auch die Muslime in Deutschland mit ihrem Glauben, dem Islam, zu unserem Land gehören.«

Das klingt nach großem Streit. Allerdings liefern sich Unionspolitiker ­bereits ein solches Hin und Her, seit der damalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) 2010 konstatierte: »Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.« Der damalige Bundestagsfraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder (CDU), war 2012 anderer Meinung: »Der Islam ist nicht Teil ­unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland.« Auf einer Veranstaltung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) in ­Nürnberg sagte Markus Söder (CSU), der damalige bayerische Finanzminister, hingegen im selben Jahr: »Der Islam ist ein Bestandteil Bayerns.« Der damalige sächsische Ministerpräsident ­Stanislaw Tillich (CDU) befand 2015 wiederum: »Das bedeutet aber nicht, dass der Islam zu Sachsen gehört.«

Unentschieden also – wobei das Frage- und Antwortspiel »Gehört der Islam zu Deutschland?« ohnehin nur etwas über die Befindlichkeiten der Diskutanten, aber nichts über tatsächliche rechtliche und institutionelle Belange aussagt, mithin also sinn- und konsequenzlos ist. Dagegen lässt sich unter Verwendung einer weitverbreiteten Floskel ohne Zweifel feststellen: Der Islam ist »längst in Deutschland angekommen« – und zwar nicht erst in dem 40-Tonner, mit dem Anis Amri im Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz elf Menschen ermordete und dessen Fahrer er zuvor getötet hatte. Bereits am 2. März 2011 hatte Arid Uka am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen, es handelte sich um den ersten jihadistischen Mordanschlag in Deutschland und somit um die ­Ankunft des Islam in voll entfalteter Tödlichkeit.

Während in Frankreich dieser Tage wieder einmal Opfer des Jihad zu beklagen sind, steht in Deutschland fest, dass der Islam auch in Zukunft an entscheidender Stelle mitreden soll. »Wir müssen uns mit den muslimischen Verbänden an einen Tisch setzen und den Dialog suchen und da wo ­nötig noch ausbauen«, sagte Seehofer ebenfalls in der Bild-Zeitung. Deshalb halte er die Islamkonferenz für wichtig und werde sie weiterhin einberufen. Seehofer setzt sich somit für den Erhalt eines Gremiums ein, an dem mit der Ditib, dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR) gerade solche Vereine beteiligt sind, die den Muslimen den konservativen Alltagsislam predigen – also Teil des tatsächlich bestehenden Problems sind, wie etwa der Zentralrat der Ex-Muslime wiederholt betont hat.

 

 

 

Aufmerksamkeit hat auch Seehofers Begründung für seine Aussage zum ­Islam verdient: »Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten.« Dobrindt ergänzte an anderer Stelle: »Die CSU ist nicht bereit, die kulturelle Identität Deutschlands aufzugeben«, es gehe darum, »kulturelle Wurzeln« zu erhalten. So bringt die Diskussion zumindest einen kleinen Erkenntnisgewinn: Äußerten Konservative nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hierzulande bisweilen noch Appelle zur Verteidigung von Freiheit und Demokratie, blitzte also ­zumindest auf begrifflicher Ebene gelegentlich noch bürgerliche Restvernunft auf, so ist dieses politische Personal mittlerweile vollends bei »Identität« und »Kultur« angekommen – also beim Wortschatz der gegen jede indi­viduelle und gesellschaftliche Emanzipation gerichteten Gemeinschafts­raserei, den das islamische Personal seinerseits verwendet, um die eigene ­Gefolgschaft bei der Stange zu halten. So lobte Recep Tayyip Erdoğan, damals noch im Amt des türkischen Ministerpräsidenten, 2010 in Köln in einer Rede vor 16 000 Anhängern die türkischen Einwanderer in Deutschland aus ganz bestimmten Gründen: »Sie haben hier einerseits gearbeitet, andererseits aber haben Sie sich bemüht, Ihre Identität, Ihre Kultur, Ihre Traditionen zu bewahren.« Verwestlichte ­Abtrünnige, die sich statt um Islam und Türkentum um ihr eigenes Wohler­gehen kümmern, warnte er hingegen: »Assimilation ist ein Verbrechen ­gegen die Menschlichkeit.«

 

Dass auch ein deutscher Identitäts- und Kulturschützer als Fürsprecher eines islamischen Regimes tätig werden kann, hat beispielsweise Manfred Weber bewiesen, der stellvertretende Parteivorsitzende der CSU und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament.

 

Dass auch ein deutscher Identitäts- und Kulturschützer als Fürsprecher eines islamischen Regimes tätig werden kann, hat beispielsweise Manfred Weber bewiesen, der stellvertretende Parteivorsitzende der CSU und Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament. »Als eine Religion, die historisch-kulturell Identität stiftet, gehört der Islam ebenso wenig zu Europa, wie er zu Deutschland gehört. Für die Grundlagen und die Identität dieses Kontinents leistet der Islam kaum einen Beitrag«, sagte er in der vergangenen Woche – ohne näher zu erläutern, welchem Kontinent ein mehrheitlich muslimisches Land wie Albanien in Zukunft zugerechnet werden soll.

Weniger unerbittlich hatte Weber sich im Oktober über den Iran geäußert. Angesichts der Drohung des US-Präsidenten Donald Trump, das Atomabkommen mit der Islamischen Republik aufzukündigen, hatte er sich im Deutschlandfunk dafür ausgesprochen, weiterhin »diplomatische Wege zu ­gehen, dann auch den Konsens zu suchen« mit dem Regime. Den iranischen Präsidenten Hassan Rohani hatte er überaus wohlwollend erwähnt: »Er hat sich sehr, sehr abgewogen geäußert, hat sich einen Schritt auch auf die Partner, vor allem auf die Europäer zubewegt.« Deshalb war Weber zu dem Schluss gekommen: »Wir glauben auch, dass der Iran sich bisher an diese Vereinbarungen hält.«

Webers Parteinahme dürfte auch praktischen Erwägungen geschuldet sein. Wie in der Vergangenheit wollen bayerische Unternehmen auch in ­Zukunft ohne Rücksicht auf lästige Sank­tionsbestimmungen Geschäfte mit dem Iran machen. Und der bay­erische ­»Mittelstand« ist der CSU mindestens so wichtig wie »Identität« und ­»Kultur«.