Die baskische Guerilla Eta will sich Anfang Mai auflösen

Volkstum schaffen ohne Waffen

Am 4. Mai will die baskische Guerilla Eta in Cambo-les-Bains im französischen Baskenland ihre Auflösung verkünden.

»Die Erklärung, wonach die Eta nicht mehr existiert, wird sehr eindeutig sein«, erklärte Alberto Spectorovsky, ein Mitglied der Internationalen Kontaktgruppe (GIC) zur baskischen Guerilla Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit, Eta) vorvergangene Woche im französischen Bayonne. Die GIC ­organisiert gemeinsam mit der Initiative Bake Bidea (Friedensweg) und ­öffentlichen Mandatsträgern aus dem französischen Baskenland die für die Auflösung vorgesehene Zeremonie am 4. Mai.

Die GIC, in der auch der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan und der frühere irische Ministerpräsident Bertie Ahern mitarbeiten, hat bereits 2011 mit der von ihr veranstalteten Friedenskonferenz für das Baskenland die Verhandlungen mit der Eta übernommen. Denn die seit 2011 in Spanien regierende konservative Volkspartei (PP) hat sich im Gegensatz zum damals abgewählten sozialdemokratischen ­Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) jeglichen Verhand­lungen mit der Eta, selbst im Geheimen, verweigert und allein die polizeiliche Verfolgung der Guerilla und die gerichtliche Verurteilung ihrer Unterstützer angestrebt. Selbst gegen einige der Vermittler der GIC wurden vor spanischen Gerichten Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung eröffnet. Deshalb fand bereits die Übergabe von 120 Waffen und etwa 3,5 Tonnen Sprengstoff der Eta im April 2017 in der Nähe von Bayonne statt, und nicht auf spanischem Boden.

Im Baskenland wird viel Wert auf Symbolik gelegt. Die Zeremonie zur Auflösung der Eta findet in einem Museum für baskisches Kunsthandwerk in der Villa Arnaga mit ihrem prächtigen Garten in Cambo-les-Bains statt, nahe Bayonne und der Grenze zu Spanien.

Dies soll verdeutlichen, dass die baskische Kultur bestehen bleibe und der Kampf für ein unabhängiges Baskenland fortgeführt werde – mit zivilen, demokratischen Mitteln.

15 der 17 in den vergangenen beiden Jahren inhaftierten »Etarrak« (Mitglieder der Eta) wurden außer­halb Spaniens mit europäischen Haftbefehlen festgenommen, allein sechs davon in Frankreich.

Anaiz Funosas, die Vorsitzende der Initiative Bake Bidea, erklärte auf einer Pressekonferenz zur Zeremonie, dort würden »relevante Details zum Prozess der Demobilisierung der Eta verkündet«. Im französischen Baskenland gibt es seit 2012 einen alle Kommunen ­umfassenden Verband. Dessen Vor­sitzender, der Bürgermeister von Bayonne, Jean-René Etchegaray, sagte: »Wir werden dort große Fortschritte zu einem endgültigen Frieden sehen.« Der stellvertretende Vorsitzende des französisch-baskischen Gemeindeverbands und Bürgermeister von Hendaye, Kotte Écénarro, pflichtete ihm bei. Auch Abgeordnete der französischen Nationalversammlung der Partei La République en Marche von Präsident Emmanuel Macron unterstützen die Zeremonie in Cambo-les-Bains, so dass es voraussichtlich – anders als in Spanien – nicht zur Verfolgung der Eta-Vertreter kommen wird. Dies ist nicht selbstverständlich: 15 der 17 in den vergangenen beiden Jahren inhaftierten Etarrak (Mitglieder der Eta) wurden außerhalb ­Spaniens mit europäischen Haftbefehlen festgenommen, allein sechs davon in Frankreich.

Nach ihrer klandestinen Gründung 1959 in einem Jesuitenkloster zu Zeiten der Diktatur Francisco Francos begann die Eta zunächst damit, die baskische Sprache als Ausdruck der Volkskultur zu fördern. Erst 1968 erschossen Mitglieder der Eta den ersten spanischen Polizisten, einen bekannten Folterspezialisten. Seit dem Tod des Diktators Franco tötete die 829 Menschen, darunter über 300 Zivilisten und über 500 Polizei- und Armeeangehörige. In einer Studie für die baskische Regierung von 2016 ermittelte der Forensiker Francisco Etxeberria, dass von 1960 bis 2013 im Baskenland 4009 Menschen Opfer von Folter durch die Polizei und das Militär wurden, 73 der Eta-Mitgliedschaft Verdächtigte wurden seit 1960 von inoffiziellen rechten Todesschwadronen getötet. Während die Eta in den ersten Jahrzehnten Hunderte Mitglieder hatte und eine eigene interne Zeitschrift herausgab, die Zutabe, geht Spaniens Polizei davon aus, dass es derzeit nur noch etwa 50 aktive Mitglieder in Freiheit gibt.

 

Bereits seit zwei Jahren diskutiert die Eta intern über zwei Positionspapiere der Leitung: »Baga« (Welle) zur Frage der Entwaffnung und »Biga« (Strahl) zur Selbstauflösung. David Pla Marín, der zusammen mit Iratxe Sorzabal nach Angaben der spanischen Polizei 2010 per Video den einseitigen Waffenstillstand verkündete – seitdem hat die Eta keine Anschläge mehr verübt –, erklärte vergangenes Jahr aus seiner Gefängniszelle in Frankreich, es werde eine ­intensive Debatte über die Selbstauflösung geführt;  an dieser sollten sich auch die 302 inhaftierten Etarrak beteiligen können. Die spanische Regierung hatte seit 2011 den Verfolgungsdruck auf die Eta erhöht und 2015 mit Pla und Sorzabal genau die Personen aus der Eta-Führung verhaften lassen, die den »bewaffneten Kampf« aufgeben wollten. Allerdings war die Einsicht unter den Etarrak bereits gefestigt, dass ihre Anschläge und Morde der breiten gesellschaftlichen Zustimmung für ein unabhängiges Baskenland nicht nützen – im Gegenteil.

Bereits im Februar 2018 hieß es in einer Erklärung der Eta: »Die politische Bewegung, die wir abertzale (in etwa: patriotische) Linke nennen, hat genügend Reife und Fähigkeit zu Kämpfen gezeigt, sie ist sehr viel effizienter, um sich den heutigen Herausforderungen zu stellen.« Im selben Monat erschien das Buch »Die Entwaffnung – der baskische Weg« von Iñaki Egaña und Pla, in dem die Herausgeber ausführlich den Weg zur Beendigung des »bewaffneten Kampfes« beschreiben. Fortan solle mit demokratischen Mitteln des zivilen Ungehorsams und unbewaffnet für ein unabhängiges Baskenland gestritten werden.

Die wahrscheinlich vorletzte Erklärung der Eta, die »Erklärung zum ver­ursachten Schaden«, gerichtet »an das baskische Volk«, wurde in den baskischsprachigen Zeitungen Gara und Berria am 20. April veröffentlicht. Die Eta schreibt, sie sei sich bewusst, dass »die baskische Gesellschaft weder Zynismus noch Heuchelei braucht und will«. Und: »Wir haben schweren Schaden angerichtet, der nicht ­be­hoben werden kann. Wir bitten diese Menschen und ihre Angehörigen um Vergebung.« Vom Ziel des Kampfes für einen eigenen baskischen Staat wolle man allerdings nicht abrücken. Die Eta betont, dass auch andere Leid verursacht haben, und kritisiert die staatliche Repression. Der grundlegende Konflikt sei, ob das Baskenland unabhängig werden oder Teil Spaniens bleiben sollte.

»Es ist möglich, Frieden und Freiheit im Baskenland dadurch zu schaffen, dass man eine politische Lösung für den Konflikt findet. Die Flammen von Gernika werden für immer erlöschen«, heißt es weiter in dem Schreiben. Im spanischen Guernica, Baskisch Gernika, flog während des Spanischen Bürgerkriegs 1937 die deutsche, mit Franco verbündete Legion Condor Luftangriffe, die die ganze Stadt zerstörten und Hunderte ihrer Einwohner töteten. Der Name der Stadt steht seither als ­Synonym für die Schrecken des Krieges.

Die spanische Regierung reagierte abweisend auf die Erklärung der Eta. Der Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo sagte, er könne mit Sicherheit sagen, dass diese Regierung niemals »irgendein Gegengeschäft mit der Eta aushandeln werde«. Die ersten Gedanken der Regierung gälten den Opfern der Eta. Wenig später ergänzte der Innenminister Juan Ignacio Zoido, die ­Erzählung der Eta sei falsch, »alle Demokraten haben mithilfe der Sicherheitskräfte, der Hilfe der Richter und der internationalen Unterstützung die Eta besiegt«. Sie erlebe »die totale Nieder­lage: politisch, ökomomisch, sozial und international«.

Dass sie es ernst meint mit der Selbstauflösung, unterstrich die Eta am ­Donnerstag vergangener Woche. Nach einem anonymen Anruf bei der ­Polizei in Bayonne übergab sie der französischen Justiz vier weitere Kisten ­voller Handfeuerwaffen, Munition und gefälschter Autonummern­schilder.