Razzien gegen mutmaßliche Jihadisten

Netzwerken auf Jihadisten-Art

Bei Razzien in Italien hat die Polizei mutmaßliche Unterstützer von Anis Amri verhaftet, dem Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt.
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Eine erhöhte Terrorwarnstufe vor Ostern ist in Rom längst zur ­Gewohnheit geworden. Erst die Festnahme mehrerer mutmaßlicher Propagandisten und Unterstützer islamistischer Terrorgruppen sorgte in der Karwoche für Aufregung. Drei Antiterroreinsätze der Polizei legten die Reichweite der islamistischen Umtriebe in Italien offen: In Turin wurde mit Halili Elmahdi ein junger Mann mit marokkanischem Migrationshintergrund festgenommen, der den Behörden bereits aufgefallen war. Er soll sich über die sozialen Medien radikalisiert haben und steht im Verdacht, von islamistischer Propaganda zur Planung eines Anschlags mit einem Lkw übergegangen zu sein. In der süditalienischen Stadt Foggia wurde der aus Ägypten stammende Prediger Abdel Rahman Mohy ver­haftet. Abhörprotokolle belegen, dass er als Leiter einer Koranschule Kinder zwischen vier und zehn Jahren auf den Heiligen Krieg für das »Kalifat« eingeschworen und sie anhand von Zeichnungen im Gebrauch von Handfeuerwaffen unterrichtet hat.

In einer dritten, von den anderen beiden unabhängigen Polizeiaktion ist es Ermittlern gelungen, Details zu einem islamistischen Netzwerk aufzudecken, das Anis Amri auf seinem Weg von Süditalien nach Deutschland geholfen haben soll. Der Attentäter war nach dem Anschlag vom Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 nach Italien zurückgekehrt und bei einer Polizeikontrolle in der Nähe von Mailand erschossen worden. Die Auswertung der Kontaktdaten seines Mobiltelefons führte die Ermittler in die südlich von Rom gelegene Provinz Latina. Amri hatte im Sommer 2015 wenige Wochen in der Kleinstadt Aprilia gewohnt und die Moschee des islamischen Kulturzentrums in Latina besucht. Nachdem im ­vergangenen Jahr bereits vier damalige Kontaktmänner ausgemacht und nach Tunesien abgeschoben worden waren, sind in der Vorosterwoche vier weitere Tunesier bei Razzien, die sich über die Nachbarregion Caserta bis nach Neapel erstreckten, festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, neben Amri weitere Jihadisten auf ihrem Weg nach Nordeuropa mit falschen Pässen ausgestattet zu haben.

Ein fünfter Mann, Abdel Salem Naplusi, der bereits wegen Drogenhandels im Gefängnis sitzt, soll Amri ebenfalls logistisch unterstützt und sich selbst durch Propagandavideos der Terrormiliz »Islamischer Staat« über Möglichkeiten der Ausführung eines Attentats informiert haben. Veröffentlichungen aus während der Ermittlung mitgeschnittenen Telefongesprächen zitieren Naplusi mit ­einem martialischen Gewaltaufruf gegen »Ungläubige«: »Schneidet ihnen Kopf und Genitalien ab!« Beweise für Meldungen, wonach Amri mit seinen mutmaßlichen Komplizen in den wenigen Wochen seines Aufenthalts in Latina auch über einen Anschlag auf die ­Metro in Rom gesprochen habe, liegen der Staatsanwaltschaft zufolge nicht vor.

Der nur noch geschäftsführend amtierende Innenminister von der Demokratischen Partei, Marco Minniti, ließ es sich nicht ­nehmen, seine politischen Konkurrenten von der Lega und dem Movimento 5 Stelle daran zu erinnern, dass unter seiner Amts­führung die Zahl der Festnahmen und Abschiebungen sogenannter Gefährder stetig gestiegen sei und sich jede neue Regierung an seinen Fahndungserfolgen messen lasse müsse. Doch mit Repressionsmaßnahmen allein wird sich das Phänomen der Unterstützermilieus nicht bekämpfen lassen. Zum einen fehlt es an politischen Initiativen zur Vorbeugung gegen eine jihadistische Radi­kalisierung von migrantischen Jugendlichen. Zum anderen herrschen in den Provinzen rund um die Metropolen Rom und Neapel für Geflüchtete und illegalisierte Einwanderer unmenschliche, von den italienischen Mafiabanden kontrollierte Lebens- und Arbeitsbedingungen, die die Hinwendung zum islamistischen Terror nicht rechtfertigen, aber zur Ausbildung eines heiligen Zorns beitragen mögen.