Die Europäische Volkspartei streitet über die Politik ihrer ungarischen Mitgliedspartei Fidesz

Das schwierige Kind der Konservativen

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Aus der Luft gegriffen ist Orbáns Einschätzung nicht. Nur wenige in der Fraktion haben sich bisher so nachdrücklich wie Engel und sein belgischer Kollege Pascal Arimont dafür ausgesprochen, dass Orbáns Fidesz »in der EVP nichts verloren hat«. Engel bestätigt, dass Mitglieder seiner Fraktion argumentieren, man könne den ungarischen Ministerpräsidenten und seine Partei nur zügeln, solange diese in die EVP eingebunden sei. Auch von den jeweiligen konservativen Parteien der Abgeordneten wird diese Haltung unterstützt.

So ist etwa Belgiens stellvertretender Ministerpräsident Kris Peeters von der flämisch-konservativen Partei Christen-Democratisch en Vlaams (CD & V) der Ansicht, man könne Fidesz nicht aus der EVP werfen, weil die Partei demokratisch gewählt sei. »Davor muss man Respekt haben«, ­zitiert ihn die flämische Tageszeitung De Morgen. Inwiefern der Ausschluss aus einer parlamentarischen Fraktion den Wählerwillen missachtet, erschließt sich daraus nicht.

Doch nicht alle in der EVP, die für eine Umarmung Orbáns plädieren, verweisen allein auf strategische Gründe. »Viktor Orbán liebt es zu provozieren. Er ist das enfant terrible der EVP-Familie, aber ich mag ihn und wir ­finden immer eine Lösung«, wischte im Juli 2015 der vormalige EVP-Frak­tionsvorsitzende und jetzige EVP-Vorsitzende Joseph Daul Kritik an Orbán vom Tisch. Der Ungar sei einer, auf den man sich verlassen könne. Nicht zuletzt die bayerische CSU verbindet viel mit dem »lieben Viktor« (Horst See­hofer), Teilen der Partei gilt dessen Politik geradezu als vorbildlich.

Also alles nur Familienkrach? Auch wenn CSU-Europaabgeordnete wie Markus Ferber bislang darauf pochen, dass Orbán nicht Wladimir Putin und ein Verfahren wegen »Schwächung des Justizwesens in Polen und nicht in Ungarn« anhängig sei, wird das den Unmut in der Fraktion wohl nicht zu beruhigen vermögen. Denn im EU-Parlament konkretisieren sich Bestrebungen, gegen Ungarn ein Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit einzuleiten, wie bereits im Dezember im Falle Polens geschehen. Das könnte Orbáns Regierung dringend benötigte EU-Zuschüsse kosten. Dafür wird es jedoch auch auf die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament an­kommen.

Um Mehrheiten geht es auch in der EVP-Fraktion. Aus einem Rausschmiss von Fidesz wurde bislang nichts, »weil Parteien wie die CSU schützend ihre Hand über den Orbán-Clan und seine Partei halten«, hatte Frank Engel vor wenigen Wochen noch gesagt. »Ich weiß, dass der Anteil derjenigen, die inzwischen die Schnauze voll haben – von Orbáns Rhetorik, Eskapaden und Politik –, wächst«, meinte er nun im Gespräch mit der Jungle World. »In welchen Dimensionen sich das bewegt, kann ich allerdings nicht beziffern.«